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Die gesamte Geschichte der Ungerechtigkeiten des Zionismus in nur einem Beduinendorf

Die Zerstörung von Umm Al-Hiran veranschaulicht die zionistische Sichtweise auf die Palästinenserinnen und Palästinenser als vergängliche, bewegliche Schachfiguren in einem Spiel der demografischen Planung.


Von Orly Noy, 972Mag in Kooperation mit Local Call, 20. November 2024

(Originalbeitrag in englischer Sprache)

 

In der vergangenen Woche hat sich der Staat Israel den Skalp einer weiteren palästinensischen Gemeinde an seinen Gürtel gehängt, nachdem er die Zerstörung von Umm Al-Hiran abgeschlossen hatte. Am Morgen des 14. November stürmten Hunderte von PolizistInnen das Beduinendorf in der Negev/Naqab-Wüste im Süden Israels, begleitet von Spezialeinheiten und Hubschraubern. Die BewohnerInnen, israelische Staatsbürger, die diesen Tag schon lange gefürchtet hatten, hatten die meisten Gebäude des Dorfes bereits selbst abgerissen, um keine hohen Geldstrafen zahlen zu müssen. Die Polizei musste nur noch die Moschee zerstören.

So endete der zweieinhalb Jahrzehnte währende juristische Kampf um die Rettung des Dorfes, und die BewohnerInnen wurden obdachlos. Wenn man die gesamte Geschichte der Ungerechtigkeiten des Zionismus gegenüber den PalästinenserInnen verstehen will – mit all der Diskriminierung, dem Rassismus, der Enteignung und der Gewalt, die in der Vision der jüdischen Vorherrschaft und der damit einhergehenden Besessenheit von demographischer Planung begründet sind –, braucht man nicht weiter als bis zum Dorf Umm Al-Hiran zu schauen.

Im israelisch-jüdischen Diskurs erregt die Zerstörung einer Beduinengemeinde kaum Aufsehen, geschweige denn macht sie Schlagzeilen. Immerhin handelte es sich um ein „nicht anerkanntes Dorf“ - ein sprachliches Mittel, das Israel einsetzt, um BeduinInnen als Eindringlinge in ihrem eigenen Land darzustellen. Die israelische Öffentlichkeit nimmt die systematische Zerstörung dieser Gemeinschaften als bloßes Durchgreifen gegen Regelverstöße wahr. Doch die BewohnerInnen von Umm Al-Hiran waren nicht nur keine Eindringlinge, sie wurden vom Staat selbst dorthin gebracht.


Vor der Gründung Israels lebte die Gemeinde, aus der Umm Al-Hiran wurde, in der nordwestlichen Negev. Im Jahr 1952 wurden sie von der israelischen Militärregierung gewaltsam weiter nach Osten vertrieben, um ihr Land für den Bau des Kibbuz Shoval zu enteignen. Vier Jahre später – 1956 – beschloss der Staat, sie erneut zu entwurzeln und sie in ein Gebiet knapp innerhalb der Grünen Linie in der Nähe der südwestlichen Spitze des Westjordanlandes zu vertreiben, wo sie bis letzte Woche lebten.


In all diesen Jahrzehnten hat sich der Staat nicht darum gekümmert, den Status des Dorfes zu regeln. Er hat den BewohnerInnen keine Infrastruktur oder grundlegende Dienstleistungen wie Strom, Wasser, Bildung oder sanitäre Einrichtungen zur Verfügung gestellt. Das ist die blanke zionistische Niedertracht: den palästinensischen BewohnerInnen des Negev werden über Generationen hinweg die grundlegendsten Lebensbedingungen vorenthalten, bevor sie eines Tages durch eine jüdische Gemeinde ersetzt werden, um „die Wüste zum Blühen zu bringen“.

Der Negev macht mehr als die Hälfte des Territoriums des Staates Israel aus, und weite Teile davon sind leer. Dennoch besteht der Staat darauf, „nicht anerkannte“ arabische Dörfer zu zerstören, um neue jüdische Dörfer zu errichten. Im Fall von Umm Al-Hiran sollte die neue Siedlung ursprünglich eine judaisierte Version des Namens des Dorfes tragen, an dessen Stelle sie treten sollte: Hiran. Jemand hat es sich dann anders überlegt, und nun soll die neue Siedlung Dror – „Freiheit“ – heißen.


Das ist natürlich nichts Neues. Israel hat seit seiner Gründung palästinensische Gemeinden zerstört und Jüdinnen und Juden an deren Stelle angesiedelt. Allein während der Nakba von 1948 wurden Hunderte von palästinensischen Städten und Dörfern entvölkert. Aber die Geschichte von Umm Al-Hiran zeigt noch eine weitere Ebene der israelischen Haltung gegenüber den PalästinenserInnen, die für das Verständnis des zionistischen Modus Operandi wesentlich ist: die Wahrnehmung der palästinensischen Präsenz als vorübergehend.

Dies ist einer der gewalttätigsten Ausdrücke der jüdischen Vorherrschaft. PalästinenserInnen werden als menschlicher Staub betrachtet, der einfach weggefegt werden kann, oder als Schachfiguren, die im Einklang mit Israels nicht enden wollendem Projekt der demografischen Planung zwischen dem Fluss und dem Meer von einem Feld zum anderen bewegt werden können. Dies ist ein wesentlicher Bestandteil der Entmenschlichung derjenigen, auf deren Land der Staat ein Auge geworfen hat: die tiefe Überzeugung, dass diese Menschen keine Wurzeln haben und dass es daher unmöglich als Vertreibung angesehen werden kann, sie von einem Ort zum anderen zu schaffen.


Auf diese Weise ist es möglich, die Bitten der BewohnerInnen der galiläischen Dörfer Iqrit und Bir'em weiterhin zu ignorieren, mehr als ein halbes Jahrhundert nachdem der Oberste Gerichtshof entschieden hat, dass sie auf ihr Land zurückkehren dürfen, nachdem sie während der Nakba vertrieben worden waren. Auf diese Weise ist es möglich, unter dem Vorwand der Sicherheit und der Rechtsstaatlichkeit umfassende ethnische Säuberungen im Westjordanland durchzuführen; und es ist möglich, Hunderttausende von BewohnerInnen des Gazastreifens immer und immer wieder zur Flucht aufzufordern und sie zu ewigen Nomaden zu machen, wie es der Zionismus beabsichtigt – und dies obendrein als humanitären Akt zu verkaufen.

Die zionistische Bevölkerungspolitik ist nicht auf PalästinenserInnen beschränkt. Die Geschichte von Givat Amal, einem Mizrachi-Viertel in Tel Aviv [Mizrachi ist der hebräische Name für aus Asien und Afrika und besonders aus dem Nahen Osten stammende jüdische Bevölkerungsgruppen, Anm.], das 2021 zwangsgeräumt und abgerissen wurde, weist viele Parallelen zur Geschichte von Umm al-Hiran auf. Auch dort zwang der Staat eine marginalisierte Gemeinschaft, in ein Grenzgebiet zu ziehen, ohne ihren Status oder ihre Rechte an dem Land zu regeln, und sobald der Wert des Landes stieg, vertrieb er die BewohnerInnen aus Habgier. Inzwischen halten staatlich genehmigte „Zulassungskommissionen“ in Hunderten von jüdischen Gemeinden im Negev und in Galiläa die Apartheid aufrecht und sorgen dafür, dass die „richtigen Leute“ an den richtigen Orten leben.


Aber es sind die PalästinenserInnen, die der Zionismus in ein temporäres Volk mit einer vergänglichen Identität verwandelt hat. Diese Annahme liegt dem Landtauschplan zugrunde, den Avigdor Liberman vor zehn Jahren befürwortet hat und der vorsieht, dass mehrere palästinensische Gemeinden innerhalb Israels in das Westjordanland verlegt werden, während Israel einige der Siedlungen annektiert: Heute können PalästinenserInnen BürgerInnen Israels sein, aber morgen können sie mit nur einem Fingerschnippen diesen Status verlieren. (Liberman, der einst als Vertreter der extremen Rechten in der israelischen Politik galt, ist in letzter Zeit zu einer Art Held der linken Mitte geworden).


Vielleicht liegt dieser zionistischen Entschlossenheit, die PalästinenserInnen von ihrem angestammten Lebensraum zu vertreiben, eine verinnerlichte Angst vor ihrer tief verwurzelten Verbindung mit dem Land zugrunde. Vielleicht ist es der Wahn, dass sie, wenn sie nur oft genug entwurzelt und von Ort zu Ort getrieben werden – sei es durch Todesmärsche in Gaza, ethnische Säuberungen im Westjordanland oder Zerstörung und Vertreibung im Negev – schließlich irgendwann aufgeben und gehen werden.


Vor acht Jahren schrieb der israelische Oppositionsführer Yair Lapid eine Ode an die Hashomer Hachadash-Bewegung, in der er witzelte, dass „ein Mann, der einen Baum pflanzt, nirgendwo hingeht“. Es ist bemerkenswert, wie das Unterbewusstsein manchmal aus einem Stift hervorkommt, obwohl man ihn selbst in der Hand hält. Schließlich weiß der Staat genau, wer die Olivenbäume gepflanzt hat, die die Armee im Gazastreifen bombardiert und die SiedlerInnen im Westjordanland in Brand setzen. Doch selbst nach Jahrzehnten der Zerstörung, Vertreibung und des Gemetzels weigert sich der Zionismus zu akzeptieren, dass die PalästinenserInnen nicht einfach verschwinden werden.


Orly Noy ist Redakteurin bei Local Call, politische Aktivistin und Übersetzerin von Gedichten und Prosa aus dem Persischen. Sie ist Vorsitzende des Vorstands von B'Tselem und Aktivistin in der politischen Partei Balad.




 

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