Neuer Bericht „Starving a Generation" von DCI und Doctors Against Genocide: Israel setzt Hunger als Mittel des Völkermords ein
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- 21. Juli
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Die Organisation Defense for Children International - Palestine (DCIP) hat in Zusammenarbeit mit der Organisation Doctors Against Genocide einen Bericht veröffentlicht, in dem aufgezeigt wird, dass die israelischen Behörden vorsätzlich den Hunger als Methode des Völkermords einsetzen, was zum vermeidbaren Tod und zum Leid von palästinensischen Kindern im Gazastreifen geführt hat und negative Auswirkungen für kommende Generationen haben wird.
DCI Palestine und Doctors Against Genocide, 24. Juni 2025
(Vollständiger Bericht in englischer Sprache und dazugehörendem Bildmaterial: )
„Starving a Generation: Israels Hungerkampagne gegen palästinensische Kinder im Gazastreifen" dokumentiert 33 Fälle von hungernden Kindern, die von DCIP-Mitarbeiter*innen im Gazastreifen zwischen dem 7. Oktober 2023 und dem 21. Mai 2025 gesammelt wurden.
In neun dieser Fälle starben die Kinder. Diese Kinder, die alle an Unterernährung starben, waren zwischen einer Woche und zehn Jahren alt. Drei Beispiele dazu aus dem Bericht (Seite 12):
„Ich wurde zusammen mit meinem Mann und meinem einzigen Sohn Anwar in das Al-Shifa-Krankenhaus verlegt. Wegen der Belagerung durch die Armee gab es keine Muttermilch, und hatte ich keine Milch in den Brüsten, weil es an Nahrung fehlte und die Einfuhr von Hilfsgütern blockiert wurde. Mein Sohn weinte die ganze Nacht vor Hunger. Seine Temperatur stieg an und er bekam Krämpfe als Folge davon. Er verstarb vier Tage später.“
Die Mutter von Anwar Mustafa Al-Khudari, er starb am 14. Februar 2024. Er wurde drei Monate alt.
„Mein Sohn Musab war mein erstes Kind. Im Kindergarten war er intelligent und aufgeweckt. Alle seine Lehrer*innen lobten ihn. Er war gesellig und spielte mit seinen Klassenkameraden. Er fuhr gern mit dem Fahrrad. Er liebte Erdbeeren und Bananen.“
Die Mutter von Musab Salem Abu Asr, er starb am 11. Februar 2024. Er wurde vier Jahre alt.
„Sahar konnte nicht gestillt werden, weil es im gesamten nördlichen Gazastreifen keine Nahrung gab - und es gab auch keine Babynahrung. Sie war dehydriert, also brachte ich sie ins Kamal Adwan Krankenhaus und sie wurde auf die Intensivstation gebracht, wo sie zehn Tage lang an der Beatmungsmaschine hing, bis sie starb. Ich hatte noch nicht einmal eine Geburtsurkunde für sie bekommen.“
Der Vater von Sahar Tawfiq Al-Zabda, sie starb am 28. Februar 2024. Sie wurde einen Monat alt.
Von den anderen 24 Fällen, die dokumentieren, dass die Kinder immer noch an den Folgen des Hungers leiden, sind 14 unter einem Jahr alt, fünf sind Kleinkinder und fünf sind im Schulalter. Fünf der Kinder leiden an chronischen Krankheiten. Diese Fälle stellen nur einen kleinen Teil der tatsächlichen Zahl dar, da Israels fortgesetzte Bombardierung, Belagerung und Behinderung der Hilfe eine umfassende Dokumentation unmöglich gemacht haben.
„Die Welt hat seit den Anfängen des israelischen Völkermordes in Gaza in Echtzeit zugesehen, wie palästinensische Kinder verhungern, und sich geweigert, etwas zu unternehmen, um ihr Leben zu retten“, so Miranda Cleland, Advocacy Officer bei DCIP und eine der Autorinnen des Berichts. „Dieser Bericht enthält 33 Fälle von Kindern, deren Leben durch den Hunger für immer verändert sein wird – oder beendet wurde. Der Hunger, der heute im Gazastreifen herrscht, wird über Generationen hinweg bleibende, katastrophale Auswirkungen auf palästinensische Kinder und Familien haben."
„Es könnte nicht deutlicher sein: Israel beabsichtigt, die Palästinenser*innen auszuhungern, um sie zu vertreiben und zu vernichten", sagt Kathryn Ravey, Advocacy Officer bei DCIP. „Israel bricht alle Regeln, die zur Verhinderung und Bestrafung von Völkermord aufgestellt wurden, und die internationale Gemeinschaft lässt dies nicht nur zu, sondern profitiert aktiv von Israels Völkermord, sowohl durch den Verkauf von Waffen als auch durch die fortgesetzte Erleichterung des Handels und des diplomatischen Schutzes.“
Die Organisation Doctors against Genocide hat einen umfassenden Abschnitt über die verheerenden medizinischen, entwicklungsbezogenen und psychologischen Folgen des Hungers bei Kindern verfasst. Sie warnen vor den langfristigen und oft irreversiblen Folgen wie Wachstumsverzögerungen, neurologischen Schäden, geschwächtem Immunsystem und dauerhaften kognitiven Beeinträchtigungen:
„In kognitiver Hinsicht beeinträchtigt akuter Hunger die Aufmerksamkeit, das Gedächtnis und die psychomotorischen Funktionen, insbesondere bei Kindern. Verhaltenssymptome wie Reizbarkeit und Apathie sind häufig, und Kinder werden schnell träge und teilnahmslos (nicht ansprechbar). Säuglinge und Kleinkinder, vor allem solche, die sehr dünn („verschwindend“) sind, haben manchmal geschwollene Körper aufgrund von Kwashiorkor (eine potentiell tödliche Form eines Protein-Energie-Mangelsyndroms, die vorwiegend Säuglinge und Kleinkinder betrifft) oder sind kleiner als normal für ihr Alter („verkümmert“).
Die langfristigen Auswirkungen von Unterernährung im Kindesalter sind tiefgreifend und oft irreversibel (Suryawan et al.,2022). Mangelernährung in der frühen Kindheit, insbesondere während der kritischen ersten 1 000 Tage von der Empfängnis bis zum Alter von zwei Jahren, kann zu dauerhafter Verkümmerung und beeinträchtigtem Wachstum führen, das auch mit einer späteren Ernährungsrehabilitation nur teilweise aufgeholt werden kann. Die Folgen für die neurologische Entwicklung sind besonders schwerwiegend: Kinder, die früh unter Mangelernährung leiden, weisen häufig niedrigere IQ-Werte, schlechte schulische Leistungen und anhaltende Verhaltensstörungen auf.
Diese Leistungsdefizite und anhaltenden Verhaltensauffälligkeiten sind häufig mit Veränderungen der Gehirnstruktur und -funktion verbunden, die durch bildgebende Verfahren und kognitive Tests dokumentiert wurden. Dazu gehören ein verringertes Hirnvolumen, eine beeinträchtigte neuronale Konnektivität und eine abnorme Myelinisierung (Entwicklung der Nervenzellen).
Frühe Fehlernährung kann langfristige epigenetische Veränderungen verursachen, die die Entwicklung von Genen beeinträchtigen, die für Aufmerksamkeit, Lernen und Handlungsfähigkeiten wichtig sind. Die Auswirkungen dieser Defizite gehen über den Einzelnen hinaus und tragen zu einer geringeren wirtschaftlichen Produktivität, einer höheren Belastung des Gesundheitswesens und der Fortsetzung des generationenübergreifenden Armutskreislaufs bei.“ (Bericht Seite 19)
„Schauen Sie sich die leeren Augen des Kindes an“, sagt Dr. Ahmed Al-Faraa, Leiter der Kinderheilkunde am Nasser-Krankenhaus in Khan Younis, wo viele der in dem Bericht genannten Kinder behandelt werden, in einem Interview mit Doctors Against Genocide über den zweijährigen Amro, einen Patienten mit schwerer akuter Unterernährung. „In diesen Augen sehen Sie viele Fragen: Wo ist meine Mutter? Wo ist mein Vater? Welches Verbrechen habe ich begangen, um so bestraft zu werden? Kinder wie Amro können nicht weinen. Das Personal, das sich um Kinder wie ihn kümmert, weint aufgrund der Traurigkeit, die sie für ihn empfinden."
In dem Bericht wird festgestellt, dass israelische Streitkräfte und Politiker systematisch und absichtlich Nahrungsmittelproduktions- und -verteilungssysteme angegriffen, humanitäre Konvois attackiert und die Einreise von Hilfsgütern in den Gazastreifen blockiert haben. Der Bericht dokumentiert auch den Tod von Kindern in Gebieten wie dem nördlichen Gazastreifen, die völlig von Hilfsgütern und Lieferungen abgeschnitten waren. Familien berichten, dass sie ihre Kinder nicht ernähren konnten, da die Mütter selbst zu unterernährt waren, um zu stillen, und keine Säuglingsnahrung zur Verfügung stand.
Die wichtigsten Ergebnisse des Berichts lauten wie folgt:
Eine Hungersnot herrscht im Gazastreifen mindestens seit Anfang 2024, als die ersten palästinensischen Kinder aufgrund der israelischen Abriegelung des nördlichen Gazastreifens verhungerten.
Das Verhungernlassen von Kindern ist ein Schlüsselmechanismus in Israels Genozid, von Beginn an waren bestehende und zukünftige Generationen von palästinensischen Kindern und Familien im Visier.
Die Weigerung der internationalen Gemeinschaft, die Hungersnot auszurufen, die völkermörderischen Absichten der israelischen Behörden anzuerkennen und Israels Belagerung zu beenden, hat den Weg für das Verhungern weiterer Kinder geebnet.
Palästinensische Neugeborene, Säuglinge und chronisch kranke Kinder sind am stärksten von den Folgen der Unterernährung und Dehydrierung bedroht.
Die Hungersnot, die jetzt in Gaza herrscht, wird sich auf Generationen von palästinensischen Kindern und Familien negativ auswirken.
Die Beweise für die Absicht der israelischen Behörden, die Palästinenser*innen im Gazastreifen auszuhungern, wurden seit den Angriffen vom 7. Oktober 2023 von den israelischen Behörden selbst klar artikuliert. Seitdem hat die israelische Politik ihren Worten Taten folgen lassen und den Palästinenser*innen in Gaza den Zugang zu Lebensmitteln, Wasser, Strom, Treibstoff, Medikamenten, humanitärer Hilfe und anderen Gütern und Dienstleistungen verweigert.
Diese Politik, die von unerbittlichen Luft- und Bodenangriffen begleitet wird, ist eine vorsätzliche Verletzung des internationalen Rechts und findet vor den Augen der Weltöffentlichkeit statt.
Die führenden Politiker*innen der Welt haben es versäumt, sinnvolle Maßnahmen zu ergreifen, um palästinensische Kinder und Familien vor dem Verhungern in der von den israelischen Behörden verursachten Hungersnot zu schützen.
Jeder Augenblick, in dem dieses Versäumnis fortbesteht, wird eine ganze Generation palästinensischer Kinder für die kommenden Jahre beeinträchtigen. Die Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit der Kinder sowie auf ihre Entwicklung werden noch jahrzehntelang zu spüren sein. Die Folgen dieser bewusst herbeigeführten Hungersnot für die palästinensische Gesellschaft in Gaza sind bereits jetzt unumkehrbar.
Die rechtliche Analyse im Bericht kommt zu dem Schluss, dass Israels Aushungerungspolitik Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord darstellt.




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