Das vergangene Jahr hat durch die neue rechtsextremistische israelische Regierung und deren Minister für "Nationale Sicherheit", Ben Gvir, nicht nur zu einer weiteren Verschlechterung für palästinensische Häftlinge in israelischen Gefängnissen sowie deren Angehörigen geführt, sondern es wurde ein noch nie dagewesenes Ausmaß erreicht.
Die Organisationen für palästinensische Häftlinge (The Commission of Detainees' Affairs, The Palestinian Society Prisoner's Club, die Addameer Association for Human Rights und das Wadi-Hilweh-Information Centre) bestätigten in einem gemeinsamen Bericht, dass die Besatzungsbehörden und ihre Einrichtungen immer strikter werdende Maßnahmen einsetzen, um jeden Protest und Widerstand der palästinensischen Häftlinge im Keim zu ersticken und sie aller Rechte zu berauben.
- Gegenwärtig befinden sich 4900 Gefangene in israelischen Gefängnissen, darunter 31 Frauen, 160 Minderjährige und mehr als 1000 Inhaftierte in sogenannter Administrativhaft, darunter 6 Minderjährige und 2 Frauen.
- Darüber hinaus gibt es 23 Gefangene, die seit der Zeit vor dem Oslo-Abkommen inhaftiert sind, der älteste von ihnen ist der Gefangene Mohammed Tous, der seit 1985 inhaftiert ist.
- Außerdem gibt es elf Gefangene, die im Rahmen eines Gefangenenaustauschs freigelassen, dann aber wieder verhaftet wurden, wie der Gefangene Nael Barghouthi, der die längste Haftzeit in der Geschichte der Gefangenenbewegung verbüßt.
- 400 der Gefangenen haben bereits mehr als 20 Jahre im Gefängnis verbracht.
- Darüber hinaus gibt es derzeit 554 Gefangene, die eine lebenslange Haftstrafe verbüßen, wobei die längste Haftstrafe auf den Gefangenen Abdullah Barghouthi entfällt, der zu 67 Mal lebenslanger Haftstrafe verurteilt wurde.
- Seit 1967 sind 236 Gefangene in Haft verstorben, zusätzlich zu Hunderten von Gefangenen, die nach ihrer Freilassung aufgrund von Krankheiten, die sie im Gefängnis bekamen, starben. Von den in Haft verstorbenen Häftlingen wurden die sterblichen Überreste von zwölf Personen bis heute nicht an ihre Familien zurückgegeben.
- Derzeit sind 700 palästinensische Häftlinge im Gefängnis erkrankt und benötigen intensive medizinische Betreuung, darunter 24 Gefangene mit Krebs.
Verhaftungsfälle seit Beginn des Jahres 2023
Seit Beginn dieses Jahres wurden 2300 Verhaftungen registriert, darunter befanden sich 350 Minderjährige (die meisten von ihnen aus Jerusalem) sowie 40 Frauen.
In Jerusalem wurden 1200 Verhaftungen registriert, neben anderen Strafen und Verstößen gegen das humanitären Völkerrechts wie Hausarrest, Deportation, Auferlegung von Steuern, Geldstrafen, Hauszerstörungen und Beschlagnahmung von Geldern der Familien der Inhaftierten.
Die Inhaftierten und ihre Familien sind systematischen Verstößen gegen Menschenrechte ausgesetzt, wie beispielsweise kollektive Bestrafungen, Angriffe auf Inhaftierte und ihre Familien, Bedrohung, Verhaftung von Familienmitgliedern, Folter in Verhörzentren, Verhinderung von Treffen mit AnwältInnen und langen Haftzeiten in Verhörzentren.
Palästinenserinnen und Palästinenser in Administrativhaft
Die Politik der Administrativhaft ist jedoch die schlimmste Maßnahme der israelischen Behörden und zielt darauf ab, Proteste und Moral der Gefangenen zu untergraben. Unter der Bezeichnung „Administrativhaft“ haben israelische Sicherheitskräfte die – für sie gesetzlich legitimierte – Möglichkeit, PalästinenserInnen zu verhaften und teils über Jahre festzuhalten, ohne dass die Häftlinge ihr Recht auf ein Gerichtsverfahren wahrnehmen können und ohne Wissen darüber, ob und wann sie freigelassen werden. Internationale Menschenrechtsorganisationen sowie der UN-Menschenrechts-Ausschuss haben wiederholt festgestellt, dass die israelische Praxis der Administrativhaft in mehreren Einzelpunkten als auch als Ganzes einen Verstoß gegen das internationale Völker- und Menschenrecht darstellt. Die Zahl der Administrativhäftlinge übersteigt aktuell die Tausendergrenze, was den höchsten Stand seit 2003 darstellt (zum Vergleich im Jahr 2022: 530 Fälle). Unter den derzeitigen Administrativhäftlingen befinden sich sechs Kindern, ältere Menschen, Kranke und zwei Frauen.
Systematische Verstöße und Verbrechen in israelischen Gefängnissen
Die israelischen Behörden und die Verwaltung der Gefängnisse verfolgen eine systematische und harte Politik gegenüber den Gefangenen, wie z.B. Verweigerung von medizinischer Versorgung. Erst im Februar 2023 verstarb Ahmad Abu Ali im Gefängnis, nachdem ihm medizinische Versorgung verweigert worden war. Der verheiratete Vater von neun Kindern litt an verschiedenen chronischen Krankheiten, darunter Herzkrankheiten und Diabetes, erhielt jedoch nicht die erforderliche professionelle medizinische Behandlung und Gesundheitsuntersuchung, was zu weiteren Komplikationen und letztendlich zu seinem Tod führte.
Darüber hinaus hat die im Gefängnis auferlegte Isolationshaft seit 2021 deutlich zugenommen.
35 Gefangene werden derzeit in Einzelhaft gehalten, darunter auch kranke Gefangene wie Ahmad Manasra (#FreeAhmadManasra). Manasra wurde 2015 im Alter von 13 Jahren von israelischen Streitkräften verhaftet, weil er angeblich an einem Messerangriff beteiligt war. Die Isolationshaft und die harten Bedingungen im Gefängnis sowie die mittlerweile acht Jahre andauernde Haftzeit haben zu einer psychischen Störung beim mittlerweile 21jährigen geführt. Trotz seines schwierigen psychischen Gesundheitszustands befindet sich Manasra noch immer in Isolationshaft, ebenso wie der Gefangene Muhammad Khalil, der seit mehr als 15 Jahren in Einzelhaft ist.
Zusätzlich haben die israelischen Besatzungsbehörden den Besuch von Familienangehörigen, insbesondere von Gefangenen aus dem Gazastreifen, als Strafmaßnahme erschwert.
Die Gefangenen haben seit Anfang 2023 eine Reihe von Protestaktionen durchgeführt, um sich gegen die von Ben Gvir eingeführten Maßnahmen aufzulehnen. Der Protest richtete sich insbesondere gegen die zu geringen Rationen an Wasser und Brot, die den Gefangenen zur Verfügung gestellt werden sowie gegen die zu kurzen Zeiten, in denen die Toilette benutzen werden darf. Nach einer 37-tägigen Protestaktion gelang es den Gefangenen, die israelischen Behörden dazu zu bewegen, die neuen Maßnahmen vorerst zurückzuziehen. Wie lange jedoch dieser Rückzug anhalten wird, ist ungewiss.
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