+972Mag: Israels neueste Vision für Gaza hat einen Namen: Konzentrationslager
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- 8. Apr.
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Da Israel nicht in der Lage ist, die BewohnerInnen des Gazastreifens sofort massenhaft zu vertreiben, scheint es darauf bedacht zu sein, sie in eine beschränkte Zone zu pferchen – und Hunger und Verzweiflung den Rest erledigen zu lassen.
Von Meron Rapoport, +972Mag in Kooperation mit Local Call, 1. April 2025
(Originalbeitrag in englischer Sprache)
Vor zwei Wochen postete der rechtsgerichtete israelische Journalist Yinon Magal auf X: „Dieses Mal beabsichtigt die israelische Armee, alle BewohnerInnen des Gazastreifens in eine neue humanitäre Zone zu evakuieren, die für einen langfristigen Aufenthalt eingerichtet wird, die eingezäunt sein wird und in der jeder, der sie betritt, zuerst überprüft wird, um sicherzustellen, dass er kein Terrorist ist. Die israelische Armee werden diesmal nicht zulassen, dass eine widerspenstige Bevölkerung die Umsiedlung verweigert. Jeder, der sich außerhalb der humanitären Zone aufhält, wird zur Strecke gebracht. Dieser Plan hat amerikanische Unterstützung.“
Am selben Tag veröffentlichte der israelische Verteidigungsminister Israel Katz eine Videoerklärung, die etwas Ähnliches andeutete. „BewohnerInnen des Gazastreifens, das ist Eure letzte Warnung“, sagte er. „Der Angriff der Luftwaffe auf die Hamas-Terroristen war nur der erste Schritt. Die nächste Phase wird weitaus härter sein, und ihr werdet den vollen Preis dafür zahlen. Bald wird die Vertreibung der Bevölkerung aus den Kampfgebieten wieder aufgenommen werden.“
„Wenn nicht alle israelischen Geiseln freigelassen werden und die Hamas nicht aus dem Gazastreifen verschwindet, wird Israel mit noch nie dagewesener Härte vorgehen“, so Katz weiter. „Befolgt den Rat des US-Präsidenten: Gebt die Geiseln zurück und entfernt die Hamas, und es werden sich andere Möglichkeiten eröffnen – einschließlich der Umsiedlung in andere Länder für diejenigen, die dies wünschen. Die Alternative ist völlige Zerstörung und Verwüstung“.
Die Parallelen zwischen den beiden Aussagen sind eindeutig kein Zufall. Selbst wenn Magal nicht direkt von Katz oder dem neuen Generalstabschef der Armee, Eyal Zamir, von Israels neuem Kriegsplan gehört hat, kann man davon ausgehen, dass er ihn aus anderen hochrangigen militärischen Quellen erfahren hat.
In einer weiteren Vorahnung machte der Journalist Yoav Zitun von der israelischen Nachrichtenseite Ynet auf die Äußerungen von Brigadegeneral Erez Wiener aufmerksam, der vor kurzem aus der Armee entlassen wurde, weil er geheime Dokumente nicht korrekt gehandhabt hatte: „Es macht mich traurig, dass ich – nachdem ich anderthalb Jahren den Karren aus dem Dreck gezogen habe und gerade dann, wenn es endlich so aussieht, als hätten wir die Zielgerade erreicht und die Kämpfe würden die richtige Wendung nehmen (was schon vor einem Jahr hätte geschehen sollen) – nicht mehr am Ruder sein werde“, schrieb Wiener auf Facebook.
Wie Zitun feststellte, ist Wiener kein gewöhnlicher Offizier. Vor seiner Entlassung spielte er eine zentrale Rolle bei der Planung der Operationen der Armee im Gazastreifen, wo er konsequent darauf drängte, die vollständige israelische Militärherrschaft über das Gebiet durchzusetzen. Wenn Wiener, der Berichten zufolge in undichte Stellen beim rechtsextremen Minister Bezalel Smotrich verwickelt war, sagt, dass „die Kämpfe die richtige Wendung nehmen werden“, kann man daraus schließen, welche Art von Wendung er meint. Dies deckt sich auch mit den offensichtlichen Wünschen von Stabschef Zamir sowie mit Details eines Angriffsplans, die dem Wall Street Journal Anfang letzten Monats zugespielt worden sein sollen.
Die Verknüpfung all dieser Punkte führt zu einer ziemlich klaren Schlussfolgerung: Israel bereitet sich darauf vor, die gesamte Bevölkerung des Gazastreifens durch eine Kombination aus Fluchtbefehlen und intensivem Bombardement in ein geschlossenes und möglicherweise umzäuntes Gebiet zu zwingen. Jeder, der sich außerhalb dieser Grenzen aufhält, wird getötet, und die Gebäude im Rest der Enklave werden wahrscheinlich dem Erdboden gleichgemacht.
Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, lässt sich diese „humanitäre Zone“, wie Magal es so freundlich formulierte, in der die Armee die 2 Millionen EinwohnerInnen des Gazastreifens einsperren will, in nur einem Wort zusammenfassen: Konzentrationslager. Das ist keine Übertreibung, sondern einfach die präziseste Definition, die uns hilft, besser zu verstehen, womit wir es zu tun haben.
Ein Alles-oder-Nichts-Prinzip
Perverserweise spiegelt der Plan, ein Konzentrationslager im Gazastreifen zu errichten, möglicherweise die Erkenntnis der israelischen Führung wider, dass die viel beschworene „freiwillige Ausreise“ der Bevölkerung unter den gegenwärtigen Umständen nicht realistisch ist – zum einen, weil zu wenige BewohnerInnen des Gazastreifens bereit wären, selbst bei anhaltendem Bombardement zu gehen, und zum anderen, weil kein Land einen derart massiven Zustrom palästinensischer Flüchtlinge aufnehmen würde.
Nach Ansicht von Dr. Dotan Halevy, einem Gaza-Forscher und Mitherausgeber des Buches „Gaza: Place and Image in the Israeli Space“ beruht das Konzept der „freiwilligen Ausreise“ auf einem Alles-oder-Nichts-Prinzip. „Stellen Sie sich folgendes Szenario vor“, sagte Halevy kürzlich. „Fragen Sie Ofer Winter [den Militärgeneral, der zum Zeitpunkt unseres Gesprächs die Leitung der Direktion „Freiwillige Ausreise“ des Verteidigungsministeriums zu übernehmen schien], ob die Evakuierung von 30, 40 oder gar 50 Prozent der BewohnerInnen des Gazastreifens als Erfolg angesehen werden würde. Würde es für Israel wirklich etwas ausmachen, wenn im Gazastreifen nur 1,5 Millionen Palästinenser leben würden, statt 2,2 Millionen? Würde das die Annexionsphantasien von Bezalel Smotrich und seinen Verbündeten ermöglichen? Die Antwort lautet mit ziemlicher Sicherheit nein.“
Halevys Buch enthält einen Aufsatz von Dr. Omri Shafer Raviv, in dem Israels Pläne zur „Förderung“ der palästinensischen Auswanderung aus dem Gazastreifen nach dem Krieg von 1967 dargelegt werden. Der Titel „Ich würde gerne hoffen, dass sie gehen“ lehnt sich an ein Zitat des damaligen Premierministers Levi Eshkol an. Der Aufsatz wurde im Januar 2023 veröffentlicht – ganze zwei Jahre bevor Präsident Donald Trump seinen Plan für die „Gaza-Riviera“ ankündigte – und spiegelt wider, wie tief der Gedanke, die Bevölkerung des Gazastreifens umzusiedeln, in das strategische Denken Israels eingedrungen ist.
Der Aufsatz enthüllt auch Israels damaligen zweifachen Ansatz, um die Zahl der PalästinenserInnen im Gazastreifen zu reduzieren: erstens, indem man sie ermutigte, in das Westjordanland und von dort nach Jordanien zu ziehen, und zweitens, indem man Länder in Südamerika suchte, die bereit waren, palästinensische Flüchtlinge aufzunehmen. Während die erste Strategie einen gewissen Erfolg brachte, scheiterte die zweite völlig.
Laut Shafer Raviv ging der Plan für Israel nach hinten los. Obwohl Zehntausende von PalästinenserInnen den Gazastreifen in Richtung Jordanien verließen, nachdem Israel den Lebensqualität in der Enklave absichtlich gesenkt hatte, blieben die meisten von ihnen. Entscheidend ist jedoch, dass die sich verschlechternden Lebensbedingungen zu Unruhen führten – und in der Folge zu bewaffnetem Widerstand.
Als Israel dies erkannte, beschloss es Anfang 1969, die wirtschaftliche Lage im Gazastreifen wieder zu verbessern, indem es den Gaza-BewohnerInnen erlaubte, in Israel zu arbeiten, um so den Druck zur Auswanderung zu verringern. Außerdem begann Jordanien, seine Grenzen zu schließen, was die Flucht der PalästinenserInnen aus dem Gazastreifen weiter verlangsamte. Ironischerweise nahmen einige der Gazaner, die im Rahmen des israelischen Vertreibungsplans nach Jordanien zogen, später an der Schlacht von Karameh im März 1968 teil – der ersten direkten militärischen Konfrontation zwischen Israel und der im Entstehen begriffenen Palästinensischen Befreiungsorganisation, die Israels Begeisterung für die Förderung der Auswanderung aus dem Gazastreifen weiter abkühlte.
Letztendlich kam Israels Sicherheitsapparat zu dem Schluss, dass es besser sei, die PalästinenserInnen im Gazastreifen zu halten, wo sie überwacht und kontrolliert werden können, als sie in der Region zu verteilen. Halevy zufolge hat diese Erkenntnis die israelische Politik gegenüber dem Gazastreifen bis Oktober 2023 bestimmt und erklärt, warum Israel während seiner 17-jährigen Blockade nicht versucht hat, die BewohnerInnen aus Gaza zu vertreiben. Bis zum Beginn des Krieges war das Verlassen des Gazastreifens in der Tat ein äußerst schwieriger und kostspieliger Prozess, der nur für PalästinenserInnen mit Reichtum und Beziehungen möglich war, die ausländische Botschaften in Jerusalem oder Kairo erreichen konnten, um Visa zu erhalten.
Heute hat die israelische Denkweise in Bezug auf den Gazastreifen scheinbar eine Kehrtwende vollzogen: von externer Kontrolle und Eindämmung zu vollständiger Kontrolle, Vertreibung und Annexion.
In Shafer Ravivs Essay erzählt er von einem Interview aus dem Jahr 2005 mit Generalmajor Shlomo Gazit, dem Architekten der israelischen Besatzungspolitik nach 1967 und dem ersten Leiter der Koordinierung für Regierungsaktivitäten in den Gebieten (COGAT) der Armee. Auf die Frage nach dem ursprünglichen Plan zur Vertreibung der Menschen im Gazastreifen, den er selbst 40 Jahre zuvor mit ausgearbeitet hatte, antwortete er: „Jeder, der darüber spricht, sollte gehängt werden“. Zwanzig Jahre später, unter der gegenwärtigen rechtsgerichteten Regierung, ist die vorherrschende Meinung, dass jeder, der nicht von einer „freiwilligen Ausreise“ der BewohnerInnen des Gazastreifens spricht, gehängt werden sollte.
Doch trotz des dramatischen Strategiewechsels bleibt Israel fest in seiner eigenen Politik gefangen. Damit der „freiwillige Abzug“ erfolgreich genug ist, um die Annexion und die Wiedererrichtung jüdischer Siedlungen im Gazastreifen zu ermöglichen, müsste man annehmen, dass mindestens 70 Prozent der BewohnerInnen des Gazastreifens vertrieben werden müssten – also mehr als 1,5 Millionen Menschen. Dieses Ziel ist angesichts der derzeitigen politischen Umstände sowohl in Gaza als auch in der gesamten arabischen Welt völlig unrealistisch.
Außerdem könnte, wie Halevy betont, selbst die Erörterung eines solchen Vorschlags die Frage der Bewegungsfreiheit in und aus dem Gazastreifen neu aufwerfen. Denn wenn die Ausreise „freiwillig“ ist, müsste Israel theoretisch garantieren, dass diejenigen, die ausreisen, auch zurückkehren können. In einem Artikel auf der israelischen Nachrichtenseite Mako von letzter Woche, in dem ein Pilotprogramm beschrieben wurde, bei dem 100 BewohnerInnen des Gazastreifens die Enklave verlassen sollen, um in Indonesien Bauarbeiten zu verrichten, wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass „nach internationalem Recht jeder, der den Gazastreifen zum Arbeiten verlässt, auch wieder zurückkehren darf“.
Unabhängig davon, ob Smotrich, Katz und Zamir die Artikel von Halevy und Shafer Raviv gelesen haben oder nicht, ist ihnen wahrscheinlich klar, dass der „freiwillige Abzug“ kein sofort umsetzbarer Plan ist. Aber wenn sie wirklich glauben, dass die Lösung des „Gaza-Problems“ – oder der palästinensischen Frage insgesamt – darin besteht, dass es keine PalästinenserInnen mehr in Gaza gibt, dann wird dies sicherlich nicht auf einmal möglich sein.
Mit anderen Worten, die Idee scheint zu sein: zuerst die Bevölkerung in eine oder mehrere abgeschlossene Enklaven einpferchen; dann Hunger, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit den Rest erledigen lassen. Die Eingeschlossenen werden sehen, dass der Gazastreifen völlig zerstört ist, dass ihre Häuser dem Erdboden gleichgemacht wurden und dass sie weder eine Gegenwart noch eine Zukunft in diesem Land haben. An diesem Punkt, so die israelische Überlegung, werden die PalästinenserInnen selbst auf die Auswanderung drängen und die arabischen Länder zwingen, sie bei sich aufzunehmen.
Hindernisse für die Vertreibung
Es bleibt abzuwarten, ob das Militär – oder sogar die Regierung – bereit ist, einen solchen Plan in die Tat umzusetzen. Er würde mit ziemlicher Sicherheit zum Tod aller Geiseln führen, was erhebliche politische Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Außerdem würde sich die Hamas heftig dagegen wehren, da sie ihre militärischen Fähigkeiten nicht verloren hat und der Armee schwere Verluste zufügen könnte, wie sie es im nördlichen Gazastreifen bis in die letzten Tage vor dem Waffenstillstand getan hat.
Weitere Hindernisse für einen solchen Plan sind die Erschöpfung der israelischen Armee-Reservisten und die wachsende Besorgnis über die „stille“ und öffentliche Verweigerung des Dienstes; die zivilen Unruhen, die durch die aggressiven Bemühungen der Regierung, die Justiz zu schwächen, ausgelöst werden, werden dieses Phänomen noch verstärken. Auch Ägypten und Jordanien lehnen das Vorhaben (zumindest vorläufig) entschieden ab, deren Regierungen sogar so weit gehen könnten, ihre Friedensabkommen mit Israel auszusetzen oder zu kündigen. Und schließlich ist da noch die Unberechenbarkeit von Donald Trump, der an einem Tag droht, „die Tore der Hölle“ für die Hamas zu öffnen, und am nächsten Tag Abgesandte schickt, um direkt mit der Gruppe zu verhandeln und sie als „ziemlich nette Jungs“ bezeichnet.
Gegenwärtig setzt die israelische Armee ihre Luftangriffe auf den Gazastreifen fort und erobert weitere Gebiete im Umkreis von Gaza. Israels erklärtes Ziel bei seinen erneuten Angriffen ist es, die Hamas unter Druck zu setzen, damit sie die erste Phase der Vereinbarung verlängert, d. h. die Geiseln freilässt, ohne dass Israel sich zu einer Beendigung des Krieges verpflichtet. Die Hamas, die sich der strategischen Grenzen Israels bewusst ist, weigert sich, von ihrer Position abzurücken: Jedes Geiselabkommen muss an die Beendigung des Krieges gebunden sein. In der Zwischenzeit hat sich Zamir, der vielleicht wirklich Angst hat, dass er keine Armee mehr hat, um den Gazastreifen zu erobern, auffällig ruhig verhalten und wesentliche Aussagen über die Absichten des Militärs vermieden.
Der kombinierte Druck auf eine Einigung – von Seiten der Bevölkerung des Gazastreifens, die ein Ende des Alptraums fordert und sich gegen die Hamas wendet, und von Seiten der israelischen Gesellschaft, die vom Krieg erschöpft ist und die Geiseln zurückhaben will – wird jedoch möglicherweise nicht zu einem neuen Waffenstillstand führen. Am Montag wies die israelische Armee alle BewohnerInnen von Rafah an, in die so genannte „humanitäre Zone“ in Al-Mawasi zu flüchten. In den israelischen Medien wurde dies als Teil der Druck-Kampagne gegen die Hamas dargestellt, damit sie der Freilassung der verbleibenden Geiseln zustimmt, aber es kann sehr wohl der erste Schritt zur Errichtung eines Konzentrationslagers sein.
Vielleicht glauben die Regierung und das Militär, dass ein „freiwilliger Abzug“ der Bevölkerung des Gazastreifens die Verbrechen Israels auslöschen wird – dass, sobald die PalästinenserInnen anderswo eine bessere Zukunft finden, die Taten der Vergangenheit vergessen sein werden.
Die traurige Wahrheit ist, dass eine Zwangsvertreibung dieses Ausmaßes zwar praktisch nicht durchführbar ist, dass aber die Methoden, die Israel dazu anwenden könnte, zu noch schwereren Verbrechen führen könnten – zu Konzentrationslagern, zur systematischen Zerstörung der gesamten Enklave und möglicherweise sogar zur völligen Ausrottung.
Meron Rapoport ist Redakteur bei Local Call.

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