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Mehr als 7.000 Kinder unter fünf Jahren in Gaza mussten innerhalb von zwei Wochen wegen Unterernährung behandelt werden

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  • 9. Sept.
  • 4 Min. Lesezeit

Die Gesamtzahl für August könnte 15 000 neue Patient*innen überschreiten, mehr als das Siebenfache der Zahl vom Februar.


Von Jason Burke, The Guardian, 6. September 2025

(Originalbeitrag in englischer Sprache)

 

Zahlen zeigen, dass im vergangenen Monat innerhalb von nur zwei Wochen mehr als 7 000 Kinder unter fünf Jahren in von UNICEF betriebenen Kliniken in Gaza in Programme zur Behandlung akuter Unterernährung aufgenommen werden mussten. Die Gesamtzahl für August wird derzeit von UNICEF zusammengestellt, dürfte aber voraussichtlich 15 000 neue Patient*innen überschreiten, mehr als das Siebenfache der Gesamtzahl im Februar. Im vergangenen Monat wurde in Gaza-Stadt, im Norden des zerstörten Gebiets, eine Hungersnot ausgerufen, aber andere Städte weiter südlich „rücken schnell nach“, so Vertreter*innen von UNICEF.

„Vor Ort ist es glasklar, dass die Menschen hungern, dass sich in Gaza-Stadt eine Hungersnot ausbreitet und Deir al-Balah und Khan Younis [zwei Städte im Süden Gazas] nicht weit dahinter liegen”, sagte Tess Ingram, eine Sprecherin von UNICEF, die in den letzten Tagen in Gaza-Stadt war.

Ingram berichtet, sie habe dort beispielsweise mit einer unterernährten Mutter gesprochen, die ihr unterernährtes acht Monate altes Kind nicht stillen kann. „Sie und ihr Mann teilten sich täglich eine Tasse Reis. Die Lage ist schrecklich“, fügt Ingram hinzu.

Die Stadt Gaza, einst ein geschäftiges Handels- und Kulturzentrum, ist nun Ziel einer neuen israelischen Offensive. Die Vertreibung von schätzungsweise mehr als eine Million Einwohner*innen droht. Israelische Politiker*innen haben die Stadt als „Bastion“ der Hamas bezeichnet. Das israelische Militär hat den Palästinenser*innen befohlen, die Stadt vor dem Angriff in Richtung Süden zu verlassen, aber keinen Zeitplan für die Offensive genannt, die, wie zuvor angekündigt, nicht im Voraus bekannt gegeben werden soll.

Die Offensive droht Hunderttausende Palästinenser*innen zu vertreiben, die durch fast zwei Jahre Bombardierungen, Unterernährung und nun auch Hungersnot massiv geschwächt sind. Viele von ihnen wurden bereits zuvor vertrieben, viele sogar mehrfach, und einige Einwohner*innen von Gaza-Stadt haben erklärt, dass sie sich weigern werden, dies erneut mitzumachen.

Im Mai lockerte Israel die zweimonatige vollständige Blockade für Lieferungen nach Gaza, doch die Versorgung ist weiterhin unzureichend. UN-Organisationen bemühen sich, massive logistische Schwierigkeiten, anhaltende israelische Restriktionen und bürokratische Hindernisse zu überwinden, um eine kleine Anzahl von Gemeinschaftsküchen und Bäckereien zu versorgen, während private Lastwagen begrenzte Mengen an Reis, Zucker, Instantnudeln und anderen Trockenlebensmitteln transportieren. Frisches Gemüse ist rar und kostet bis zu 42 Euro pro Kilo, ein Preis, den sich nur die Allerwenigsten leisten können.

„Es ist immer dasselbe - eine Schüssel pro Tag aus der Gemeinschaftsküche, fast immer Linsen oder Reis, die unter der Familie aufgeteilt werden, wobei die Eltern darauf verzichten, damit die Kinder essen können. Keine Nährstoffe. Keine anderen Optionen - Hilfsgüter sind knapp und der Markt ist viel zu teuer“, berichtet Tess Ingram weiters.

Die Bewohner*innen berichten, dass sie vor einer „unmöglichen Entscheidung“ stehen: entweder in ihren provisorischen Unterkünften in Gaza-Stadt zu bleiben und zu hoffen, einen möglichen israelischen Angriff zu überleben, oder in die massiv überfüllten Küstengebiete zu fliehen, wo es kaum Platz und fast keine Versorgung mit Wasser oder medizinischer Hilfe gibt. Humanitäre Helfer*innen in al-Mawasi, dem von Israel für die Flüchtlinge aus Gaza-Stadt vorgesehenen Hauptküstengebiet, berichten, dass sich bereits Hunderttausende Vertriebene auf den Sanddünen und auf den Feldern zusammendrängen. Ein zeltgroßes Grundstück auf einem der wenigen noch freien Flächen kostet umgerechnet 300 Dollar pro Monat, für Neuankömmlinge ist kaum noch Platz.

„Die Wasserversorgung ist unzureichend, die Zelte und Unterkünfte sind sehr instabil, es gibt keine nennenswerte Müll- oder Abfallentsorgung, keinen Schatten und keinen Platz für weitere Menschen. Selbst jetzt ist es völlig ungeeignet für Menschen, dort zu leben“, so ein humanitärer Helfer in al-Mawasi.

Israelische Politiker*innen geben der UNO die Schuld dafür, dass sie keine Hilfsgüter verteilt, und behaupten wiederholt, die Hamas würde einen Großteil der Hilfe stehlen, obwohl ein interner Bericht der US-Regierung dies widerlegt. [Ebenso wie Aussagen der Europäischen Union und israelischer Generäle selbst, Anm.]

Im vergangenen Monat stellte die Integrated Food Security Phase Classification (IPC), eine weltweit anerkannte Organisation, die den Schweregrad von Ernährungsunsicherheit und Unterernährung einstuft, fest, dass in Gaza-Stadt drei wichtige Schwellenwerte für eine Hungersnot erreicht worden waren. Kinder gehören zu den am stärksten gefährdeten Gruppen. Von 2 000 im Februar stieg die Zahl der in UNICEF-Kliniken in Gaza registrierten unter fünfjährigen Kindern mit akuter Unterernährung auf 5 500 im Mai. Im Juli erreichte die Gesamtzahl mehr als 13 000. Die Zahl der von UNICEF untersuchten Kinder unter fünf Jahren stieg in diesem Zeitraum von 82 000 auf 144 000. Die Zahl der Krankenhauseinweisungen wegen schwerer akuter Unterernährung, die das Leben der Kinder unmittelbar bedroht, stieg von 20 im März auf 40 im Juli, lag damit jedoch unter dem Höchststand von mehr als 50 im Juni. Die Zahl der ambulanten Fälle stieg von 380 im März auf 2 846 im Juli, davon 1 248 in Gaza-Stadt.

Trotz Widerstands aus den Reihen der Armee hält Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu an der neuen Offensive fest. Zwischen den Forderungen Israels und denen der Hamas bestehen weiterhin große Differenzen, sodass ein Waffenstillstand derzeit unwahrscheinlich erscheint. Rechtsextreme Mitglieder der Regierungskoalition haben gedroht, Netanjahus Regierung zu stürzen, sollte Israel Zugeständnisse machen, um die rund 50 noch in Gaza festgehaltenen Geiseln zurückzuholen, von denen vermutlich weniger als 20 noch am Leben sind.

Am Freitag kündigte das israelische Militär in einer Erklärung an, dass es eine Reihe von Gebäuden ins Visier nehmen werde, die nachweislich von der Hamas genutzt werden, insbesondere hohe Gebäude.

„In den kommenden Tagen wird das [israelische Militär] Gebäude angreifen, die in Gaza-Stadt zu terroristischen Infrastrukturen umfunktioniert wurden: Kameras, Beobachtungskommandozentralen, Scharfschützen- und Panzerabwehrstellungen sowie Kommando- und Kontrollzentren“, heißt es in der Erklärung.

Letzte Woche gaben Politiker bekannt, dass Israel in den kommenden Tagen die Luftabwürfe über Gaza-Stadt einstellen und die Zahl der Hilfsgüter-Lkw, die im Norden ankommen, reduzieren werde, da die neue Offensive intensiviert wird und Vorbereitungen getroffen werden, um Hunderttausende Menschen in den Süden zu vertreiben.

Die UNO und ihre Partner haben erklärt, dass die Luftabwürfe und andere Maßnahmen bei weitem nicht ausreichen, um den täglichen Bedarf von 600 Lkw mit Hilfsgütern in Gaza zu decken.

Der aktuelle Krieg begann nach einem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023, bei dem 1.200 Menschen, überwiegend Zivilist*innen, getötet und 250 entführt wurden. Die darauf folgende israelische Offensive hat mehr als 63 000 Menschen, überwiegend Zivilist*innen, getötet und einen Großteil des Gazastreifens zerstört.

ree

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