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B'tselem: Stimmen aus Gaza: Hala Sha'sha'ah

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  • vor 6 Tagen
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Hala, eine 40-jährige Mutter von fünf Kindern aus Gaza-Stadt, schildert die Verschlimmerung der Hungersnot, seit Israel am 2. März 2025 alle humanitäre Hilfe für den Gazastreifen eingestellt hat.

 

Aufgezeichnet von B’tselem, 22. April 2025

 

(Originalbeitrag in englischer Sprache)

 

 

Zu Beginn des Krieges, am 13. Oktober 2023, floh ich mit meinen vier Kindern – Layan, 20, Banan, 18, Mahmoud, 17, und 'Iz a-Din, 9 – in die Stadt a-Zuwaidah im südlichen Gazastreifen. Mein Mann Khaled, 45, blieb in unserem Haus in der al-Wehda-Straße in Gaza-Stadt zurück, zusammen mit seinem Vater Mahmoud Sha'sha'ah, 75, der herzkrank war und später während des Krieges starb. Damals dachte ich, dass wir nur zwei oder drei Tage weg sein würden, also nahm ich außer ein paar Kleidungsstücken nichts mit.

In a-Zuwaidah wohnten wir in einer Wohnung, die einem Verwandten gehörte. Etwa 47 Personen – alles Verwandte – waren in der Wohnung eingepfercht. Ich konnte nirgendwo anders hin. Es war eine extrem schwierige Zeit. Ich hätte mir nie vorstellen können, so zu leben: Wir hatten nicht genug Kleidung oder Decken, nicht genug zu essen oder Wasser. Ich war weit weg von meinem Mann, allein mit den Kindern und nicht in der Lage, für ihre Bedürfnisse zu sorgen. Ich weinte jeden Tag.

Wenn die Kommunikation funktionierte, war ich mit meinem Mann in Kontakt, und wenn er konnte, schickte er uns ein wenig Geld. Wenn es keine Kommunikation gab, hatte ich Angst, dass ihm etwas zugestoßen war, und machte mir ständig Sorgen. Er musste ein paar Mal aus dem Haus fliehen und kam erst zurück, als sich die Lage beruhigt hatte.

Die Kinder und ich blieben in a-Zuwaidah, bis im Januar dieses Jahres der Waffenstillstand ausgerufen wurde. Wir haben die ganze Zeit über schrecklich gelitten. Ich habe viel Gewicht verloren, und mein mentaler Zustand war sehr schlecht. Ich hatte nicht genug Geld, um Lebensmittel oder andere notwendige Dinge zu kaufen. Ich lieh mir von Freunden und Verwandten etwas Geld, um zu überleben. Manchmal bekamen wir etwas zu essen, manchmal aber auch nicht. Es war besonders schwer, Gemüse und Fleisch zu finden. Auch an Mehl mangelte es, und manchmal gab es überhaupt keines.

Mein Jüngster, 'Iz a-Din, weinte viel und sagte immer wieder: „Ich habe Hunger.“ Es brach mir das Herz, das zu hören, und ich weinte über seine Situation - aber das war die Situation für alle. Ich erklärte ihm, dass alle hungrig seien und dass ich nichts tun könne.

In der Wohnung, in der wir wohnten, gab es keine Privatsphäre. Wir waren gezwungen, übereinander zu leben. Da wir nicht in einem Zelt wohnten, bekamen wir keine Gutscheine für Lebensmittelpakete, so dass wir wahnwitzige Preise für Lebensmittel zahlen mussten.

Zwei meiner Kinder, Layan und Mahmoud, erkrankten an viraler Hepatitis, und es gab keine Behandlung für sie. Ich konnte sie nicht mit der gesunden Ernährung versorgen, die sie zur Bekämpfung der Krankheit brauchten. Man riet uns, ihnen zuckerhaltige Lebensmittel zu geben, also gaben wir ihnen, was wir bekommen konnten – Halva [ein Mus aus Ölsamen und Honig oder Zucker, Anm.] und Marmelade. Sie hatten hohes Fieber, mussten erbrechen und hatten Durchfall. Mahmoud weinte vor Schmerzen und dachte, er würde sterben. Wir brachten ihn ins Krankenhaus. Auch Layan litt schwer und konnte zwei Wochen lang nicht einmal aufstehen.

Nach einem Jahr schweren Leidens, weit weg von zu Hause und von meinem Mann, kehrten wir zurück, als der Waffenstillstand ausgerufen wurde. Ich konnte nicht glauben, dass ich mit meinem Mann zu Hause war. Es war unwirklich. Ich hatte das Gefühl, zu träumen, denn zu diesem Zeitpunkt glaubte ich nicht mehr daran, dass es wirklich geschehen würde. Unser Haus war bombardiert worden und ist daher unbewohnbar, aber wir leben trotzdem darin. Es ist besser als ein Zelt, aber wir haben ständig Angst, dass es auf uns einstürzt.

Während des Waffenstillstands wurden die Grenzübergänge geöffnet und es wurden einige Lebensmittel eingeführt, allerdings nur in kleinen Mengen. Da wir kein regelmäßiges Einkommen haben, konnte ich nur ein paar Dinge kaufen - etwas Gemüse und gefrorenes Fleisch.

Aber als der Krieg wieder aufflammte und die Grenzübergänge Anfang März wieder geschlossen wurden, verschlechterte sich die Situation in jeder Hinsicht. Wir leben wieder in Angst und Panik und haben keine Sicherheit mehr. Die Märkte sind wieder leer, und wir leiden an Hunger. Wir essen ein oder zwei Mahlzeiten am Tag - meist Favabohnen, Hummus, Konserven, Fleischkonserven, Nudeln oder Reis. Das ist es, was wir jeden Tag essen. Meistens können wir kein gefrorenes oder konserviertes Fleisch, Hühner oder Eier bekommen - und wenn es sie gibt, sind sie viel zu teuer für uns. Auch Mehl ist nicht mehr erhältlich. Ich habe ein bisschen übrig, das reicht vielleicht für zwei Tage. Ein einziger Sack kostet jetzt mehr als 250 Schekel [umgerechnet 60 Euro, Anm.].

Meine Kinder sehnen sich danach, Fleisch zu essen, vor allem Huhn. Ich erkläre ihnen immer wieder, dass alle in Gaza in der gleichen Situation sind.

Wenn ich kochen oder Fladenbrot backen will, zünde ich draußen ein Feuer an, weil wir kein Kochgas haben. Eine Flasche Gas kostet jetzt fast 1 000 Dollar [880 Euro, Anm.] - eine Summe, die ich nicht bezahlen kann.

Es herrscht auch ein großer Mangel an Wasser. Natürlich gibt es kein fließendes Wasser. Wir bekommen Trinkwasser und Wasser für den Hausgebrauch getrennt - einmal pro Woche per Lastwagen geliefert. Wir füllen alle möglichen Behälter mit Trinkwasser, und wir haben ein Fass für Wasser, das wir zum Waschen und Wäschewaschen verwenden.

Ich gehe auf den Markt, aber es gibt kein Gemüse außer ein paar Gurken und Tomaten, die 30 Schekel [sieben Euro, Anm.] pro Kilo kosten, und Auberginen für 47 Schekel [11 Euro, Anm.]. Ich kaufe jeweils eine davon, weil ich mir nicht mehr leisten kann. Andere Gemüsesorten gibt es in Gaza nicht mehr, auch kein Obst. Wir haben fast vergessen, wie Kartoffeln oder anderes Gemüse und Obst aussehen. Es ist auch schwer, Getreide oder Hülsenfrüchte in Dosen zu finden, und wenn es sie gibt, sind sie extrem teuer. Eine Dose Hummus kostet 20 Schekel [4.8 Euro, Anm.] - ein Preis, den ich mir nicht leisten kann.

Wir haben alle durch den Hunger viel Gewicht verloren. Wir sind blass, und unsere Körper sind durch den Mangel an gesunder Ernährung ausgelaugt.

In unserer Gegend gibt es keine Suppenküchen mehr, obwohl sie bei dieser Hungersnot dringend gebraucht werden. Die meisten haben wegen der geschlossenen Grenzübergänge und des Mangels an Lebensmitteln geschlossen.

Wir haben keinen Zugang mehr zu Banken. Selbst das wenige Geld, das wir haben, können wir nur über Mittelsmänner abheben, die eine Gebühr von 30 Prozent verlangen.

Unser Leid ist unermesslich. Unser Leben hat sich nur noch auf das Überleben reduziert - jeder Tag ist ein Kampf darum, wie wir an Nahrung und Wasser kommen, was wir zum Kochen verbrennen, wie wir an Bargeld kommen. Alles ist so schwierig. Jetzt sind 100 Schekel [24 Euro, Anm.] das wert, was 10 Schekel [2.4 Euro, Anm.] vor dem Krieg waren. Mit 100 Schekel kann man hier fast nichts mehr kaufen.

Wenn die Grenzübergänge geschlossen bleiben und der Krieg weitergeht, werden wir sterben - entweder durch die Bombardierungen oder durch Hunger. Hier herrscht jetzt großer Hunger. 'Iz a-Din schlug vor, Pferdefleisch zu kaufen, und ich sagte ihm: „Das könnt ihr nicht essen.“ Aber wir sind an einem Punkt angelangt, an dem die Menschen jede Art von Fleisch essen, die sie finden können, ganz gleich, woher es kommt.

Meine Kinder gehen hungrig und mit leeren Mägen ins Bett. Layan und Banan reden oft darüber, wie sehr sie Snacks und Schokolade vermissen - Dinge, die es hier nicht mehr gibt, zumindest nicht für uns.

 

Aufgezeichnet vom B'Tselem-Mitarbeiter Olfat al-Kurd am 22. April 2025.



 

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