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Die tödlichen Auswirkungen der israelischen Restriktionen gegenüber ausländischen ÄrztInnen in Gaza

Freiwillige Ärzte, denen nach der israelischen Übernahme von Rafah die Einreise oder die Versorgung mit medizinischen Gütern verweigert wurde, beschreiben eine Politik, die ihre lebensrettende Arbeit verhindern soll.

Von Patricia Martinez Sastre, 972Mag, 30. Jänner 2025

(Originalbeitrag in englischer Sprache)

 

Bei dem Versuch, das Leben palästinensischer Kinder in einem Krankenhaus in Gaza zu retten, tat Dr. Ayaz Pathan etwas, von dem er nie gedacht hätte, dass er es tun würde: Er ließ zu, dass andere Kinder – im Alter von acht bis vierzehn Jahren, genau wie seine eigenen Kinder – starben. „Wir hatten kein einziges Bett für sie“, erzählt er von seiner Zeit im Nasser-Krankenhaus in Khan Younis, dem größten Krankenhaus im südlichen Gazastreifen. „Sie lagen auf dem Boden, und wir zogen sie zur Seite, während sie noch atmeten [und] ihr Herz noch schlug, wohl wissend, dass ihre Verletzungen wahrscheinlich nicht überlebensfähig waren. Hätten sie in Jerusalem überlebt? Auf jeden Fall. In den USA? Auf jeden Fall.“


Pathan, ein Notarzt aus North Carolina, war von Ende Juli bis Mitte August 2024 als freiwilliger Helfer im Gazastreifen. Er gehörte zu den so genannten Emergency Medical Teams (EMTs) – Gruppen ausländischer medizinischer Fachkräfte, darunter ChirurgInnen, NotärztInnen, KrankenpflegerInnen und AnästhesistInnen, die in humanitären Krisen eingesetzt werden, um die Versorgung sicherzustellen, wenn das lokale Gesundheitssystem überfordert ist. Im Gazastreifen, wo das Gesundheitssystem kurz vor dem Zusammenbruch steht, nachdem das israelische Militär systematisch Gesundheitseinrichtungen und -fachkräfte angegriffen hat, sind diese ausländischen medizinischen Missionen besonders wichtig geworden.


Pathans Erfahrung ist bei weitem nicht die einzige dieser Art. In Berichten, die +972 vorliegen, beschreiben sechs FachärztInnen, die im Gazastreifen gearbeitet haben, und acht MitarbeiterInnen der Vereinten Nationen und von NGOs, die mit dem Coordinator of Government Activities in the Territories (COGAT) – jener israelischen Militärbehörde, die die humanitäre Hilfe in den besetzten palästinensischen Gebieten überwacht – verhandeln, ein System, das auf die katastrophalen Bedingungen vor Ort überhaupt nicht vorbereitet ist.


Vor dem Waffenstillstand hatte Israel monatelang die Einreise ausländischer ÄrztInnen sowie humanitärer und kommerzieller Güter in den Gazastreifen massiv eingeschränkt und palästinensische Polizeikräfte angegriffen, die Hilfskonvois bewachten, was bewaffneten Gruppen die Möglichkeit gab, die Lieferungen zu plündern. In den vier Wochen vor dem 11. Januar fuhren weniger als 2 000 Lastwagen in die Enklave, d.h. etwa 70 pro Tag. Eine Analyse von Oxfam ergab, dass allein 221 Lastwagen mit Lebensmitteln pro Tag benötigt werden würden, um die Mindestkalorienzufuhr für alle Menschen im Gazastreifen zu gewährleisten. Von den Lastwagen, die in die Enklave kamen, transportierten nur dreizehn medizinische Hilfsgüter.


Seit dem Inkrafttreten des Waffenstillstands am 19. Januar hat die Zahl der Hilfsgütertransporte in den Gazastreifen zugenommen. Da jedoch nur eine begrenzte Anzahl von ÄrztInnen einreisen darf, die oft nur über wenig oder gar keine medizinischen Hilfsgüter verfügen, ist eine spezialisierte medizinische Versorgung in der Enklave weitgehend nicht möglich. In der Zwischenzeit bleibt der Grenzübergang Rafah zu Ägypten geschlossen, und medizinische Evakuierungen ins Ausland – die nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für mehr als 12.000 Menschen dringend notwendig wären – sind nach wie vor äußerst selten.

 

Sie wissen, dass wir hier sind, um zu helfen, also warum lassen sie uns nicht rein?


Alle MedizinerInnen, die mit +972 sprachen, nannten den 7. Mai 2024 – jenen Tag, an dem Israel die vollständige Kontrolle über den Grenzübergang Rafah übernahm – als jenen Moment, an dem sich die Dinge gravierend änderten. Vor diesem Datum gab es praktisch keine Obergrenze für die Zahl der medizinischen Fachkräfte, die über Rafah in den Gazastreifen einreisen durften, und auch nicht dafür, welche Hilfsgüter sie mitnehmen konnten. Ausländische Ärzte, die im Gazastreifen arbeiteten, berichten, sie konnten „lebenswichtiges Equipment“ wie Säuglingsnahrung und große Mengen Trocken-Lebensmittel zur Verteilung sowie kleine medizinische Geräte wie Schmetterlings-Ultraschallgeräte, chirurgische Tücher, Handschuhe und Verbände mitnehmen.


Dr. Tammy Abughnaim, eine amerikanische Ärztin, die im März 2024 zum ersten Mal in den Gazastreifen einreiste, erinnert sich, wie sie und sieben ihrer KollegInnen insgesamt 42 Taschen voller Ausrüstung und Hilfsgüter mitnehmen konnten. Die ägyptischen Behörden kontrollierten ihre Koffer am Flughafen und an der Grenze und beschlagnahmten nur einige wenige Gegenstände, darunter starke Schmerzmittel wie Morphium oder Ketamin.

Seit dem 7. Mai ist jedoch die große Mehrheit der ausländischen medizinischen Missionen, die versuchen, Zugang zum Gazastreifen zu bekommen, gezwungen, über den israelischen Grenzübergang Kerem Shalom einzureisen, wo sie wesentlich strengeren Kontrollen unterzogen und an der Einfuhr praktisch aller medizinischen Hilfsmittel und Geräte gehindert werden.


„SpezialistInnen aus der ganzen Welt versuchen zu helfen. Aber es gibt nur etwa 20 [einzelne HelferInnen] in gepanzerten Fahrzeugen, die entweder dienstags oder donnerstags einreisen dürfen“, sagte Dr. Nabeel Rana, ein amerikanischer Gefäßchirurg, der im Juli und Oktober 2024 als Freiwilliger in Gaza war. „Und davon sind nur etwa sieben oder acht Plätze für medizinisches Personal [reserviert]“, fügt er hinzu und nannte dies eine „dramatische Veränderung“ im Vergleich zum Verfahren vor dem 7. Mai.


ÄrztInnen, die über Kerem Shalom in den Gazastreifen eingereist sind, wurden von den Vereinten Nationen gemäß der COGAT-Richtlinie angewiesen, nur einen Koffer und ein Handgepäckstück mitzunehmen. Sie dürfen außerdem nichts mitnehmen, das nicht für ihren persönlichen Gebrauch bestimmt ist, einschließlich medizinischer Ausrüstung. Alle beanstandeten Gegenstände – mehr als die erlaubten 2.000 Dollar in bar, zu viele Seifenstücke, sogar doppelte Laptops – würden beschlagnahmt werden und hätten unmittelbar zur Folge, dass sich Konvois verzögern oder ÄrztInnen die Einreise verweigert wird.


„Sie wissen, dass wir hier sind, um zu helfen, also warum lassen sie uns nicht mit Equipment hinein?“ sagt Pathan gegenüber +972. „Wenn ich zehn Ultraschallgeräte mitbringe, röntge ich sie fünfmal und stelle sicher, dass es nur Ultraschallgeräte sind. Schließlich gibt es keine Möglichkeit, aus einem Ultraschallbild eine Bombe zu machen, oder?“


Diese Beschränkungen, so die Quellen, haben dazu geführt, dass MedizinerInnen und ÄrztInnen „eher Schadensbegrenzung als Medizin“ betreiben und oft gezwungen sind, unmögliche Entscheidungen darüber zu treffen, welche PatientInnen zu retten sind und welche dem Tod überlassen werden sollen – die meisten davon sind Frauen und Kinder.


Ausländische ÄrztInnen, die im Gazastreifen arbeiten und mit +972 sprachen, berichteten, dass sie unsterilisierte Beatmungsschläuche an PatientInnen wiederverwenden, Gliedmaßen mit großen Gummibändern abbinden und Kinder, die noch lebensfähig gewesen wären, von den wenigen verfügbaren Beatmungsgeräten abkoppeln mussten, um anderen mit besseren Überlebenschancen den Vorrang zu geben.


„Es gibt keine Seife [in Gaza]. Sie benutzen jodiertes Salzwasser, um sich die Hände zu waschen und die Ausrüstung zu sterilisieren“, so Abughnaim gegenüber +972. Als sie Ende Juli zum zweiten Mal nach Gaza kam, mussten sie und ihre Kollegen kreativ sein. „Man kann nicht wirklich eine große Menge Seife mitbringen, ohne dass das verdächtig ist, also habe ich kleine Blätter mit löslicher Seife mitgebracht, mit denen wir Flaschen angerührt haben, als ich dort ankam.“ Sie verriet auch, dass sie unverpackte Medikamente in ihrer Tasche versteckte, um sie wie ihre eigenen aussehen zu lassen, was es einfacher machte, harmlose Dinge wie Scheren und Blutdruckmanschetten einzuschmuggeln.


Auf die Anfrage von +972 antwortete ein Sprecher von COGAT, dass Israel „die Anzahl der humanitären Teams, die im Namen der internationalen Gemeinschaft in den Gazastreifen einreisen können, nicht einschränkt, vorbehaltlich technischer Vorkehrungen, die aus Sicherheitsgründen erforderlich sind“, und dass der Kerem-Shalom-Übergang speziell für diesen Zweck ausgewiesen wurde. Sie wiesen auch darauf hin, dass ein „formeller Antrag“ gestellt werden muss, damit freiwillige medizinische Teams Ausrüstung in den Gazastreifen bringen können, ein Verfahren, das erforderlich ist, weil „terroristische Organisationen im Gazastreifen häufig zivile Ausrüstung und humanitäre Infrastruktur für terroristische Aktivitäten ausnutzen“.

 

Ein Katz- und Mausspiel


Die Beschränkungen für medizinische Hilfskräfte bei der Einreise in den Gazastreifen wären weniger gefährlich, wenn „der andere Teil der Gleichung“ funktionieren würde, erklärten zwei Quellen gegenüber +972 und bezogen sich dabei auf die Einreise und sichere Verteilung von Hilfsgütern und medizinischer Ausrüstung durch humanitäre Hilfskonvois. Israel, so die Quellen, habe jedoch auch diese Form der Hilfeleistung wiederholt behindert, insbesondere im nördlichen Gazastreifen, wo in den letzten vier Monaten praktisch keine humanitäre Hilfe hineingelassen wurde.


„Seit dem 7. Mai sind alle humanitären Operationen im Gazastreifen von diesem UN-Konvoi abhängig, der zweimal pro Woche kommt und jedes Mal maximal acht medizinische MitarbeiterInnen mitnimmt“, sagte eine UN-Quelle, die aus Angst vor der Beendigung ihrer Tätigkeit anonym bleiben wollte, gegenüber +972. „Wir haben auch nicht genug Leute im Gazastreifen, um internationale MitarbeiterInnen als FahrerInnen einzusetzen [wie es COGAT fordert]“, fügt sie hinzu und schätzt die Gesamtzahl der ausländischen MitarbeiterInnen zum gegebenen Zeitpunkt auf zwischen 69 und 83.


Dieselbe UN-Quelle beschrieb, wie auch andere von +972 befragte Personen, das System als „absichtlich so gestaltet, dass es humanitäre Hilfsaktivitäten“ im Gazastreifen erschwert, und als „viel bürokratischer denn lösungsorientiert“. Als Beispiel dafür wurde genannt, dass die UNO erst Ende Dezember eine „vorläufige“ israelische Genehmigung für die Einfuhr von zwei neuen gepanzerten Fahrzeugen für die Verteilung humanitärer Hilfe erhielt, nachdem diese Fahrzeuge vier Monate lang am Grenzübergang gestanden hatten.


„Es ist wirklich schwierig, alle Ausrüstungsgegenstände und Materialien einzuführen“, so ein UN-Mitarbeiter. „Mit der „Dual-Use“-Politik [bei der Israel Gegenstände mit der Begründung einschränkt, dass sie auch für terroristische Aktivitäten verwendet werden könnten] kann alles gerechtfertigt werden. Beatmungsgeräte werden verzögert, Sauerstoffgeräte werden verzögert. Aus einer humanitären medizinischen Perspektive macht das absolut keinen Sinn. Aber wir sind nicht diejenigen, die die Gewehre in der Hand halten.“


Ein Mitarbeiter von MedGlobal, einer humanitären Non-Profit-Organisation, die Nothilfe- und Gesundheitsprogramme im Gazastreifen durchführt, der aus Angst vor israelischen Vergeltungsmaßnahmen anonym mit +972 sprach, beschrieb das Verfahren, um selbst lebensrettende Hilfsmittel von COGAT genehmigen zu lassen, als „ein Katz- und Mausspiel“. Er erklärte, wie Gegenstände, die zunächst abgelehnt werden, plötzlich Wochen später doch genehmigt werden können, wenn UN-Organisationen oder die US-Regierung Druck auf Israel ausüben.


„Das hat unseren Eindruck verstärkt, dass es sich um ein Spiel um Macht und Einfluss handelt“, berichtet er. „Wie groß sind die Sicherheitsbedenken wirklich, wenn Zeltstangen in den ersten sechs Monaten verboten waren, dann aber später erlaubt wurden? Oder vor kurzem durften Generatoren nur bis zu 32 Kilowatt betrieben werden, jetzt haben sie die Leistung auf 40 Kilowatt erhöht“, sagte er. „Wenn es Druck von oben gibt, [zum Beispiel] von den USA, scheinen diese Sicherheitsbedenken plötzlich weniger real. Das erweckt bei uns den Eindruck, dass sie nur versuchen, uns das absolute Minimum zu geben, anstatt ein ehrlicher Vermittler zu sein, der die Hilfe erleichtern will.“


Aber selbst der Druck der USA geht nur bis zu einem bestimmten Punkt. Am 13. Oktober stellten der Außen- und der Verteidigungsminister der USA gemeinsam ein 30-tägiges Ultimatum an die israelische Regierung, in dem sie forderten, „alle Formen der humanitären Hilfe“ in den Gazastreifen zu bringen und „die Isolierung des nördlichen Gazastreifens zu beenden“, und warnten, dass die Nichteinhaltung dieser Forderung die Militärhilfe gefährden könnte.


Genau einen Monat später, nachdem Israel beiden Forderungen nicht nachgekommen war, antworteten der israelische Verteidigungsminister Israel Katz und der Minister für strategische Angelegenheiten Ron Dermer der USA und teilten mit, dass die Zahl der Hilfsgütertransporte in den Gazastreifen im September und Oktober nicht gestiegen, sondern sogar zurückgegangen waren. Sie führten dies „größtenteils auf operative Gründe und spezifische nachrichtendienstliche Warnungen vor geplanten Angriffen an den Grenzübergängen und auf das System zur Lieferung humanitärer Hilfe“ zurück, ohne diese Behauptungen zu spezifizieren oder mit Beweisen zu untermauern.


In dem Schreiben wies Israel auch darauf hin, dass in Vorbereitung auf den Winter 30 Artikel von der Liste der „Dual-Use“-Güter gestrichen worden seien. Zu diesen Artikeln, die erst ab dem 13. November für die Einreise freigegeben wurden, gehörten lebenswichtige Güter wie große Zelte, Zelterhöhungsplattformen, tragbare Toiletten, Schlafsäcke, Handwärmer und Systeme zur Speicherung von Regenwasser. Zum ersten Mal war auch persönliche Schutzausrüstung erlaubt, aber Quellen sagten +972, dass die HelferInnen die Ausrüstung wieder mitnehmen mussten, wenn sie Gaza verließen.


Nach Aussage des MedGlobal-Mitarbeiters gibt es bei COGAT keine klaren Richtlinien für das Prüfverfahren. Die meisten lebensrettenden Ausrüstungsgegenstände wie Beatmungsgeräte oder Sauerstoffgeräte wurden in den letzten sechs Monaten einfach abgelehnt.


Der schwierigste Aspekt bei der Lieferung von Hilfsgütern in den Gazastreifen ist nach Angaben mehrerer Quellen die Koordinierung der Einreise, nachdem Israel die Genehmigung für den Großteil der Güter erteilt hat. Hilfsorganisationen müssen COGAT ausführliche Angaben über die Fracht machen, einschließlich Informationen über den Fahrer, das Nummernschild des Fahrzeugs, die Herkunft der Güter, die Finanzierungsquelle und den endgültigen Lieferort. Doch selbst wenn all diese Anforderungen genauestens erfüllt werden, verweigern die israelischen Behörden routinemäßig die Annahme von Sendungen, ohne dafür eine klare Erklärung zu liefern.

„COGAT verhält sich wie Profis des Gaslighting. Sie lehnen die Einfuhr von Hilfsgütern ab und sagen Ihnen, dass es Ihre Schuld war, dass es einen Fehler im Formular gab oder dass Sie die Einfuhr nicht mit der Weltgesundheitsorganisation koordiniert haben. Es gibt eine Million Gründe, warum ein Lastwagen nicht reinkommt“, erklärte der MedGlobal-Mitarbeiter. Anfang September gelang es der NGO nach vier bis fünf Versuchen, 25 Sauerstoffgeräte in den Gazastreifen zu bringen, aber seither ist es ihnen nicht gelungen, diesen Erfolg zu wiederholen.

Der COGAT-Sprecher erklärte gegenüber +972, dass Israel „in ständigem Kontakt mit Vertretern der internationalen Gemeinschaft und mit lokalen Behörden steht, die den medizinischen Bedarf vor Ort melden“ und daran arbeitet, diesen Bedarf zu decken, „sei es durch die Einfuhr von Ausrüstung oder die Koordinierung humanitärer Aktivitäten“. Seit Beginn des Krieges seien „zehntausende Tonnen medizinischer Hilfsgüter eingeführt worden, darunter Medikamente für Krebspatienten, Insulinstifte, Narkosemittel, Röntgengeräte, CT-Scanner und Sauerstoffgeräte für Krankenhäuser.“

 

Diskriminierung von palästinensischen MedizinerInnen


Alle MedizinerInnen, die mit +972 sprachen, beschrieben ein überwältigendes Gefühl der Unsicherheit im Vorfeld ihrer Einsätze. Die Erlaubnis, in den Gazastreifen einzureisen – oder ihn nach Abschluss ihrer Missionen wieder zu verlassen – wurde oft erst Stunden vor der geplanten Abfahrt ihrer medizinischen Konvois bestätigt. In vielen Fällen verzögerte COGAT willkürlich und ohne Erklärung sowohl die Ein- als auch die Ausreise um Wochen, was sich auf geplante Operationen in ihren Heimatländern auswirkte.


Die meisten befragten MedizinerInnen bestätigten auch, dass die israelischen Behörden ÄrztInnen palästinensischer Abstammung systematisch die Einreise in den Gazastreifen verweigern, selbst wenn sie die amerikanische, kanadische oder britische Staatsbürgerschaft besitzen. Einige NGO-MitarbeiterInnen wiesen darauf hin, dass sogar ÄrztInnen, die keine direkte Verbindung zu Palästina haben, sondern aus Ländern mit muslimischer Mehrheit wie Ägypten oder Kuwait stammen, die Einreise von COGAT ohne jede Erklärung verweigert wurde.

„Ich bin kein Palästinenser und habe dort keine Familie, aber ich habe das Bedürfnis, zu helfen. Warum sollte ich also nicht gehen, wenn ich die Fähigkeiten habe, ihnen zu helfen?“, sagte eine Quelle, die anonym bleiben wollte, gegenüber +972. Nachdem sie im Januar dieses Jahres zum dritten Mal versucht hatten, nach Gaza zurückzukehren, wurden sie von den israelischen Behörden erneut ohne Angabe von Gründen abgewiesen.


Im vergangenen Juli enthüllte ein CNN-Bericht, dass die WHO Hilfsorganisationen davon abriet, medizinisches Fachpersonal mit doppelter Staatsbürgerschaft oder palästinensischem Hintergrund in den Gazastreifen zu entsenden – und sei es auch nur durch einen Eltern- oder Großelternteil –, da sie „Probleme mit Genehmigungen“ hätten, was die Organisation internen Vermerken zufolge als Israels neue Politik bezeichnete. Als Antwort auf die Anfrage von +972 zu dieser diskriminierenden Politik lehnte der Sprecher von COGAT einen Kommentar ab.

Diese offen zur Schau gestellte rassistische Diskriminierung wurde auch von amerikanischem Gesundheitspersonal sowie britischen und kanadischen ÄrztInnen aus erster Hand berichtet, die alle als Freiwillige in Krankenhäusern im Gazastreifen gearbeitet hatten. „Unglaublich, dass Israel weiterhin medizinisches Personal palästinensischer Abstammung daran hindert, im Gazastreifen zu arbeiten, selbst amerikanische StaatsbürgerInnen. Dies ist eine Verhöhnung des amerikanischen Ideals, dass 'alle Menschen gleich sind' und entwürdigt sowohl unsere nationalen Ideale als auch unseren Beruf“, schrieben die amerikanischen Freiwilligen im Oktober an Präsident Joe Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris. „Unsere Arbeit ist lebensrettend. Unsere palästinensischen KollegInnen im Gesundheitswesen in Gaza brauchen dringend Hilfe und Schutz, und sie verdienen beides.“


Zwei Mitarbeiter der Medical Aid for Palestinians (MAP), einer in Großbritannien ansässigen Wohltätigkeitsorganisation, deren Freiwilligen die Einreise nach Gaza verweigert wurde, erklärten gegenüber +972, dass das Verbot für MitarbeiterInnen palästinensischer Abstammung eher ein offenes Geheimnis als ein dezidiertes Verbot sei. „Das Formular, das wir an COGAT schicken müssen, fragt nach dem Namen des Vaters und des Großvaters, [und] sie fragen ausdrücklich nach einem palästinensischen Hintergrund. Es wird also nicht gesagt, dass es verboten ist, aber ich glaube nicht, dass man in den Gazastreifen einreisen kann, wenn man [angibt, dass man palästinensischer Abstammung ist].“


Dr. Ana Jeelani, orthopädische Kinderchirurgin und MAP-Freiwillige aus dem Vereinigten Königreich, reiste im März 2024 mit einem Team von Freiwilligen, bestehend aus einem britisch-indischen Anästhesisten, vier Jordaniern und einem Kuwaiter, in den Gazastreifen ein. Alle kamen ohne Probleme hinein, sagt sie, zusammen mit 54 Koffern voller medizinischer Ausrüstung und Lebensmittel. Als jedoch im vergangenen Juli ein fünfköpfiges Team versuchte, zum Nasser-Krankenhaus im südlichen Gazastreifen einzureisen, wies Israel zwei von ihnen zurück.


„Sie kamen in Jordanien an und bekamen keine Einreisegenehmigung, obwohl sie zwei Wochen gewartet hatten. COGAT gab keinen Grund an, warum ihnen die Einreise verweigert wurde, und [sie] konnten nur einen Koffer und persönliche Gegenstände mitnehmen“, sagte sie. „Es ist eine Schande. Man weiß bis zum Vorabend nicht, ob man eine Einreisegenehmigung erhalten wird. COGAT hält dich bis zur letzten Minute hin, und sie können deine Freigabe aus irgendeinem Grund ablehnen.“


Eine der abgelehnten Personen war Dr. Jeelanis britisch-indische Kollegin, eine Muslima, die zwei Wochen lang in Amman wartete, nur um festzustellen, dass ihr Name von COGAT ständig als „ausstehend“ geführt wurde. Unter Wahrung ihrer Anonymität sagt sie, dass die israelische Politik so unberechenbar ist, dass selbst wenn humanitäre Organisationen sorgfältig Personen auswählen, von denen sie glauben, dass ihnen die Einreise gewährt wird, „es fast ein Glücksspiel ist“. Einige der von +972 befragten Ärzte vermuteten, dass Personen, denen zuvor die Einreise in den Gazastreifen gestattet worden war, die aber später in der Schwebe gehalten wurden, möglicherweise als Vergeltungsmaßnahme ins Visier genommen wurden, weil sie über das, was sie gesehen hatten, berichtet hatten. Diese Annahme konnte nicht unabhängig überprüft werden.


Die Beschränkungen für ausländische ÄrztInnen, die sonst ein Hoffnungsschimmer für die Menschen im Gazastreifen waren, sind ein weiterer Schlag für ein Gesundheitssystem, in dem mehr als 1 000 Fachkräfte getötet, die meisten Krankenhäuser zerstört und viele medizinische Mitarbeiter willkürlich festgenommen wurden.


„Die Chancen zu überleben sind einfach furchtbar gering“, sagt Jeelani, der sich an einen Angriff mit vielen Toten im März 2024 in Deir Al-Balah im zentralen Gazastreifen erinnert. Unter den Verletzten war auch ein junges Mädchen, das sich in der Wohnung ihrer Familie befand, als diese von einem israelischen Luftangriff getroffen wurde. Sie kam mit einem ausgeweideten Darm, einer verheerenden Kopfverletzung und mit schweren offenen Wunden an beiden Beinen in das Al-Aqsa-Krankenhaus.


„Trotz ihrer schweren Verletzungen versuchten die Ärzte mit allen verfügbaren Mitteln, sie zu retten, aber sie konnten es nicht“, erinnert sich Jeelani. „Wenn ich einen Fall wie diesen im Oktober 2024 gesehen hätte, als ich wieder vor Ort war, so hätte sie es nicht einmal in einen Operationssaal geschafft. Alle warten nur noch auf den Tod.“

 

Patricia Martínez Sastre ist eine in Jerusalem lebende Journalistin. Zuvor arbeitete sie als Korrespondentin in Nairobi und untersuchte staatsanwaltschaftliches Fehlverhalten für Columbia Journalism Investigations und NPR in New York City. Sie begann ihre journalistische Laufbahn als freiberufliche Korrespondentin in Brasilien.




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