Besondere Beiträge
"In meinem Leben gibt es eine absolute Konstante: meinen festen Glauben an die Menschenrechte." - Irene Benitez Moreno über ihren Einsatz mit dem EAPPI-Begleitprogramm in Hebron
Vor kurzem wurde mir die Frage gestellt, was ein Einsatz mit dem ökumenischen Begleitprogramm EAPPI in Israel und Palästina bedeuten würde. Ich habe länger darüber nachgedacht und dabei fiel mir ein Gespräch mit meiner ehemaligen EAPPI Teamkollegin Sabrina ein. Wir trafen uns knapp 2 Monate nach unserer Heimkehr in London und sie fragte mich nach den Geschehnissen seit meiner Rückkehr. Außer dem umgekehrten Kulturschock hatte sich bei mir kaum etwas ereignet, Alltag eben. Sabrina sah mich an: „Und überlege dir, wie viel in zwei Monaten in Hebron passiert ist.“ Ich wusste genau, was sie meinte, denn nach den insgesamt drei Monaten in Palästina stand meine Welt Kopf. Aber warum?
Letztes Jahr entschied ich mich, an dem ökumenischen Begleitprogramm in Palästina und Israel (EAPPI) teilzunehmen. Ich hatte durch den Internationalen Versöhnungsbund (IFOR) über das Programm erfahren, bei dem freiwillige FriedensbegleiterInnen aus der ganzen Welt drei Monate lang Menschenrechtsverletzungen in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten dokumentieren, eine Chance sich ein eigenes Bild über den Israelisch-Palästinensischen Konflikt zu machen. Zwei Wochen vor meiner Abreise Anfang Dezember wurde mir mein Einsatzort bekannt gegeben: Al Khalil, besser bekannt als Hebron, die mit etwa 250.000 EinwohnerInnen größte Stadt auf der Westbank. Sie ist Epizentrum religiöser wie auch politischer Interessen für den Islam und das Judentum und wurde dadurch Zeugin erbitterter Konflikte.
Es ist schwer all das zusammenzufassen, was ich in diesem Zeitraum gesehen und erlebt habe. Es war ein Gemisch unterschiedlichster Beobachtungen und Erfahrungen, die Tag für Tag das Gesamtbild eines Lebens unter der Besatzung ergaben, ein Leben unerträglicher direkter und struktureller Gewalt.
Bereits am ersten Tag erkundeten wir Hebron und ich empfand die hoch technisierten Checkpoints, Kontrollpunkte des israelischen Militärs, als erdrückend. Die langen Menschenschlangen vor den Drehtüren, wo jeder darauf wartete, dass das Signallicht auf grün schaltete und damit den Durchgang erlaubte, zeigten mir sofort die Einschränkung der Bewegungsfreiheit. Die SoldatInnen, die diese Checkpoints kontrollierten, empfand ich durch ihre Maschinenpistolen und den herrischen Ton als bedrohlich. Die aggressiven Leibesvisitationen erlebte ich als entwürdigend.
Die Freitage und Samstage waren von Nervosität geprägt, denn sie sind die Gebetstage im Judentum und im Islam. Teil unserer Aufgaben war es, an diesen beiden Tagen in sensiblen Gegenden präsent zu sein, um die Gewalt etwas einzudämmen. Als internationale AkteurInnen genossen wir automatisch mehr Schutz, den wir gezielt einsetzen konnten. Also marschierten wir die Straßen auf und ab, an denen SiedlerInnen und PalästinenserInnen einander begegneten. Die Zahl der SoldatInnen war an diesen beiden Tagen dementsprechend höher. Ich erinnere mich noch, wie ich das erste Mal bewaffnete SiedlerInnen sah. Für mich machte es einen immensen Unterschied, Waffen an ausgebildeten SoldatInnen zu sehen oder bei jugendlichen SiedlerInnen, die in ihrer Freizeit bewaffnet an allen vorbei gingen. Obwohl ich in diesen drei Monaten immer wieder Anspannung empfand, war es vor allem, wenn wir größeren, bewaffneten Gruppen von SiedlerInnen begegneten, dass ich es wirklich mit der Angst zu tun bekam. Eine Angst, aber auch Aggressivität, die ich häufig bei den PalästinenserInnen beobachten konnte. Und auch da fragte ich mich oft: wie sieht wohl hier das kollektive Gedächtnis aus?
In meinem Leben gibt es eine absolute Konstante: meinen festen Glauben an die Menschenrechte. Ich setze mich dafür ein, dass alle Menschen in den Genuss der gleichen Rechte kommen. In Frieden zu leben, erachte ich als das wichtigste Recht von allen. Es steht einer Regierung weder zu, ein ganzes Volk zu unterdrücken noch die eigene junge Generation als SoldatInnen in einen Konflikt zu zwingen, den viele von ihnen kritisch hinterfragen. Auch sie sind Opfer der ihnen erteilten Befehle und werden davon ein Leben lang geprägt sein. Es ist das Recht einer Gesellschaft, die an ihren Mitgliedern verübten Menschenrechtsverbrechen anzuklagen und dafür international ein faires Urteil zu erhalten. Es ist mein Recht als Individuum, das Gesehene zu berichten, ohne dafür als Antisemitin diskreditiert zu werden. Es ist das Recht jeder Person, die diesen Text liest, sich eine eigene Meinung zu bilden. Doch bitte ich, dabei nicht darauf zu vergessen, dass unser Urteil eventuell die Rechte anderer untergräbt. Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, objektiv auf die politische Lage in Israel und Palästina zu blicken und dabei niemals auf die Menschenrechte zu vergessen. Sie gelten für beide.
Die Wienerin Irene Benitez Moreno war von Dezember 2015 bis März 2016 für das ökumenische Begleitprogramm EAPPI in Hebron (Westjordanland) als Menschenrechtsbeobachterin aktiv. Das ökumenische Begleitprogramm in Palästina und Israel (EAPPI) ist ein Programm des Ökumenischen Rates der Kirchen. Es wurde 2002 in Jerusalem auf Wunsch lokaler Kirchen nach einer schützenden, internationalen Präsenz gegründet. Seit Oktober 2009 wird diese Arbeit auch aus Österreich unter Zusammenarbeit der Diakonie Austria, dem Internationalen Versöhnungsbund und Pax Christi Österreich unterstützt. Das Programm ist offen für Menschen aller Glaubensrichtungen und Nationalitäten.
Mehr Informationen zu EAPPI hier
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Aktiv gewaltfrei für einen gerechten Frieden - Der Internationale Versöhnungsbund und sein Engagement in Palästina/Israel
Angesichts der globalen und gesellschaftlichen Situation ist der österreichische Versöhnungsbund derzeit in vier Arbeitsfeldern tätig:
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„Ohne Rüstung leben“: Da Gewalt sich nicht nur direkt, sondern auch in Strukturen manifestiert, spielt auch die von unserem Wirtschaftssystem produzierte Gewalt eine wichtige Rolle. Aufgrund unseres speziellen Zugangs setzen wir uns hier v.a. mit dem Aspekt der Rüstungsproduktion und der Rüstungsexporte in Österreich auseinander und arbeiten mit anderen Friedensorganisationen gemeinsam an der Erstellung eines „Rüstungsatlas“, der Daten und Fakten zur Situation der Rüstungsproduktion in Österreich erfassen soll.
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Internationale Solidarität und Kooperation: Als Teil einer internationalen Bewegung ist dem Versöhnungsbund stets auch die Unterstützung befreundeter gewaltfreier Initiativen und Personen in Konfliktgebieten ein Anliegen gewesen. Dabei haben sich über Jahrzehnte hinweg drei Schwerpunktregionen unserer Arbeit herausgebildet, wo wir tätig sind:
I.) Lateinamerika, und hier insbesondere Kolumbien, wo der Versöhnungsbund im Rahmen des Programms Friedenspräsenz in Kolumbien (FOR Peace Presence) ländliche Gemeinden, die von Gewalt und Vertreibung betroffen sind, sowie Personen und Organisationen, die sich
für Menschenrechte einsetzen, begleitet, um ihnen so Schutz und Raum für die Durchführung ihrer Tätigkeiten zu gewähren.
Friedensarbeit im Nahen Osten
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Gewalt in ihren vielfältigen Formen (als direkte, strukturelle und kulturelle Gewalt) wird wahr- und ernstgenommen, was auch die Übernahme von Verantwortung für begangene Gewalt umfasst. Ausgangspunkt gewaltfreien Handelns ist das Leid der von Gewalt Betroffenen.
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Gewaltfreier Widerstand gegen Unrecht, Unterdrückung und Verletzung von Menschenrechten, sowie der Dialog mit dem Gegenüber, Empathie und Einsatz für gemeinsame Lösungen sind die zwei Seiten gewaltfreien Handelns.
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Eine Analyse von Gewalt und Unrecht aus der Kraft der Wahrheit und auf der Basis menschen- und völkerrechtlicher Prinzipien sowie bestehender Friedensverträge bildet die Grundlage für gewaltfreien Widerstand auf allen Seiten.
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Ziel ist nicht der Sieg der einen über die andere Seite, sondern gemeinsame Sicherheit und friedliches Zusammenleben unter Anerkennung der Existenz beider/aller Konfliktbeteiligten in der Region.
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Kein Platz für Feindbilder und Stereotype, für antisemitische, antiislamische, rassistische und andere Formen menschenverachtender Ideologien!
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Aktive Gewaltfreiheit arbeitet daran, sowohl die Unterdrückten wie die Unterdrücker_innen, Opfer wie Täter_innen, zu befreien, weil beide unter Unrecht und Gewalt leiden und ihr Menschsein so nicht verwirklichen können.
Link zur Webseite Versöhnungsbund-Österreich
Aktueller Hinweis: Am Donnerstag, den 19. Mai 2016, um 19 Uhr, berichtet Irene Benitez im Zentrum für Internationale Entwicklung (C3, Sensengasse 3, 1090 Wien) von ihrem „Einsatz für den Frieden“ in Hebron im Rahmen des EAPPI-Programms!
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„Ich träume davon, mit meiner Kunst die Menschen zu erreichen.“
- Im Gespräch mit dem palästinensischen Künstler Bashir Qonqar
Vielen herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit für unser Gespräch genommen haben. Darf ich Sie bitten, etwas über Ihren familiären und beruflichen Hintergrund zu erzählen?
Ich wurde im Jahr 1980 in Beit Jalla in einer christlichen Familie geboren und habe zwei Brüder und eine Schwester. Meine Familie stammt ursprünglich auch aus Beit Jalla, nur hat mein Großvater vor 1948 in Ramleh, im heutigen Israel, gelebt und gearbeitet. 1948 musste er, so wie Hunderttausende andere Palästinenser, flüchten und kam zurück nach Beit Jalla, in seine ursprüngliche Heimat. Das ist auch der Grund, weshalb ich bis heute den Flüchtlingsstatus innehabe. 1988, während der ersten Intifada, wurde mein Vater von der israelischen Armee ermordet. Meine Mutter stand plötzlich mit uns vier Kindern alleine da. Sie hatte keine Arbeit, kein Geld, keinen Mann. Um die Familie durchzubringen mussten mein älterer Bruder und ich nachmittags nach der Schule auch arbeiten gehen. Meine Mutter arbeitete nach dem Tod meines Vaters als Näherin.
Mit 18 habe ich an der deutschen Schule Talitha Kumi in Beit Jalla mein „Tawjihie“, also die Matura, gemacht und begann ein Studium im Fach Hotelmanagement an der Bethlehem Universität. Nach einem Jahr brach ich dieses Studium jedoch ab und bekam die Möglichkeit, in Deutschland zu studieren. Ich habe dann Sozialpädagogik und -management an der Dualen Hochschule in Heidenheim in Baden-Württemberg studiert. Insgesamt habe ich daher sieben Jahre in Deutschland gelebt, bevor ich im Jahr 2007 nach Dubai ging, um dort zu arbeiten. Nach einem Jahr wurde jedoch meine Arbeitsgenehmigung in Dubai nicht verlängert und ich musste zurück nach Palästina. Seit 2010 arbeite ich in Bethlehem im Caritas Baby Hospital und leite dort die Abteilung für Medien- und Öffentlichkeitsarbeit.
Wie sind Sie zur Malerei gekommen?
Eigentlich habe ich fast schon mein ganzes Leben gemalt und wollte schon immer Künstler werden. Die Malerei habe ich von meinem Vater geerbt, auch er war Künstler. Ich bin ein autodidaktischer Maler, das heißt, ich habe mir alles selbst beigebracht, durch Beobachten und Experimentieren. Die Erlebnisse und Erfahrungen in meinem Leben spiegeln sich in meiner Kunst wider und haben mich zu dem Künstler gemacht, der ich heute bin.
Haben Sie künstlerische Vorbilder?
Als kleines Kind hatte ich Künstlerkataloge von Salvador Dali, Vincent van Gogh, Paul Gauguin und Paul Cezanne, die mich sehr fasziniert haben. Heute begeistern und faszinieren mich die Werke von Gerhard Richter, aber auch von Jean-Michel Basquiat, der sehr jung gestorben ist, aber wie ich ein autodidaktischer Künstler und für mich sehr einzigartig in seiner Kunst war.
Was möchten Sie mit Ihrer Kunst ausdrücken? Wo liegt Ihr Schwerpunkt?
In erster Linie versuche ich meine Gefühle und Emotionen auszudrücken. Ich versuche, meine Umgebung zu verstehen, die Entwicklung von unserer Kultur und unserer Gesellschaft, und drücke das alles mit meiner Kunst aus. Ich bin auch sehr kritisch, sowohl mir selbst als auch meiner Gesellschaft gegenüber. Ich versuche aufzuzeigen, dass nicht alles, was in unserer Gesellschaft schiefgeht, immer auf die israelische Besatzung zurückzuführen ist, sondern dass auch wir manchmal mitverantwortlich sind. Ich bearbeite nicht, wie viele palästinensische Künstler, den Israel-Palästina-Konflikt, sondern mein Schwerpunkt liegt auf gesellschaftlichen und kulturellen Problemen und Missständen innerhalb der palästinensischen Gesellschaft. Das löst bei vielen Unverständnis aus und ich stoße mitunter auch auf große Kritik, doch sehe ich gerade darin meine Herausforderung.
Sie haben auch am Dar Al Kalime College Kunst unterrichtet. Haben Sie das Gefühl, dass künstlerische Tätigkeiten, künstlerischer Ausdruck jungen Menschen ermöglicht, ihr Leben unter israelischer Besatzung besser zu meistern?
Vor einem Jahr musste ich musste ich meinen Unterricht am College beenden, da mir neben meiner Arbeit im Caritas Baby Hospital und meinem derzeit laufendem Kunstprojekt keine Zeit dafür blieb. Trotzdem kann ich aufgrund meiner Erfahrungen sagen, dass Kunst ein außerordentlich wichtiges Instrument für die Menschen ist, um bestimmte Situationen zu verarbeiten. Insbesondere bei der Auswahl der Themen und der Ausdrucksmethoden konnte man dies gut bei den Studenten und Studentinnen beobachten. Die vorherrschende Realität und die Lebensweise von Palästinensern beeinflussen ganz stark die Werke der jungen Studenten. Die meisten jungen Künstler behandeln in ihren Werken den Israel-Palästina-Konflikt.
Ist Kunst und Kreativität für Sie auch eine Form des friedlichen Widerstands?
Natürlich, denn kreativ zu sein ist an sich schon Widerstand. Die Tatsache hier zu leben und zu arbeiten ist für mich jedoch auch Teil dieses Widerstandes.
Was sind Ihre alltäglichen Schwierigkeiten im Leben unter israelischer Besatzung?
Ich bin jetzt 35 Jahre alt. Außer den sieben Jahren, die ich in Deutschland gelebt habe, habe ich mein ganzes Leben unter Besatzung verbracht. Aufgrund der sieben Jahre im Ausland habe ich kennengelernt, was es heißt, als Mensch frei zu sein – uneingeschränkte Bewegungsfreiheit zu haben, nicht unter ständiger Kontrolle zu leben, nicht unter diesem enormen psychischen Druck zu stehen und mit der Angst zu leben, nicht zu wissen, was als nächstes passieren wird, vor allem jedoch auch hoffnungsvoll in die Zukunft zu schauen – und ich weiß eben auch, was es heißt, unter israelischer Besatzung zu leben. Ich versuche, nicht immer an den Konflikt und die damit verbundenen Probleme zu denken, aber die Wirklichkeit holt einen ständig ein. Es stellt sich mir die Frage, wo mein Recht, als Mensch gesehen und auch als solcher behandelt zu werden, geblieben ist.
Sind Sie nach wie vor optimistisch bezüglich einer friedlichen Lösung des Konflikts?
Derzeit nicht. Solange sich die politische Lage so weiterentwickelt wie bisher, sehe ich eine dunkle Zukunft fuer unser Land.
Können Sie ein paar Worte zur palästinensischen Künstler-Community sagen?
Die größte Künstler-Community gibt es in Ramallah. Dort gibt es auch Galerien und Kuratoren, die die Künstler unterstützen. Ich lebe jedoch in Beit Jalla, durch die Besatzung und den daraus resultierenden Schwierigkeiten, nach Ramallah zu fahren, ist es nicht einfach für mich, einen regen Austausch mit der Community dort aufrechtzuerhalten. Immerhin habe ich jedoch in Bethlehem zwei sehr gute Freunde, die auch im künstlerischen Bereich tätig sind und mit denen ich mich regelmäßig treffe und austausche - wir diskutieren dann sehr kritisch über Kunst, Gesellschaft, den Konflikt und unsere Erfahrungen.
Welche Ihrer Ausstellungen war für Sie persönlich besonders wichtig?
Meine letzte Ausstellung „a new state of mind“, die sich mit meinen inneren Konflikten beschäftigt und in meiner Heimatstadt Beit Jalla in der ehemaligen Nähwerkstatt meiner Mutter stattgefunden hat.
Was verbinden Sie mit Österreich?
Meine Frau ist Österreicherin, wir sind seit einem Jahr verheiratet und leben gemeinsam in Beit Jalla. Und Mozartkugeln.
Wovon träumen Sie?
Ich träume davon, mit meiner Kunst die Menschen zu erreichen.
Kontaktinformationen:
Emailadresse: bashir.qonqar@crb-mail.org
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„Der Staat, dessen Bürger ich bin, befindet sich im Krieg mit jenem Volk, zu dem ich gehöre.“
– Im Gespräch mit dem Knesset-Abgeordneten Ayman Odeh
Ayman Odeh wurde 1975 in Haifa geboren. Von 1998 bis 2005 war Odeh Mitglied des Stadtrates von Haifa, bei der Parlamentswahl in Israel 2015 gelang ihm der Einzug in die Knesset. Er ist gegenwärtig Vorsitzender der Hadash und Vorsitzender der Anfang 2015 gegründeten „Joint List“, einer politischen Allianz der vier arabisch dominierten Parteien Hadash, Balad, Vereinigte Arabische Liste und Ta'al. Ayman Odeh ist verheiratet und Vater von drei Kindern.
Anlässlich des „Internationalen Tages der Unterstützung der Rechte der PalästinenserInnen in Israel“ am 30. Januar kam Ayman Odeh auf Einladung der Vertretung des Staates Palästina und der Palästinensischen Gemeinde nach Österreich, wo er unter anderem einen Vortrag mit dem Titel „Self-Determination beyond Statehood – Toward Civil Rights“ im Bruno Kreisky Forum für internationalen Dialog hielt.
Danke, dass Sie für unser Gespräch Zeit gefunden haben. Ist dies Ihr erster Aufenthalt in Österreich?
Dies ist mein zweiter Besuch in Österreich, ich war vor ungefähr sechs Monaten bei einem Treffen im Bruno Kreisky Forum. Ich habe die Stadt Wien sehr liebgewonnen, ihre Menschen, die schöne Musik und die tolle Architektur.
Wenn man Sie googelt ist auffallend, dass für Ihre Nationalität sehr unterschiedliche Bezeichnungen genannt werden. Manchmal werden Sie als israelischer Politiker angeführt, dann wiederum als arabischer Politiker, in vielen Fällen als israelisch-palästinensischer oder palästinensisch-israelischer Politiker. Wie würden Sie sich selbst bezeichnen und warum?
Wir haben einen großen Literaten namens Emil Habibi. Er war einmal in Griechenland und fuhr dort mit einem Taxi. Der Taxifahrer fragte ihn: „Woher kommen Sie?“ Habibi antwortete: „Ich bin Palästinenser.“ Daraufhin meinte der Taxifahrer: „Was soll das heißen, Palästinenser? Palästinenser sind in der ganzen Welt verstreut, also woher kommen Sie?“ Habibi antwortete ihm: „Ich bin Palästinenser aus Israel.“ Diese Antwort hat den Taxifahrer so schockiert, dass er fast einen Unfall gebaut hätte. (Lacht) Ich bin arabischer Palästinenser. Ich bin jedoch Bürger im Staat Israel. Ich finde, das ist die klassische Definition, die unseren Zustand sehr gut ausdrückt.
Am 30. Januar haben Sie zu einem Internationalen Tag der Solidarität für die Rechte der palästinensischen Bevölkerung in Israel aufgerufen. Wo sehen Sie Problemstellungen für die palästinensische Bevölkerung in Israel, die in den westlichen Medien eher selten aufgegriffen werden?
Es ist für mich selbstverständlich, dass der Fokus der ausländischen Medien stärker auf der palästinensischen Bevölkerung in Gaza, Westjordanland oder Ostjerusalem liegt. Auch wir betrachten die Problemstellungen für die Bevölkerung dort als Hauptproblem. Als wir unsere eigene politische Partei gegründet haben, die „Demokratische Front für Frieden und Gleichheit“, war es kein Zufall, dass wir Frieden vor Gleichheit gesetzt haben, denn das zentrale Problem ist für uns die Frage des Friedens.
Der berühmte politische Dichter Tawfik Zayyad hat einmal gesagt: „Unsere Katastrophe ist nur ein Teil des großen Leids.“ Wir sind in einer extrem schwierigen Situation, denn der Staat, dessen Bürger ich bin, befindet sich im Krieg mit jenem Volk, zu dem ich gehöre. Die Besatzung schadet in erster Linie dem palästinensischen Volk, sie schadet jedoch auch der israelischen Bevölkerung und führt dazu, dass die israelische Gesellschaft ihre Werte verliert. Anstatt das Geld in Besatzung und Armee zu investieren, sollte man das Geld dafür verwenden, den ärmeren Teil der Bevölkerung in Israel zu unterstützen und ihr Leben zu verbessern.
Wir, die Palästinenser, die in ihrer Heimat blieben trotz Nakba, wir sind nicht eingewandert, Israel kam zu uns und über uns, wir blieben in unserer Heimat, wir haben Widerstand geleistet gegen alle Versuche, uns zu vertreiben, Israel hat uns ein militärisches Regime aufgezwungen, doch trotzdem blieben wir in unserer Heimat und haben unsere nationale Identität bewahrt. Wir sind ein Hauptbestandteil des demokratischen Lagers in Israel. Netanjahu ist die Person, die am meisten weiß, wie wichtig die arabischen Bürger, die 20 Prozent der Bevölkerung ausmachen, für den Staat Israel sind und genau deshalb ist heute eines seiner wichtigsten Ziele, die arabische Bevölkerung des Staates Israels zu delegitimieren. Demzufolge ist uns auch klar, warum Netanjahu am Tag der Wahlen gegen die arabische Bevölkerung gehetzt hat. Und Netanjahu ist diejenige Person, die am meisten Hetzkampagnen betreibt, der vor zwei Monaten im Knesset auf uns gezeigt hat und gesagt hat, wir würden die Fahne des Islamischen Staates hochhalten. Vor einem Monat hat er in Tel Aviv eine weitere hetzerische Rede gehalten. Er weiß ganz genau, was er tut und was er will. Doch es ist nicht nur eine Hetze gegen uns, sondern auch gegen NGOs, gegen den israelischen Höchstgerichtshof, gegen Künstler und Theaterschaffende.
In der Vereinigten Liste verfolgen wir eine andere Politik, wir bestehen aus Juden und Arabern, wir sind der lebende Beweis dafür, dass Araber und Juden sich weigern, Feinde zu sein. Wir lehnen die Formel „Alle Araber gegen alle Juden oder alle Juden gegen alle Araber“ ab. Unsere Losung lautet „Araber und Juden gemeinsam für Demokratie“. Unser Kampf ist ein Kampf um Demokratie, und weil es ein Kampf um Demokratie ist, wollen wir, dass sich die ganze Welt daran beteiligt, deshalb unser Aufruf zu diesem Tag am 30. Januar.
In den letzten Jahrzehnten hat sich eine starke Fragmentierung der palästinensischen Bevölkerung herauskristallisiert, die nicht zuletzt auch eine Auswirkung der israelischen Politik „Teile und Herrsche“ ist. Palästinensische Christen werden in die israelische Armee angeworben, die Kluft zwischen der palästinensischen Bevölkerung in Gaza, Westjordanland, Jerusalem, Kernland Israel und Diaspora wird größer. Spüren auch Sie die Auswirkungen in Ihrer politischen Arbeit?
Keine Frage, die Fragmentierung der palästinensischen Gesellschaft ist Teil der israelischen Politik. Aber wir sind uns dessen sehr bewusst. Zum Beispiel hat die Vereinigte Liste 88 Prozent der arabischen Stimmen in Israel erhalten, wir wissen jedoch nicht, wer unter diesen Stimmen Christ oder Moslem war. Religion ist für uns eine Beziehung zwischen Mensch und Gott, ob jemand in die Kirche oder in die Moschee geht ist für uns einerlei. Wir sind als Christen, Moslems und Juden gegen diese antidemokratische Politik der israelischen Regierung. Bezüglich der palästinensischen Christen in der israelischen Armee: Sie haben nach zehn Jahren geschafft, zwei Prozent der palästinensischen Christen zu rekrutieren, auch wenn es mehr wird, so ist es immer noch wenig. Die Beziehung zwischen Christen und Muslimen in Israel sind beispielhaft, denn wir sehen uns als eine Einheit.
Wie sehen Ihre Beziehungen zu anderen palästinensischen politischen Parteien, beispielsweise mit der PLO, aus?
Wir sind national ein Teil des palästinensischen Volkes, aber natürlich sind die politischen Ausrichtungen unterschiedlich. Wir sind für die Durchsetzung aller UN-Resolutionen in Bezug auf das palästinensische Volk. In unserem Kampf als Palästinenser im Staat Israel geht es jedoch darum, Gleichheit als gleichberechtigte Bürger in einem demokratischen Staat zu erlangen. Als Unterstützer für den legitimen Kampf des palästinensischen Volkes haben wir ein sehr gutes Verhältnis zu den verschiedenen palästinensischen Parteien. Jede Besatzung endet historisch gesehen mit zwei Faktoren: der Kampf, der Widerstand jenes Volkes, das unter Besatzung lebt und die öffentliche Meinung im Besatzungsstaat selbst. Und unsere Rolle kommt bei letzterem zum Tragen, unsere Rolle ist es, gemeinsam mit israelisch-jüdischen Friedenskräften für ein Ende der Besatzung zu kämpfen. Und eine Beendigung der Besatzung ist nicht nur ein palästinensisches Interesse, sondern auch ein Interesse für das israelische Volk. Deswegen sagen wir immer: Wir müssen beide Völker von der Besatzung befreien. Der Gefangene träumt von der Freiheit, der Wächter träumt vom Gefängnis. Und deshalb müssen wir sowohl die Gefangenen, als auch die Wächter befreien.
Das Ende der Besatzung, die Befreiung von der Besatzung führt zur Frage der Zwei-Staaten-Lösung. Ist diese für Sie noch realistisch? Oder votieren Sie für ein alternatives Modell?
Es gibt keine realistische Lösung außer der Zwei-Staaten-Lösung. Die extremistische Regierung in Israel setzt alles daran, diese Lösung zum Scheitern zu bringen, eben weil sie wissen, dass diese Lösung realistisch ist. Netanjahu arbeitet systematisch daran, dass die Palästinenser frustriert werden und diese Lösung nicht mehr in Betracht ziehen, hauptsächlich durch Siedlungsbau und die Verweigerung, echte Verhandlungen zu führen. In dem Moment, wo die Palästinenser nicht mehr an die Zwei-Staaten-Lösung glauben, wird Netanjahu sagen: „Seht ihr – sie wollen Israel zerstören! Sie wollen Haifa und Yafo“, und so weiter. Und deshalb rufe ich unser Volk immer wieder dazu auf, an einem palästinensischen Staat mit den Grenzen von 1967 festzuhalten, denn das ist die einzige realistische Lösung, die wir haben.
Wenn es einen palästinensischen Staat und einen israelischen Staat geben wird – in welchem würden Sie leben wollen?
Ich werde in meiner Heimat leben und bleiben. Es ist meine Heimat, ich habe keine andere.
Das israelische Parlament hat erst kürzlich in erster Lesung für ein umstrittenes Gesetz gestimmt, mit dem Bürgerrechtsgruppen – ausgenommen rechtsgerichtete NGO’s – zur Offenlegung ihrer ausländischen Finanzquellen gezwungen werden sollen. Können Sie mehr über die Auswirkungen von diesem Gesetz erzählen?
Ich akzeptiere diese Aufregung, wenn Sie so wollen, über dieses neue Gesetz nicht – denn es klingt so, als würde jetzt Netanjahu und die Gesetzesabstimmungen kommen und plötzlich ist der Staat Israel nicht mehr demokratisch? Dem kann ich nicht zustimmen, denn schon davor waren demokratische Strukturen angegriffen. Was bedeutet Demokratie in Israel? Betrachten wir die Anfänge – ein Staat, der, um gegründet zu werden, ein anderes Volk vertreibt – kann dieser Staat sich demokratisch nennen? Ist ein Staat, der eine Besatzungsmacht ist und dies länger als das er es nicht war, wirklich demokratisch? Ein Staat, in dem die Kluft zwischen arm und reich am höchsten ist in allen OSZE-Ländern, kann dieser Staat als demokratisch bezeichnet werden? Ein Staat, der 700 Wohnanlagen für die jüdische Bevölkerung in Israel gebaut hat, jedoch keine einzige für die arabische Bevölkerung in Israel – kann sich dieser Staat wirklich demokratisch nennen? Ein Staat mit 46 arabischen Dörfern, die bis heute ohne Strom und Wasser sind; ein Staat, der sich definiert als ein Staat des jüdischen Volkes, obwohl 20 Prozent der Bevölkerung nicht jüdische Bürger sind – ist dies wirklich ein demokratischer Staat?
Dennoch - es gibt in Israel selbstverständlich noch Nischen der Demokratie, und diese will Netanjahu zunichtemachen und in diesem neuen Gesetz sehe ich nur eine weitere Zerstörung einer bis dato übrig gebliebenen Nische der Demokratie.
Wir danken Ihnen sehr für das Gespräch.
Die einzelnen Schicksalsschläge der Familien, die wir tagtäglich besuchten, lasse ich in diesem Text aus. Dann müsste ich von minderjährigen Inhaftierten erzählen, die Folter erfahren haben und heute schwer traumatisiert sind. Oder ich müsste von Kindern berichten, die ungewollt in Feuergefechte zwischen PalästinenserInnen und SoldatInnen gerieten und heute noch an den gesundheitlichen Folgen leiden. Ich würde einen wesentlich längeren Artikel benötigen, um all das Gesehene und Erlebte einbetten zu können.
Warum mich dieser Einsatz so geprägt und meine Welt auf den Kopf gestellt hat, war, weil ich zum ersten Mal in meinem Leben den brutalen Unterschied zwischen einem Leben in Frieden und einem Leben in Gewalt erfahren habe. Zu wissen, dass es diesen Kontrast auf unserer Welt gibt, war und ist für mich unerträglich.
Inmitten einer Situation, in der die Welt auf ein Chaos von Krieg und Gewalt zusteuerte, versammelten sich im August 1914 gut hundert Menschen aus verschiedenen christlichen Kirchen, um einen verzweifelten Appell an die europäischen Nationen zu richten, vom Weg des Nationalismus und der Gewalt abzulassen und zu den gewaltfreien Wurzeln der Botschaft Jesu Christi zurückzufinden. Wie wir wissen, fruchtete dieser Aufschrei nicht – dennoch war dieses Treffen der Beginn einer Bewegung, die nach dem 1. Weltkrieg unter dem Namen „International Fellowship of Reconciliation“ (IFOR) gegründet wurde. In den folgenden Jahren und Jahrzehnten stellte sich in der praktischen Friedensarbeit heraus, dass nicht nur in der christlichen Tradition, sondern auch im Hinduismus, im Buddhismus, im Judentum, im Islam sowie in humanistischen Traditionen die Würde jedes Menschen und der aktive
Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung durch gewaltfreie Methoden verankert sind. Deshalb zählt der Versöhnungsbund nunmehr in rund 60 Zweigen und Gruppen in der ganzen Welt Menschen aus vielen humanistischen und religiösen Hintergründen zu seinen Mitgliedern, darunter sechs Friedensnobelpreisträger_innen (z.B. M.L. King, Mairead Maguire und Adolfo Pérez Esquivel). Ihnen gemeinsam ist die Überzeugung, dass durch die Kraft der aktiven Gewaltfreiheit Unrecht und Gewalt überwunden und ein friedliches und gerechtes Zusammenleben geschaffen werden können.
In Österreich wurde der Versöhnungsbund in den 1920er Jahren erstmals und nach seinem Verbot während der NS-Zeit 1953 wieder gegründet. Die Arbeit gegen Krieg, Militarismus und Aufrüstung, das Eintreten für gewaltfreie Alternativen (z.B. Zivildienst für Wehrdienstverweigerer bzw. Friedensdienste) und eine aktive Friedenspolitik des neutralen Österreich in Europa und der Welt sowie die Unterstützung internationaler gewaltfreier Bewegungen (in Lateinamerika, Osteuropa, Afrika und dem Nahen Osten) bildeten
kontinuierlich den Fokus unserer Arbeit, auch wenn sich einzelne Inhalte und Schwerpunkte natürlich aufgrund aktueller Herausforderungen verschoben.
II.) Der Westbalkan (ehem. Jugoslawien), wo der österreichische Versöhnungsbund während der Kriege in den 1990er Jahren Friedensdienste für Zivildiener und Freiwillige mitorganisierte, und seit rund 10 Jahren in einer Partnerschaft mit dem „Zentrum für gewaltfreie Aktion“ (CNA) in der Bildungs- und Trainingsarbeit für aktive Gewaltfreiheit sowie im Umgang mit der Vergangenheit zusammen arbeitet.
III.) Der Nahe und Mittlere Osten, mit einem Schwerpunkt auf den israelisch-palästinensischen Konflikt.
sowie für die Schaffung gewaltfreier Instrumente zur Konfliktbearbeitung und Friedensförderung in Form von staatlich finanzierten „Zivilen Friedensdiensten“ ein.
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die Förderung einer Kultur des Friedens und der Gewaltfreiheit: durch das Programm „Frieden denken, Frieden leben!“ wollen wir dazu beitragen, den vorherrschenden Diskurs über Gewalt als einzig funktionierendes und daher legitimes Mittel der Konfliktaustragung in Frage zu stellen und auf die Wirksamkeit gewaltfreier Methoden in mittlerweile Hunderten von politischen und gesellschaftlichen Konflikten hinzuweisen. Durch Workshops zur Delegitimierung von Gewalt, Aktionen und Publikationen (z.B. der aktuellen Ausgabe unserer Zeitschrift „Spinnrad“ zum Schwerpunkt „Gewaltfreiheit im Islam“) weist der Versöhnungsbund auf die Wichtigkeit der Förderung gewaltfreier Lösungswege hin.
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Friedensförderung und Demilitarisierung: Im Rahmen des Programms „Vorrang für zivil“ tritt der Versöhnungsbund für Abrüstung (nuklearer und konventioneller Waffen), für eine aktive Friedenspolitik Österreichs in der EU und international
Seit den 1970er Jahren entstanden Kontakte zu palästinensischen und israelischen gewaltfreien Personen und Initiativen, die damals den IFOR-Zweig „Palestinians and Israelis for Nonviolence“ bildeten. 2002 war die Ehrenvorsitzende des Versöhnungsbundes, Hildegard Goss-Mayr, maßgeblich an der Initiierung einer solidarischen Pilgerreise christlicher Friedensorganisationen beteiligt, die aufgrund der 2. Intifada allerdings nur in kleiner Zahl stattfinden konnte. Aus dieser Initiative entstand eine intensivere Beschäftigung mit dem Nahostkonflikt, wobei der österreichische Versöhnungsbund stets großen Wert auf seine gewaltfreie Grundposition und die Reflexion des Spannungsverhältnisses zwischen der eigenen österreichischen Geschichte (Mitschuld am Nationalsozialismus und am Holocaust) und seinem Engagement in Palästina und Israel legte. Auf diesen Grundlagen wurden anlässlich einer Vernetzungsveranstaltung 2009 u.a. folgende Grundsätze der Arbeit im palästinensisch-israelischen Konflikt formuliert:
Die konkreten Aktivitäten des österreichischen Versöhnungsbundes zur Förderung eines gerechten Friedens und ein Ende der Besatzung der palästinensischen Gebiete in den letzten Jahren umfassten u.a.:
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die Organisation von zweiwöchigen Einsätzen bei der Olivenernte (2004 – 2013) in einer Region, wo palästinensischen Bauern und Bäuerinnen durch Schutzbegleitung und solidarische Teilnahme an der Ernte ermöglicht werden sollte, die Früchte ihres Landes ohne Beeinträchtigung einzubringen, sowie die Vorbereitung der Teilnehmer_innen darauf im Sinne eines gewaltfreien Einsatzes
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die österreichische Beteiligung am Ökumenischen Begleitprogramm in Palästina und Israel (EAPPI) des Weltkirchenrates seit 2009 (gemeinsam mit der Diakonie Austria und Pax Christi Österreich), in dem internationale Freiwillige für jeweils drei Monate im Westjordanland und in Jerusalem die Situation vor Ort
beobachten, über Menschenrechtsverletzungen berichten und versuchen, ein besseres Verständnis der Situation in unseren Gesellschaften zu erreichen und für ein Ende der Besatzung eintreten
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die Organisation mehrerer Vortragsreisen von israelischen und palästinensischen gewaltfreien Aktivist_innen in Österreich, bei denen sie gemeinsam für Möglichkeiten zur Beilegung des Konflikts und einem friedlichen Zusammenleben eintraten
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die Mitorganisation von Vernetzungstreffen in Österreich, bei denen sich im Konflikt aktive, gewaltfreie Organisationen über ihre Arbeit austauschen und gemeinsame Aktionen planen konnten
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gelegentliche Stellungnahmen und Eilaktionen zur politischen Unterstützung von Gewalt oder Vertreibung bedrohter Gemeinschaften (z.B. Beduin_innen im Negev, das Dorf Susiya) bzw. gewaltfreier Aktivist_innen (z.B. israelischen Wehrdienstverweigerer_innen)
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für den Herbst dieses Jahres planen der Versöhnungsbund und Pax Christi gemeinsam eine zehntägige Solidaritätsreise nach Palästina und Israel, bei der noch einige Plätze verfügbar sind.
Im Jänner 1997 unterzeichnete Israel gemeinsam mit der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) ein Abkommen, das die Verwaltung Hebrons in die Zonen H1 und H2 aufsplitterte. Seither verwaltet die palästinensische Polizei (PPF) H1 und das israelische Militär kontrolliert die Zone H2, die die gesamte Altstadt umfasst. Die Entscheidung war aufgrund der wachsenden Konflikte zwischen beiden Volksgruppen getroffen worden. Die religiöse Bedeutung Hebrons für das Judentum führte in den 70er- und 80er-Jahren zum jüdischen Siedlungsbau innerhalb der arabischen Altstadt, aktuell sind es an die 800 SiedlerInnen. Ganze israelische Brigaden werden zum Schutz dieser Siedlungen eingesetzt. Dadurch ist Hebron die einzige Stadt im Westjordanland, in der sich israelische SiedlerInnen, SoldatInnen und PalästinenserInnen die Altstadt teilen. Rund 120 Barrieren, von denen 18 fixe Checkpoints darstellen, machen den Zugang zu Einkaufsstraßen, Häusern, Schulen, oder das Durchqueren der Altstadt schier unmöglich.