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Dutzende medizinische Fachkräfte aus Gaza werden weiterhin in israelischer Haft vermisst

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Der Ehemann von Maha Wafi wurde vor zwei Jahren von seinem Arbeitsplatz als Rettungssanitäter verschleppt. Sie wartete nach dem Waffenstillstand auf seine Rückkehr, doch er kam nie nach Hause zurück.


Von Kavitha Chekuru, The Intercept, 10. November 2025


(Originalbeitrag ein englischer Sprache)

 

„Ich war zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder für ein paar Stunden wirklich glücklich, aus tiefstem Herzen“, sagt Maha Wafi. In der Nacht des 12. Oktober konnten Wafi und ihre fünf Kinder kaum schlafen. Das war in den zwei Jahren der unerbittlichen israelischen Angriffe auf Gaza seit den Anschlägen vom 7. Oktober ein allzu häufiges Problem gewesen. Aber in dieser Nacht waren es nicht die israelischen Bomben, die sie wach hielten. Sie glaubten, dass ihr Ehemann und Vater, Anis al-Astal, am nächsten Tag als einer von Tausenden Palästinenser*innen im Rahmen des neuen Waffenstillstandsabkommens aus israelischen Gefängnissen entlassen werden würde.

„Wir haben darüber gesprochen, was wir machen werden, wenn Baba kommt. Wie wird er aussehen? Was werden wir ihm zu essen geben und was werden wir ihm zu trinken anbieten?“, erzählt sie The Intercept. „Ich bin früh aufgewacht und hatte vor, auf den Markt zu gehen und Kleidung und Essen für ihn zu kaufen. Es ist nur noch eine Frage von Stunden, so Gott will, nach zwei Jahren Haft wird er in wenigen Stunden bei uns sein.“

Sie hatte ihren Mann fast während des gesamten Krieges nicht gesehen. Am 2. Dezember 2023 war al-Astal, der Leiter des Rettungsdienstes im südlichen Gaza, auf einer Mission zur Evakuierung von Patient*innen aus dem Norden, als er und drei weitere Kollegen von israelischen Streitkräften an der Netzarim-Kreuzung, einer wichtigen Kreuzung im Zentrum von Gaza, festgenommen wurden. Seitdem warteten Wafi und ihre Kinder auf seine Rückkehr – und nun war der Moment endlich gekommen.

Zumindest dachte sie das.

Am 13. Oktober, als Dutzende inhaftierte Palästinenser*innen freigelassen und nach Gaza zurückgebracht wurden, kam ein Anruf von einem Kollegen ihres Mannes: Al-Astal war nirgends zu finden.

„Es war ein unbeschreibliches Gefühl“, sagte sie. „Meine Söhne sind noch jung, junge Burschen, und ich habe eine Tochter, und wir alle weinten wie kleine Kinder. Mein kleiner Junge, der 7 Jahre alt ist, weinte von ganzem Herzen. Es gibt Dinge, die man mit Worten und Sätzen nicht erklären kann.“

Al-Astal ist einer von mindestens 95 palästinensischen medizinischen Mitarbeiter*innen, von denen 80 aus Gaza stammen und laut Healthcare Workers Watch, einer von palästinensischen und internationalen Mediziner*innen gegründeten Gruppe zur Verfolgung von Angriffen auf das Gesundheitswesen in Palästina, weiterhin ohne Anklage in israelischen Gefängnissen festgehalten werden. Zu den weiterhin Inhaftierten gehört Dr. Hussam Abu Safiya, der Direktor des Kamal-Adwan-Krankenhauses im Norden, der nach einem brutalen Angriff auf das Krankenhaus im Dezember 2024 festgenommen wurde.

Laut Healthcare Workers Watch wurden seit dem 7. Oktober 2023 mehr als 400 palästinensische medizinische Fachkräfte von den israelischen Behörden festgenommen.

„Die meisten von ihnen wurden während ihrer Arbeit, als sie versuchten, Patient*innen zu retten, von ihrem Arbeitsplatz weggebracht. Dazu gehören Menschen, die während ihrer Arbeit aus ihrem Krankenwagen oder aus Krankenhäusern verschleppt wurden“, sagte Rebecca Inglis von Healthcare Workers Watch. „Es handelt sich also um Mitarbeiter*innen des Gesundheitswesens, die nach dem humanitären Völkerrecht besonders geschützt sein sollten.“

Seit dem 7. Oktober hat das israelische Militär wiederholt Krankenhäuser im Gazastreifen von Norden nach Süden angegriffen und Medikamente und wichtige Hilfsgüter blockiert. Mehr als 1.700 Mitarbeiter*innen des Gesundheitswesens wurden getötet. Die Vereinten Nationen haben die Angriffe als „gezielte Zerstörung“ des Gesundheitssystems bezeichnet – als „Medizid“.

Palästinenser*innen aus Gaza wie Anis al-Astal werden nach dem israelischen Gesetz zur Inhaftierung ungesetzlicher Kämpfer festgehalten, das es erlaubt, Gefangene ohne Anklage, für unbegrenzte Zeit und ohne Zugang zu einem Anwalt für mehr als zwei Monate festzuhalten. Amnesty International hat erklärt, dass das Gesetz dazu benutzt wird, „palästinensische Zivilist*innen aus Gaza willkürlich zusammenzutreiben“, ohne dass dafür jemand zur Rechenschaft gezogen wird.

Die unbefristeten Inhaftierungen zwingen Familien in Gaza wie die von Wafi dazu, um jedes noch so kleine Stückchen Information über ihre Angehörigen zu kämpfen. Einige freigelassene Häftlinge erzählten Wafi, dass ihr Mann zwischen verschiedenen israelischen Gefängnissen hin- und her verlegt kworden sei, aber sie weiß derzeit nichts Genaues.

„Er und das medizinische Personal sollten gerade entlassen werden“, sagt sie. „Was ist passiert? Was ist vorgefallen? Wurden sie aufgehalten? Niemand weiß es.“

 

Ein Arzt kehrt zurück

Im Rahmen des Waffenstillstandsabkommens wurden am 13. Oktober fast 2.000 Palästinenser*innen freigelassen, darunter 1 700 aus Gaza, die in die wenigen Ruinen ihrer Häuser zurückkehrten. Unter ihnen war auch Dr. Ahmed Mhanna, der zuvor als Direktor des Al-Awda-Krankenhauses gearbeitet hatte. Wie al-Astal hatte auch er Gaza seit fast zwei Jahren nicht mehr betreten. Als er endlich zurückkam, wurde er von Dutzenden Kolleg*innen begrüßt, die ihn umarmten und auf ihre Schultern hoben.

Die körperlichen Folgen seiner Inhaftierung waren sofort sichtbar. Mhanna war abgemagert und viel dünner als bei seiner Verhaftung.

„Während meiner gesamten Haftzeit von einem Jahr und zehn Monaten habe ich 30 Kilogramm an Körpergewicht verloren“, berichtet er The Intercept.

Mhanna befand sich im Al-Awda-Krankenhaus im Norden, als er zusammen mit anderen Mitarbeitern am 17. Dezember 2023 nach einer fast zweiwöchigen Belagerung der Einrichtung von israelischen Streitkräften festgenommen wurde. Der erste Ort, an den sie gebracht wurden, war laut Mhanna das berüchtigte israelische Militärgefängnis Sde Teiman, wo israelische Streitkräfte von Häftlingen und Menschenrechtsgruppen wegen Folter, Vergewaltigung und Misshandlung angeklagt wurden. Mhanna berichtete, dass er und andere regelmäßig bis zu acht Stunden lang verhört wurden.

„Die Gefangenen wurden dort unter extrem erniedrigenden Bedingungen festgehalten. In kleinen Käfigen, der Kälte, dem Schmutz und Demütigungen ausgesetzt“, berichtet er. „Viele Häftlinge wurden gezwungen, stundenlang in schmerzhaften Positionen zu verharren, oft mit verbundenen Augen und Handschellen“, beschreibt er seine eigene Behandlung und die anderer. „Soldaten setzten Einschüchterung und psychische Misshandlung als Teil der täglichen Routine ein. Es war ein bewusster Versuch, unseren Willen und unsere Würde zu brechen.“

In einer Erklärung gegenüber The Intercept sagte das israelische Militär, das Sde Teiman überwacht, dass es „konkrete Vorwürfe bezüglich der Misshandlung von Häftlingen gründlich untersucht“ und dass es keine systematische Misshandlung gibt.

Mhanna berichtet, dass die harte Behandlung auch nach seiner Verlegung in das Ketziot-Gefängnis, wo er bis zu seiner Freilassung festgehalten wurde, weiterging. Dort seien 40 Menschen in einem etwa 50 Quadratmeter großen Raum untergebracht gewesen, und Duschen und medizinische Versorgung seien regelmäßig verweigert worden.

„Sie entwickelten Hautkrankheiten und Abszesse. Wir verloren zwei Männer, darunter einen Freund von mir, der an einer Brustinfektion starb“, so Dr. Mhanna. „Sie reagierten nicht auf meine Bitten, ihm Antibiotika zu geben. Und wir verloren ihn.“

Die Misshandlungen dauerten bis zum letzten Tag seiner Haft an, als die Häftlinge von den Wärtern gefesselt und geschlagen wurden, bevor sie nach Gaza zurückgebracht wurden. Seine Aussage spiegelt die von Menschenrechtsgruppen dokumentierten, weitreichenden Menschenrechtsverletzungen wider, denen Palästinenser*innen im israelischen Gefängnisnetzwerk ausgesetzt sind.

„In Sde Teiman sind Dutzende palästinensischer Häftlinge gestorben – einige von ihnen wurden sogar getötet. In einigen Aussagen wird berichtet, dass Menschen in Sde Teiman zu Tode geprügelt wurden“, berichtet Naji Abbas, Leiter der Abteilung für Gefangene bei Physicians for Human Rights Israel. Anfang dieses Jahres veröffentlichte die Organisation eine Untersuchung über die Inhaftierung palästinensischer medizinischer Fachkräfte und dokumentierte schwere Misshandlungen in israelischen Gefängnissen, darunter die Verweigerung medizinischer Versorgung. „Menschen sterben. Sie litten an einer Krankheit, die sehr leicht behandelt werden könnte, wenn sie wenigstens einen Arzt hätten sehen können.“

Zu der körperlichen Brutalität kam noch psychische Folter hinzu, sagt Mhanna. Nachrichten aus Gaza waren rar, nur einige Informationen kamen von neu angekommenen Häftlingen und von Anwält*innen, obwohl diese bei ihren sehr seltenen Treffen oder Telefonaten nur begrenzt Auskunft geben durften. Mhanna traf während seiner 22-monatigen Haft nur dreimal einen Anwalt. Er hatte keine Ahnung, wie es seinen Familienmitgliedern ging - oder ob sie überhaupt noch lebten.

Die Wachen verspotteten die Palästinenser, indem sie ihnen erzählten, welche Orte angegriffen worden waren, berichtet er mir. „‚Jetzt zerstören wir Deir al-Balah und wir zerstören Nuseirat‘“, erinnert er sich an die Worte der israelischen Wachen. „Können Sie sich vorstellen, wie wir uns fühlen, wenn ich weiß, dass meine Familie in Deir al-Balah lebt und ich keine Nachrichten von ihnen habe?“

Abbas sagt, dass Anwälten seit Monaten verboten ist, die Gefangenen zu besuchen, weil sie versucht hätten, ihnen Briefe von Angehörigen aus Gaza zu übergeben oder ihnen einfach nur mitzuteilen, dass es den Familien der Gefangenen gut gehe.

„Die Ideologie hinter ihrer Politik“, sagte er, „besteht darin, die Haftbedingungen selbst als Strafe, als Folterinstrument zu nutzen.“

 

„Er weiß, dass er unschuldig ist“

Diese Ungewissheit über das Schicksal ihrer Angehörigen, nicht zu wissen, ob sie noch leben oder tot sind, kennen auch palästinensische Familien in Gaza. Maha Wafi und ihre Kinder erleben dies seit fast zwei Jahren, seit Anis al-Astal und seine Kollegen verschleppt wurden.

Am 2. Dezember 2023, zwei Wochen vor dem Angriff auf das Al-Awda-Krankenhaus, bei dem Mhanna verschleppt wurde, brachen al-Astal und drei seiner Kollegen von Khan Younis im Süden Gazas zu einer Mission in den Norden auf. Sie hofften, dort Patient*innen evakuieren zu können, da die israelischen Streitkräfte weiter in das Gebiet vordrangen und die Krankenhäuser im Norden ohne Unterlass angriffen.

„Es war nicht seine erste koordinierte Mission. Er hatte schon mehrmals verletzte Patient*innen evakuiert“, erzählt Wafi. „Wenn er also gedacht hätte, dass etwas gegen ihn vorliegt, dann hätte er sich geweigert, mitzufahren. Aber er weiß, dass er unschuldig ist.“

Das letzte Mal, dass sie mit ihrem Mann sprach, war am Morgen seiner Entführung. Der Tag begann chaotisch. Wafi, die wie ihr Mann Rettungssanitäterin ist, war bei der Arbeit, als sie einen Anruf von ihren Kindern erhielt, die ihr mitteilten, dass ihr Haus von der israelischen Armee mit einer Räumungsanordnung belegt worden war. Kurz darauf rief sie al-Astal an.

„Ich habe ihn gebeten, mir beim Packen wichtiger Dinge wie Dokumente und Kleidung zu helfen. Er sagte mir, er sei gerade dabei, Patient*innen zu evakuieren“, erzählte sie. „Sobald er damit fertig sei, würde er kommen, um uns bei der Flucht zu helfen.“

Einige Stunden später, als sie gerade dabei war, die Habseligkeiten ihrer Familie einzupacken, erhielt sie einen verwirrenden Anruf von einem Kollegen von al-Astal, der ihr sein Mitgefühl aussprach. Sie nahm an, dass es um die Vertreibungsanordnung in Khan Younis ging. „Er sagte: ‚Nein, ich spreche von Anis!‘“, erinnerte sich Wafi. Als sie ihn fragte, was er damit meine, erklärte er ihr, dass al-Astal bei der Evakuierung von Patient*innen im Norden festgenommen worden sei.

„Zwei Schläge auf einmal: Ich verlor sowohl meine Stütze als auch meine Sicherheit“, sagt sie. „Meine Stütze, nämlich meinen Mann, und meine Sicherheit, nämlich mein Zuhause.“


Sichere Durchfahrt durch Israel gewährt

Die von al-Astal geleitete Ambulanzmission in den Norden war laut einem seiner Kollegen, Mohammed Abu Samak, der bei ihm war, als sie von israelischen Streitkräften festgenommen wurden, zuvor von Israel genehmigt worden.

„Wir hatten uns zuvor mit der israelischen Seite über die zuständigen Behörden abgestimmt“, erklärt Abu Samak, der zwei Wochen nach ihrer Festnahme freigelassen wurde, gegenüber The Intercept. „Wir wissen jedoch nicht, was an diesem Tag passiert ist, da wir davon überrascht wurden, als wir den Kontrollpunkt Netzarim erreichten und die israelische Armee uns festnahm.“

Abu Samak berichtet, dass sie in einem aus Baracken bestehenden Internierungslager festgehalten wurden. „Sie verhörten uns an diesem Ort und brachten uns dann mit einer Gruppe von Häftlingen an einen anderen Ort“, sagt er. „Wir wurden massiv geschlagen, gefoltert und gedemütigt.“

Während Abu Samak und ein weiterer Kollege zwei Wochen nach ihrer Festnahme freigelassen wurden, blieben al-Astal und ein weiterer Kollege, Hamdan Anaba, in Haft. Seitdem versucht Wafi, alle möglichen Informationen zu sammeln, um seine Freilassung zu erreichen.

Ein Anwalt der Organisation Palestinian Centre for Human Rights (PCHR) konnte al-Astal nur wenige Male sehen. Bei einem dieser Besuche, so berichtete die Organisation gegenüber The Intercept, sagte al-Astal, er sei innerhalb einer Woche viermal verprügelt worden und „beschrieb eine vollständige Isolation von der Außenwelt, sodass die Häftlinge jegliches Zeit- und Datumsgefühl verlieren“.

Al-Astal sei „Leibesvisitationen, verbalen Beschimpfungen, beleidigender Sprache und Drohungen ausgesetzt gewesen“, so die Organisation. Er sei vor Gericht erschienen, jedoch ohne Rechtsbeistand, so das PCHR, und habe keinen Grund für seine Verhaftung oder Inhaftierung erfahren.

Bei Hamdan Anaba, jenem Kollegen, der zusammen mit al-Astal inhaftiert war, ist das einzige Detail, das über seine Inhaftierung bekannt geworden ist, die schlimmste Art von Information: Er starb oder wurde getötet, während er sich in israelischer Haft befand. Im September 2024 gab es Berichte über seinen Tod, aber laut GISHA, einer israelischen Menschenrechtsorganisation, die sich für Anabas Familie einsetzt, wurde dies erst Anfang 2025 von der israelischen Regierung offiziell bestätigt. Seine Leiche wurde nicht freigegeben, und die Umstände seines Todes sind aufgrund der Behinderung durch die israelischen Behörden nach wie vor ungeklärt.

„Die israelischen Behörden haben kontinuierlich versucht, Informationen zu verheimlichen. Obwohl dem Arzt der Familie die Teilnahme an der Autopsie genehmigt worden war, musste er eine Vertraulichkeitsvereinbarung unterzeichnen, und jeder Antrag, den wir zur Aufhebung dieser Beschränkung gestellt haben, wurde abgelehnt“, erklärte Tania Hary, Leiterin von GISHA, gegenüber The Intercept in einer Stellungnahme. „Das Verhalten des Staates stellt einen Verstoß gegen den Grundsatz eines ordentlichen Verfahrens dar und wirft ernsthafte Bedenken hinsichtlich des Völkerrechts auf, insbesondere in Bezug auf das Verbot des Verschwindenlassens, die Pflicht zur wirksamen Untersuchung von Todesfällen in Haft und die Verpflichtung zur Wahrung der Grundrechte und der Würde von Häftlingen und ihren Familien.“

Anaba ist einer von mindestens 75 Palästinensern, darunter vier weitere medizinische Mitarbeiter, die seit dem 7. Oktober in israelischer Haft gestorben sind oder getötet wurden.

Die israelische Strafvollzugsbehörde antwortete nicht auf Fragen von The Intercept, und in ihrer Stellungnahme zu diesem Artikel ging die israelische Armee nicht auf Fragen zu al-Astal oder Anaba ein.


„Alles ist zerstört“

Für Palästinenser*innen, die das israelische Gefängnissystem überleben, bedeutet die Rückkehr nach Gaza das Ende eines schrecklichen Kapitels. Die Rückkehr in eine zerstörte Heimat bringt jedoch neue Herausforderungen mit sich. Als er am 13. Oktober nach Gaza zurückkehrte, sagt Dr. Mhanna, der ehemalige Direktor des Al-Awad-Krankenhauses, sei er völlig schockiert gewesen, als er die postapokalyptische Landschaft Gazas sah. „Kein Rafah, kein Khan Younis, keine Stadt Gaza – alles ist zerstört“, sagt er. „Keine Universität, keine Schulen, keine medizinischen Zentren, keine Krankenhäuser. Hier gibt es jetzt nichts mehr.“

Ein Teil des Verlustes, zu dem er zurückgekehrt ist, besteht nicht nur in der vollständigen physischen Zerstörung, sondern auch in den Menschenleben, die damit verloren gegangen sind, darunter Hunderte seiner Kolleg*innen aus dem medizinischen Bereich, die während seiner Haft getötet wurden. Der daraus resultierende Mangel an Ärzt*innen in Gaza ist einer der Gründe, warum Mhanna so dringend wieder zu seiner Arbeit zurückkehren möchte, auch wenn er sich zunächst um die Zukunft seiner Familie kümmern und den Prozess der Heilung von seinen traumatischen Erlebnissen beginnen muss.

„Es geht mir besser, aber ich habe immer noch Beschwerden und fühle mich nicht zu 100 Prozent fit“, berichtet Mhanna. „Aber morgen werde ich wieder an meine Arbeit zurückkehren, und ich muss meinen Job weitermachen. Ich muss diese ganze schwere Zeit, die ich im Gefängnis verbracht habe, vergessen. Ich muss es einfach.“

Während des vorherigen Waffenstillstands wurden jeden Samstag Gefangene freigelassen. Maha Wafi suchte in der Menge der freigelassenen Palästinenser*innen nach ihrem Mann al-Astal. Jetzt kann sie nur noch warten, nachdem sie mehr als zwei Jahre lang versucht hat, ihre Familie am Leben zu erhalten, zusammen mit den Zivilist*innen, um die sie sich bei ihrer Arbeit kümmert. „Mein Mann und ich haben diesen Beruf ergriffen und gemeinsam studiert, bevor wir geheiratet haben“, sagt sie. „Wir lieben unsere Arbeit, für uns ist es nicht nur ein Job.“

Die Hingabe ihres Mannes, als Sanitäter Menschen zu helfen, macht es für sie noch schwieriger zu verstehen, warum er verschleppt wurde. Selbst während ein instabiler Waffenstillstand andauert, sagt sie, sei es schwer, Hoffnung zu finden, wenn ihr Mann ihrer Familie weiterhin vorenthalten wird.

„Ich kann keine Freude empfinden, solange die Stütze unseres Hauses nicht bei uns ist. Der Vater meiner Kinder ist nicht bei uns. Ich meine, in jeder Familie im Lager zeigen die Väter ihren Kindern Liebe und bringen ihnen dies und das mit“, sagte sie. „Aber nicht meine Kinder. Es ist eine unvollständige, gebrochene Freude auf eine unwirkliche Art und Weise. Manche Dinge lassen sich nicht mit Worten ausdrücken.“


Kavitha Chekuru ist Journalistin und Dokumentarfilmerin. Ihre Berichterstattung, die sich auf Menschenrechte und Sicherheit konzentriert, wurde mit dem George Polk Award, dem Overseas Press Club, der Society of Professional Journalists und fünf Nominierungen für den News and Documentary Emmy ausgezeichnet.



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