top of page

Bewaffnete Gaza-Miliz, die mit der Hamas rivalisiert, verteilt Hilfsgüter in israelisch kontrolliertem Gebiet

  • office16022
  • vor 3 Tagen
  • 3 Min. Lesezeit

Die Analyse von Satellitenbildern und Videos zeigt, dass die Abu Shabab-Miliz in der Nähe von Rafah entlang der wichtigsten Nord-Süd-Route des Gazastreifens operiert. Ihre bewaffneten Mitglieder besetzen Kontrollpunkte und verteilen Hilfsgüter, während die Regierung Netanjahu die ISIS-nahe Milizen bewaffnet haben soll.

Von Nir Hasson, Rawan Suleiman, Avi Scharf und Jonathan Lis, Haaretz, 5. Juni 2025

(Originalbeitrag in englischer Sprache und mit Paywall) 


(Siehe dazu als Vorinformation auch:

Banden, die Hilfsgüter aus dem Gazastreifen plündern, operieren laut Hilfsorganisationen in Gebieten unter israelischer Kontrolle

Washington Post, 18. November 2024)

 

 

Satellitenbilder und Videos, die in den letzten Wochen ins Internet gestellt wurden, zeigen, dass eine neue bewaffnete palästinensische Miliz ihre Präsenz im südlichen Gazastreifen ausgeweitet hat und in einem Gebiet operiert, das unter der direkten Kontrolle der israelischen Verteidigungskräfte steht.

Letzten Monat deckte Haaretz die Aktivitäten einer Gruppe auf, die sich "Anti-Terror-Dienst" nennt und im Osten Rafahs operiert. Die Gruppe wird Berichten zufolge von Yasser Abu Shabab angeführt, einem Einwohner von Rafah aus einer Beduinenfamilie, der vor Ort für seine Beteiligung an kriminellen Aktivitäten und die Plünderung humanitärer Hilfsgüter Ende letzten Jahres bekannt ist.

Quellen in Gaza sagen, die Gruppe bestehe aus etwa 100 bewaffneten Männern, die mit stillschweigender Billigung der israelischen Armee operieren. Als ein israelischer Armee-Sprecher letzte Woche um einen Kommentar gebeten wurde, lehnte er es ab, auf diese Vorwürfe einzugehen.

In den letzten Wochen hat Abu Shabab zwei Facebook-Seiten eingerichtet, auf denen er Nachrichten gegen die Hamas und die Palästinensische Autonomiebehörde veröffentlicht und gleichzeitig für die Bemühungen seiner Miliz wirbt, für Sicherheit zu sorgen und Hilfsgüter an Zivilist*innen zu verteilen.

Auf Videos, die auf diesen Seiten veröffentlicht wurden, sind seine Kämpfer in neuen Uniformen, Helmen und Westen zu sehen, auf denen die palästinensische Flagge prangt. Abu Shabab teilte auch den ursprünglichen Haaretz-Bericht über seine Gruppe.

Einige Videos zeigen, wie die Miliz Konvois des Roten Kreuzes und der Vereinten Nationen anhält und kontrolliert, die Salah al-Din-Straße, die wichtigste Nord-Süd-Route des Gazastreifens, bewacht und bewaffnete Formationsübungen durchführt.

Mitte April wurden vier Mitglieder der Miliz durch einen von der Hamas platzierten Sprengsatz getötet. Obwohl die Hamas zunächst behauptete, der Anschlag habe einer verdeckten israelischen Einheit gegolten, stellte sich später heraus, dass es sich bei den Opfern um Mitglieder der Abu Shabab-Gruppe handelte.

In einem diese Woche veröffentlichten Video behauptete Abu Shabab, die vier seien bei der Räumung von Häusern in Rafah in Vorbereitung auf die Rückkehr der vertriebenen Bewohner*innen getötet worden. In dem Video wurden die Verstorbenen als ehemalige Sicherheitsbeamte oder Mitarbeiter der Palästinensischen Autonomiebehörde beschrieben. Am Dienstag veröffentlichte Abu Shabab ein weiteres Video, das seine Truppen beim Aufbau eines Zeltlagers und beim Entladen von Lebensmitteln aus einem Lastwagen zeigt. In der dazugehörenden Botschaft hieß es: "Die Volkskräfte sind unter dem Dach der palästinensischen Legitimität und unter der Führung des Kommandanten Yasser Abu Shabab in den Osten Rafahs zurückgekehrt.“

Die vertriebenen Palästinenser*innen wurden aufgefordert, sich dem Lager anzuschließen, um Nahrung, Unterkunft und Schutz zu erhalten. Es wurden Telefonnummern für die Koordination angegeben. Das Video zeigt auch die Verteilung von Hunderten von Mehlsäcken und Lebensmittelpaketen.

Haaretz identifizierte den Standort des Zeltlagers auf Satellitenbildern von Planet Labs, die 16 im Bau befindliche Zelte in einem Gebiet zeigen, das seit langem direkt von der israelischen Armee kontrolliert wird - zwischen der Ost-West-Morag- und der Philadelphi-Route, etwa fünf Kilometer nordöstlich des Kerem-Shalom-Übergangs. Frühere Versuche palästinensischer Journalist*innen und Online-Aktivist*innen, die Videos der Abu Shabab-Miliz geografisch zu lokalisieren, bestätigten, dass sie ebenfalls in diesem Gebiet gedreht wurden.

Auf UN-Karten von Ende 2023 wird das Gebiet als „gefährlich“ bezeichnet, da dort häufig Hilfskonvois geplündert werden. In einem früheren Interview mit der Washington Post gab Abu Shabab zu, einen Teil der Hilfsgüter geplündert zu haben, um die Familien vor Ort zu ernähren.

Die israelische Armee lehnte es ab, sich zu den Aktivitäten der Miliz im Gazastreifen zu äußern und verwiesen Haaretz an den Shin Bet, der sich ebenfalls weigerte, zu antworten. Am Donnerstag sagte der israelische Parlamentsabgeordnete Avigdor Lieberman, ehemaliger israelischer Verteidigungsminister, dass Israel Waffen an ISIS-nahe kriminelle Banden im Gazastreifen geliefert habe.

In einem Interview mit dem Radiosender Kan Bet sagte Lieberman: „Israel hat auf Befehl von Netanjahu Sturmgewehre und Kleinwaffen an kriminelle Familien in Gaza geliefert. Ich bezweifle, dass dies durch das Sicherheitskabinett ging. Keiner kann garantieren, dass diese Waffen nicht irgendwann gegen Israel eingesetzt werden."

Seit Beginn des Krieges gab es mehrere Berichte, wonach Netanjahu und hochrangige Armeeangehörige in Erwägung gezogen haben, die lokale Verwaltung im Gazastreifen als Gegengewicht zur Hamas an große Clans oder Familien zu übertragen.

Als Antwort auf Liebermans Anschuldigungen erklärte Netanjahus Büro: „Israel arbeitet daran, die Hamas mit verschiedenen Mitteln zu besiegen, wie es von allen Leitern des Sicherheitsapparats empfohlen wird.“

 


Comments


bottom of page