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Kinder verlieren aufgrund der Unterernährung ihr Augenlicht: Die israelische Blockade von Hilfsgütern in Gaza

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  • vor 4 Tagen
  • 4 Min. Lesezeit

Die Blockade hat zu hungersnotähnlichen Bedingungen für die zwei Millionen Menschen im Gazastreifen geführt, und mindestens 9 000 Kinder wurden seit Anfang des Jahres zur Behandlung akuter Unterernährung eingeliefert.


Von Nedal Hamdouna und Bel Trew, The Independent, 7. Mai 2025

(Vollständiger Originalbeitrag in englischer Sprache und dazugehörendem Bildmaterial

 

Die Haut ist so straff über die winzigen Körper der abgemagerten Babys in Gaza gezogen, dass sie gleichzeitig erschreckend neugeboren und alt aussehen.

Ärzte, die die täglich eintreffenden unterernährten Kinder behandeln – die unter der totalen israelischen Hilfsblockade verhungern – sagen, dass einige von ihnen so unterernährt sind, dass sie ihr Augenlicht verloren haben.

„Die meisten Fälle sind zwischen einem Monat und zwei Jahren alt“, berichtet Dr. Raed Al-Baba, Gastroenterologe und Ernährungsberater im Al-Awda-Krankenhaus im Norden des Gazastreifens. Er hilft bei der Behandlung von etwa 100 Kindern, die täglich eingeliefert werden, meist weil sie hungern.

„Viele Kinder sind verkrüppelt, leiden unter schwerem Durchfall und Blutarmut ... Das führt zu Rachitis, gebeugten Knien und sogar zur Unfähigkeit, sich zu bewegen. Aufgrund der Unterernährung können sie nicht gut und klar sehen“, fügt er hinzu. „Ich hoffe, dass unsere Stimmen die Welt erreichen ... denn unsere Kinder tragen keine Schuld an diesem Krieg.“

Israel hat vor drei Monaten eine vollständige Blockade für Hilfsgüter in den Gazastreifen verhängt und wirft der militanten Hamas vor, die Hilfsgüter zu nutzen, „um ihre Kriegsmaschinerie zu füttern“, indem sie Waren stehlen und davon profitieren - was die Hamas bestreitet. Die verheerende Aktion hat für die zwei Millionen Menschen, die dort leben, zu hungersnotähnlichen Bedingungen geführt, und mindestens 9. 000 Kinder wurden nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks UNICEF seit Anfang des Jahres zur Behandlung von akuter Unterernährung eingeliefert.

Die von der Hamas geführte Regierung in Gaza gibt an, dass 3 500 dieser Kinder an der Schwelle des Todes stehen. Am Mittwoch erklärte der palästinensische Premierminister Mohammad Mustafa den Gazastreifen zur „Hungersnotzone“ und forderte das gesamte UN-System auf, seine Mechanismen unverzüglich zu aktivieren.

Die Katastrophe hat besonders verheerende Auswirkungen auf Kleinkinder, stillende und schwangere Mütter. Nach Angaben von OCHA, dem Amt für humanitäre Hilfe der Vereinten Nationen, decken 92 Prozent der Säuglinge im Alter von sechs bis 23 Monaten sowie schwangere und stillende Mütter ihren Nährstoffbedarf nicht. Amnesty International hat dies als „Völkermord in Aktion“ verurteilt und als Teil einer „Politik der absichtlichen Auferlegung von Lebensbedingungen für die Palästinenser*innen in Gaza, die auf ihre physische Zerstörung abzielen“ beschrieben.

Das Welternährungsprogramm teilte letzten Monat mit, dass die Lebensmittelvorräte in Gaza aufgebraucht seien und alle 25 vom WFP unterstützten Bäckereien geschlossen werden mussten. Freiwillige Helfer vor Ort erklärten gegenüber The Independent, dass sie nur noch Vorräte für weniger als eine Woche ausliefern können.

Familien in Gaza berichten, dass sich die Lebensmittelpreise in einigen Fällen verzehnfacht haben - sofern die Waren überhaupt erhältlich sind. Ein 25-kg-Sack verrottetes Mehl kostet etwas mehr als 260 Euro, ein Kilo Reis 9.5 Euro, und Fleisch ist überhaupt nicht mehr erhältlich.

Die Verzweiflung hat auch zu gewaltsamen Plünderungen geführt, wobei Mitarbeiter*innen von Hilfsorganisationen von bewaffneten Personen berichten, die versuchen, die letzten verfügbaren Reste zu ergattern. Es wird befürchtet, dass die Situation nur noch weiter eskaliert, da der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu angekündigt hat, eine erweiterte „intensive“ Offensive gegen die Hamas im Gazastreifen zu starten.

Die israelischen Truppen haben bereits etwa ein Drittel der 42 km langen Enklave unter ihre Kontrolle gebracht, die Bevölkerung vertrieben und Wachtürme und Überwachungsposten auf zerstörtem Land errichtet, das das Militär als „Sicherheitszonen“ ausgewiesen hat. Der neue Plan – der auf wochenlange, festgefahrene Waffenstillstandsverhandlungen mit der Hamas folgt – würde jedoch noch weiter gehen und die unbefristete Einnahme von Teilen des Streifens, die Zwangsumsiedlung von Zivilist*innen „zu ihrer eigenen Sicherheit“ und die Kontrolle über Hilfslieferungen beinhalten.

Der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich hat angekündigt, dass mit diesem neuen Plan „innerhalb weniger Monate ... Gaza völlig zerstört sein wird“. Auf einer Konferenz für Siedlungen im besetzten Westjordanland – die nach internationalem Recht als illegal gelten – fügte er hinzu, dass die Bevölkerung des Gazastreifens in ein winziges Gebiet im Süden des Gazastreifens eingepfercht werden wird. „Der Rest des Streifens wird leer sein“, fügte er laut The Times of Israel hinzu. „Die Bürger*innen des Gazastreifens werden im Süden konzentriert sein. Sie werden völlig verzweifelt sein, weil sie verstehen, dass es in Gaza keine Hoffnung mehr und nichts zu suchen gibt, und sie werden nach einer Umsiedlung suchen, um an anderen Orten ein neues Leben zu beginnen.“

The Independent wandte sich an das israelische Militär, das eine Stellungnahme ablehnte, und an das Büro von Benjamin Netanjahu, hat aber noch keine Antwort erhalten. (…)

„Brot gehört der Vergangenheit an“, berichtet Najia Abu al-Rus, eine 33-jährige, fünffach vertriebene Mutter aus der südlichen Stadt Rafah, die ihre Kinder nur noch mit Reis, Salz und Wasser ernähren kann. Sie beschreibt, wie ihr zuckerkranker Vater aufgrund des Nahrungsmangels immer wieder ins Koma fällt - und wie sie über Feuern kochen, die aus brennendem Plastik und alter Kleidung gemacht sind.

„Die Kinder sind benommen, und Hautkrankheiten haben sich durch die Anwesenheit von Insekten ausgebreitet. Wir wünschen uns nichts von der Welt, außer dass der Völkermord gestoppt wird. Wir wollen nichts anderes“, fügt sie hinzu.

Mustafa al-Duhdar, 30, ein freiwilliger Helfer, beschreibt die Situation in Gaza als „in jeder Hinsicht fruchterregend.“ Er berichtet, dass die Küche, in der er an der Umsetzung von Ernährungsmaßnahmen arbeitet, von bewaffneten Banden überfallen wurde, die versuchten, die Räumlichkeiten zu übernehmen und schließlich von den Mitarbeitern zurückgeschlagen wurden.

„Es mag einige hungrige Menschen gegeben haben, die aus extremem Hunger und Verzweiflung das Gebäude stürmten und nach irgendeiner Nahrung suchten, um ihren Hunger zu stillen“, sagt er und bittet die Welt um einen „einzigen Bissen Nahrung, um den Hunger zu stillen, einen Schluck sauberes Wasser, eine sichere Unterkunft. Auch wenn Sie das Massaker nicht verhindern können, machen Sie sich nicht zum Komplizen des Schweigens. Unsere Botschaft an die Welt ist: Wir bitten nicht um Luxus. Wir betteln nur noch ums Überleben.“ (…)



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