Israelischer Plan zur Zwangsumsiedlung der Bevölkerung des Gazastreifens ist „eine Blaupause für Verbrechen gegen die Menschlichkeit“
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- 6. Juli
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Aktualisiert: 8. Juli
Das Militär soll die Ruinen von Rafah in eine „humanitäre Stadt“ verwandeln, aber Expert*innen bezeichnen den Plan als Internierungslager für alle Palästinenser*innen im Gazastreifen.
Von Emma Graham-Harrison, The Guardian, 7. Juli 2025
(Originalbeitrag in englischer Sprache)
Der israelische Verteidigungsminister hat Pläne vorgelegt, alle Palästinenser*innen im Gazastreifen in ein Lager auf den Ruinen von Rafah zu zwingen, ein Plan, den Rechtsexpert*innen und Akademiker*innen als Blaupause für Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezeichneten.
Israel Katz sagte, er habe das israelische Militär angewiesen, die Errichtung eines Lagers auf den Ruinen der Stadt Rafah vorzubereiten, das er als „humanitäre Stadt“ bezeichnete, berichtete die Zeitung Haaretz. Die Palästinenser*innen würden vor dem Betreten des Lagers einer „Sicherheitskontrolle“ unterzogen und dürften es nach dem Betreten nicht mehr verlassen, so Katz bei einem Briefing für israelische Journalist*innen.
Die israelischen Streitkräfte würden die Umgebung des Geländes kontrollieren und zunächst 600.000 Palästinenser*innen in das Gebiet „umsiedeln" - hauptsächlich Menschen, die derzeit aus dem Gebiet al-Mawasi vertrieben werden. Schließlich soll die gesamte Bevölkerung des Gazastreifens dort untergebracht werden, und Israel beabsichtigt, „den Auswanderungsplan umzusetzen, was auch geschehen wird“, zitiert Haaretz Israel Katz.
Seit Donald Trump Anfang des Jahres vorschlug, dass eine große Zahl von Palästinenser*innen den Gazastreifen verlassen solle, um ihn zu „säubern“, haben israelische Politiker*innen, darunter auch Premierminister Benjamin Netanjahu, die Zwangsdeportation enthusiastisch unterstützt und sie oft als ein Projekt der USA dargestellt.
Katz' Plan verstößt gegen internationales Recht, sagt Michael Sfard, einer der führenden israelischen Menschenrechtsanwälte. Es widerspricht auch direkt den Behauptungen, die Stunden zuvor vom Büro des israelischen Militärchefs aufgestellt wurden, der in einem Schreiben erklärte, dass die Palästinenser*innen nur zu ihrem eigenen Schutz innerhalb des Gazastreifens umgesiedelt würden.
„(Katz) hat einen operativen Plan für ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgelegt. Es geht um nichts weniger als das", so Sfard. „Es geht um einen Bevölkerungstransfer in den südlichen Teil des Gazastreifens als Vorbereitung für die Deportation aus dem Streifen.“
„Wenn man jemanden aus seiner Heimat vertreibt, wäre das ein Kriegsverbrechen im Rahmen eines Krieges. Wenn es in einem solchen Ausmaß geschieht, wie er es plant, wird es zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit", fügt Sfard hinzu.
Katz legte seine Pläne für den Gazastreifen kurz vor Netanjahus Ankunft in Washington DC zu einem Treffen mit Donald Trump vor, wo er unter starkem Druck stehen wird, einem Waffenstillstandsabkommen zuzustimmen, um den 21-monatigen Krieg zu beenden oder zumindest zu unterbrechen.
Die Arbeiten an der „humanitären Stadt“, die im Mittelpunkt von Katz' Plänen steht, könnten während eines Waffenstillstands beginnen, sagte der Verteidigungsminister. Netanjahu leitet die Bemühungen, Länder zu finden, die bereit sind, Palästinenser*innen „aufzunehmen“, fügte er hinzu.
„Während die Regierung die Deportation immer noch als ‚freiwillig‘ bezeichnet, sind die Menschen in Gaza so vielen Zwangsmaßnahmen ausgesetzt, dass keine Ausreise aus dem Streifen rechtlich als einvernehmlich angesehen werden kann.“
Am Montag sagte Netanjahu im Weißen Haus, die USA und Israel würden mit anderen Ländern zusammenarbeiten, die den Palästinenser*innen eine „bessere Zukunft“ bieten würden.
„Wenn die Menschen bleiben wollen, können sie bleiben, aber wenn sie gehen wollen, sollten sie gehen können“, sagte Netanjahu, während er sich auf ein Abendessen mit Trump vorbereitete.
Auch israelische Politiker, darunter der Finanzminister Bezalel Smotrich, sind begeisterte Befürworter neuer israelischer Siedlungen im Gazastreifen. Pläne für den Bau von Lagern, die als „humanitäre Transitzonen“ bezeichnet werden und in denen Palästinenser*innen innerhalb und möglicherweise auch außerhalb des Gazastreifens untergebracht werden sollen, waren der Trump-Regierung zuvor vorgelegt und im Weißen Haus diskutiert worden, wie Reuters am Montag berichtete.
Der 2-Milliarden-Dollar-Plan trug den Namen der von den USA unterstützten Gaza Humanitarian Foundation (GHF), so Reuters. Die GHF bestritt, einen Vorschlag unterbreitet zu haben, und erklärte, die von Reuters eingesehenen Folien, auf denen der Plan dargelegt wurde, seien „kein GHF-Dokument“.
Bedenken hinsichtlich Israels Plänen zur Vertreibung von Palästinenser*innen waren zuvor durch militärische Befehle für die im Frühjahr dieses Jahres eingeleitete Operation geweckt worden.
Sfard vertrat drei Reservisten, die bei den israelischen Gerichten eine Petition einreichten, in der sie das Militär aufforderten, die Befehle zur „Mobilisierung und Konzentration“ der Zivilbevölkerung in Gaza zu widerrufen und jegliche Pläne zur Deportation von Palästinenser*innen aus dem Gazastreifen zu verbieten. Das Büro des israelischen Generalstabschefs Eyal Zamir erklärte in einem Antwortschreiben, die Vertreibung von Palästinenser*innen oder die Konzentration der Bevölkerung in einem Teil des Gazastreifens gehöre nicht zu den Zielen der Operation.
Diese Aussage wurde von Katz direkt widersprochen, so Prof. Amos Goldberg, Holocaust-Historiker an der Hebräischen Universität Jerusalem. Der Verteidigungsminister „habe klare Pläne für die ethnische Säuberung des Gazastreifens und die Schaffung eines Konzentrationslagers oder eines Durchgangslagers für Palästinenser*innen, bevor sie vertrieben werden", so Goldberg.
„Es ist weder humanitär noch eine Stadt“, sagte er über das von Katz geplante Auffanglager für Palästinenser*innen. „Eine Stadt ist ein Ort, an dem man arbeiten, Geld verdienen, Kontakte knüpfen und sich frei bewegen kann. Es gibt Krankenhäuser, Schulen, Universitäten und Büros. Das ist nicht das, was sie im Sinn haben. Es wird kein lebenswerter Ort sein, so wie die ‚sicheren Gebiete‘ jetzt schon unbewohnbar sind."
Katz' Plan werfe auch die unmittelbare Frage auf, was mit Palästinenser*innen geschehe, die sich weigerten, den israelischen Befehlen zu folgen und in das neue Gelände zu ziehen, so Goldberg. Er fügt hinzu: „Was wird geschehen, wenn die Palästinenser*innen diese Lösung nicht akzeptieren und aufbegehren, weil sie nicht völlig hilflos sind?“




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