„Es ist ein schreckliches Szenario“: Gaza steht vor einer neuen Bedrohung durch antibiotikaresistente Krankheiten
- office16022
- 14. Aug.
- 3 Min. Lesezeit
Tödliche Infektionen sind aufgrund von Unterernährung, Verletzungen und mangelnden medizinischen Einrichtungen unter der Blockade Israels sehr wahrscheinlich geworden.
Von Jason Burke, The Guardian, 13. August 2025
(Originalbeitrag in englischer Sprache)
Gaza steht vor einer neuen Bedrohung, da sich antibiotikaresistente Krankheiten in dem zerstörten Gebiet ausbreiten, wie Untersuchungen ergeben haben.
Medizinische Hilfsgüter sind äußerst knapp, und Zehntausende Menschen wurden in dem 22-monatigen Krieg verletzt, während viele andere durch Unterernährung geschwächt sind. Daher werden die hohen Konzentrationen an resistenten Bakterien zu längeren und schwereren Erkrankungen, einer schnelleren Übertragung von Infektionskrankheiten und mehr Todesfällen führen, so Expert*innen.
Der am Dienstag in einem von Fachkolleg*innen begutachteten Forschungsbericht in der Fachzeitschrift Lancet veröffentlichten Ergebnisse sind die ersten seit Oktober 2023, die auf eine Verbreitung multiresistenter Bakterien in Gaza hindeuten.
„Das bedeutet längere und schwerere Krankheiten und ein hohes Risiko der Übertragung auf andere. Es bedeutet ein erhöhtes Risiko, an ganz gewöhnlichen Infektionen zu sterben. Es bedeutet mehr Amputationen. Es ist ein schreckliches Szenario“, sagt Krystel Moussally, Epidemiologieberaterin bei Ärzte ohne Grenzen und Mitautorin von Studien über resistente Bakterien in Gaza und anderen Konfliktgebieten im Nahen Osten, die nicht an der Forschung beteiligt war.
Die Studie basiert auf mehr als 1 300 Proben aus dem Al-Ahli-Krankenhaus, wo sich eines der wenigen noch funktionsfähigen mikrobiologischen Labore in Gaza befindet. Zwei Drittel der Proben, die im Laufe eines Zeitraums von zehn Monaten im letzten Jahr von Patient*innen entnommen wurden, wiesen multiresistente Bakterien auf. Bilal Irfan, einer der Autoren der Studie, bezeichnete die Ergebnisse als „besonders alarmierend“:
„Wir kennen nicht einmal das wahre Ausmaß, da fast alle Labore zerstört und viele medizinische Mitarbeiter*innen getötet wurden. Daher ist es äußerst wichtig, auch nur einen kleinen Einblick in die Lage in Gaza zu erhalten”, so Irfan, ein Bioethiker, der am Brigham and Women’s Hospital der Harvard University und an der University of Michigan forscht.
Gaza leidet seit Jahrzehnten unter einem hohen Vorkommen multiresistenter Bakterien als Folge wiederholter Kriege und einer israelischen Blockade seit 2007, als die Hamas die Kontrolle übernahm. Expert*innen zufolge ist die aktuelle Situation jedoch beispiellos. Nicht nur das Gesundheitssystem Gazas, sondern auch die sanitären Einrichtungen wurden zerstört, die Entsorgung von Müll und festen Abfällen ist fast zum Erliegen gekommen, und unter den 2,3 Millionen Einwohner*innen herrscht weit verbreiteter Hunger, wodurch viele Menschen noch anfälliger für Infektionen sind.
Am Dienstag erklärte die Weltgesundheitsorganisation, Israel solle ihr erlauben, medizinische Hilfsgüter zu lagern, um die „katastrophale“ Gesundheitssituation in Gaza zu bewältigen.
„Wir wollen die Vorräte auffüllen, und wir alle hören, dass mehr humanitäre Hilfsgüter zugelassen werden sollen – aber das ist nicht der Fall, oder aber es geschieht viel zu langsam“, sagt Rik Peeperkorn, Vertreter der WHO in den palästinensischen Gebieten. Aus Jerusalem berichtet Peeperkorn, dass in Gaza mehr als die Hälfte der Medikamente ausgegangen seien und die WHO „aufgrund der umständlichen Verfahren“ und der „weiterhin verweigerten“ Einfuhr von Produkten weniger Hilfsgüter einführen konnte, als sie wolle – ein Thema, über das ständig mit den israelischen Behörden verhandelt wird.
Peeperkorn berichtet zudem, dass nur 50 Prozent der Krankenhäuser und 38 Prozent der primären Gesundheitszentren funktionierten, und selbst das nur teilweise. Die Bettenauslastung hat im Al-Shifa-Krankenhaus 240 Prozent und im Al-Ahli-Krankenhaus 300 Prozent erreicht, beide befinden sich im Norden Gazas.
„Die allgemeine Gesundheitssituation bleibt weiterhin katastrophal“, sagt er. „Hunger und Unterernährung verwüsten weiterhin den Gazastreifen.“
Vertreter des israelischen Verteidigungsministeriums gaben an, dass seit Beginn des Krieges mehr als 45.000 Tonnen medizinischer Ausrüstung in den Gazastreifen gebracht und 13 voll ausgestattete Feldlazarette von internationalen Hilfsorganisationen eingerichtet worden seien.
„Israel wird weiterhin die Einfuhr von medizinischer Ausrüstung und Medikamenten in den Gazastreifen in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht und in Abstimmung mit der internationalen Gemeinschaft zulassen, während es alle möglichen Maßnahmen ergreift, um zu verhindern, dass die Terrororganisation Hamas die Hilfsgüter beschlagnahmt und für terroristische und militärische Zwecke missbraucht“, sagten die Beamten.
Nach Angaben des Gesundheitsministeriums des Gebiets wurden in den letzten 24 Stunden bei israelischen Angriffen in Gaza mindestens 89 Palästinenser*innen getötet, darunter 31, die Hilfe suchten, und 513 verletzt.
Seit dem 7. Oktober 2023 hat die israelische Offensive in Gaza insgesamt 61.599 Palästinenser*innen getötet und 154 088 verletzt.
Drei Viertel der von Irfan und den anderen Autoren der neuen Studie untersuchten Proben stammten von Opfern, die durch israelische Luftangriffe oder ähnliche Angriffe traumatische Verletzungen erlitten hatten. In der Fachzeitschrift Lancet erklärten die Autor*innen, dass die Gefahr durch resistente Bakterien weiter zunehmen werde, wenn die israelische Offensive und die „gezielten Angriffe auf Krankenhäuser, Labore und Meerwasserentsalzungsanlagen“ nicht beendet würden.
Moussally berichtet, dass das Problem durch die massive Verschmutzung der Wasserquellen und „fehlende Impfprogramme” während des Krieges noch verschlimmert worden sei.




Kommentare