Neun von zehn Kindern einer palästinensischen Ärztin von israelischer Armee getötet
- office16022
- 27. Mai
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Aktualisiert: 2. Juni
Die palästinensische Kinderärztin Dr. Alaa al-Najjar ließ ihre zehn Kinder am vergangenen Freitag zu Hause zurück, als sie zur Arbeit in die Notaufnahme des Nasser Krankenhauses ging. Ihr Mann und sie wechselten sich immer ab – an einem Tag brachte sie ihn zur Schicht, am anderen Tag er sie, ein Elternteil blieb bei den zehn Kindern zuhause.
Stunden später trafen die Leichen von sieben Kindern – die meisten von ihnen mit schwersten Verbrennungen – im Nasser-Krankenhaus ein. Es handelte sich dabei um die eigenen Kinder von Dr. Najjar, die bei einem israelischen Luftangriff auf das Haus ihrer Familie getötet worden waren. Die Leichen von zwei weiteren Kindern – ein sieben Monate altes Baby und ein 12-jähriges Kind, von denen die Behörden annehmen, dass sie tot sind – werden noch vermisst.
Nur eines ihrer zehn Kinder, der 11-jährige Adam, überlebt. „Der letzte Patient auf meiner Liste heute war ein 11-jähriger Junge, der viel jünger wirkte, als wir ihn auf den Operationstisch hoben“, berichtet der britische Chirurg Dr. Graeme Groom, der derzeit auf einer medizinischen Hilfsmission im Nasser-Krankenhaus ist, dem Guardian. „Seine Verletzungen waren schon schlimm genug, aber der Hintergrund war, meine ich, noch viel schlimmer. Sein Vater wurde sehr schwer verletzt, aber neun seiner Geschwister wurden getötet. Es ist unvorstellbar“, so Groom weiter. Als Adam aus dem Operationssaal kam, schrie er nach seiner Schwester Eve und sagte immer wieder: „Da ist Blut am Baum.“ Einer von Adams Armen ist schwer verletzt, und er wird in ein paar Tagen erneut operiert werden müssen.
Dr. Najjars Ehemann Hamdi (38), der an diesem Tag bei den Kindern zuhause geblieben war, wurde bei dem Angriff lebensgefährlich verletzt. Er erlitt schwere Verletzungen an Gehirn, Lunge, rechtem Arm und Niere, berichtet Dr. Angelova-Chee, eine bulgarische Ärztin, die derzeit im Nasser-Krankenhaus arbeitet, gegenüber der BBC. Das Krankenhaus „tut alles, was wir für ihn tun können“. Es ist nicht klar, ob und wie er überleben wird.
Dr. Sahar al-Najjar, eine Nichte, berichtete am Sonntag gegenüber CNN, dass Hamdi seine Frau im Krankenhaus abgesetzt hatte und losgegangen war, um Essen für seine Kinder zu suchen. Als er zurückkehrte, wurde er Zeuge eines Raketeneinschlags auf ihr Haus, der jedoch nicht detonierte. Er eilte ins Haus, um seine Kinder zu retten, wurde aber von einem zweiten israelischen Angriff getroffen.
„Mein Vater rannte los, um Onkel Hamdi und die Kinder zu retten, fand den elfjährigen Adam auf der Straße und brachte ihn ins Krankenhaus. Onkel Hamdi wurde vom Zivilschutz geborgen, die anderen Kinder sind alle verbrannt“, sagte sie.
Sahar berichtete weiters, dass Dr. Alaa zusammenbrach, als sie die letzte Flasche Muttermilch zeigte, die sie für ihre sieben Monate alte Tochter Sidra abgepumpt hatte, deren Leiche weiterhin vermisst wird. „Sie sagte mir heute, dass ihre Brust so sehr schmerzt, weil sie gestillt hat“, so Sahar. „Jeden Tag bei der Arbeit hat Dr. Alaa Milch abgepumpt, um Sidra zu versorgen, und heute hat sie mir die letzte Flasche gezeigt, die sie für sie vorbereitet hat. Sie kann kaum noch sprechen. Wenn Sie ihr Gesicht sehen könnten, würden Sie nur ihren Schmerz sehen. Sie betet nur noch für die Genesung ihres Sohnes und ihres Mannes.“
Ihre Kollegin habe „unaussprechliches Leid“ erfahren, so die bulgarische Ärztin Dr. Angelova-Chee in einer Videobotschaft an die BBC. „Im Moment ist Alaas Priorität ihre Familie. Sie hat noch immer Hoffnung, dass die zwei vermissten Kinder noch in den Trümmern gefunden werden, sie hält sich an einem Hoffnungsschimmer fest, dass sie noch am Leben sind. Sie hat gestern sieben ihrer Kinder begraben und zwei weitere Kinder werden vermisst. Das ist eine Tragödie von biblischem Ausmaß, für die man keine Worte finden kann. Aber wissen Sie was: Sie ist nicht die Einzige, die das erlebt – viele Familien sind in der gleichen Lage“.
Die Namen der neun Kinder von Dr. Alaa und Dr. Hamdi Alnajjar lauten Yahya, Rakan, Raslan, Gebran, Eve, Rival, Sayden, Luqman und Sidra. Sie waren zwischen sieben Monate und 12 Jahre alt.
Nach Angaben des UN-Büros für Menschenrechte in den besetzten palästinensischen Gebieten wurden in der vergangenen Woche mindestens 629 Palästinenser*innen von der israelischen Armee getötet; 358 von ihnen (darunter 148 Kinder und Frauen) wurden in ihren Häusern oder Zelten getötet. Unter den Getöteten sind neun Journalisten, womit diese Woche eine der tödlichsten für Journalisten im Gazastreifen seit Oktober 2023 war.
Update am 02.06.2025: Wie gestern bekannt wurde, ist Dr. Hamdi al-Najjar seinen schweren Verletzungen erlegen.
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Informationen entnommen aus:
Nine out of Gaza doctor’s 10 children killed in Israeli airstrike
Von Ibrahim Dahman, Abeer Salman and Tim Lister, 25. Mai 2025, CNN
Father of nine children killed by Israeli strike still in critical condition
Von Mallory Moench & Rachel Hagan, 25.05.2025, BBC News
Israeli airstrike kills nine of Gaza doctor’s 10 children
Dr Alaa al-Najjar was on duty at Nasser hospital in Khan Younis when she received her children’s bodies
Von Lorenzo Tondo und Thaslima Begum, 24.05.2025, The Guardian
Gaza doctor loses 9 children as Israel bears down on war amid growing pressure
Yahya, 12, Eve, 9, Rival, 5, Sadeen, 3, Rakan, 10, Ruslan, 7, Jibran, 8, Luqman, 2, and Sedra, not yet 1 year old, died in the strike on Alaa al-Najjar’s home.
Von Freddie Clayton, NBC-News, 25.05.2025
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