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UN-Untersuchungskommission: Israel begeht einen Völkermord in Gaza

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  • 19. Sept.
  • 20 Min. Lesezeit

Die unabhängige internationale Untersuchungskommission der Vereinten Nationen (COI) veröffentlichte am Dienstag (16. September 2025) einen 72-seitigen Bericht mit dem Titel „Legal analysis of the conduct of Israel in Gaza pursuant to the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocid“, und stellt darin eindeutig fest, dass „in Gaza Völkermord stattfandt und weiterhin stattfindet.“


Die UN-Untersuchungskommission reiht sich damit in die immer länger werdende Liste von angesehenen Organisationen (Amnesty International, Human Rights Watch, Save the Children, Ärzte ihne Grenzen, Lemkin Institute for Genocide Studies, International Association of Genocide Scholars, B’tselem, Physicians for Human Rights–Israel) und international renommierten Genozid-Expert*innen ein, die zum selben Urteil gekommen ist.


„Die Kommission kommt zum Schluss, dass die Absicht eines Völkermords die einzige vernünftige Schlussfolgerung ist, die aus der Gesamtheit der Beweise gezogen werden kann. (…) Wenn eindeutige Anzeichen und Beweise für Völkermord vorliegen, kommt das Unterlassen von Maßnahmen zu dessen Beendigung einer Mittäterschaft gleich“, so die COI-Vorsitzende Navi Pillay. „Alle Staaten sind daher gesetzlich verpflichtet, alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um den Völkermord in Gaza zu beenden.“


Die COI, die 2021 von den Vereinten Nationen eingerichtet wurde und aus drei unabhängigen Expert*innen besteht, führte als Begründung für ihre Feststellung die Tötung von Zivilist*innen und Kindern im Rahmen einer „Militärstrategie der verbrannten Erde“, Hunger und Todesfälle aufgrund von Beschränkungen bei der Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten, Misshandlung von Häftlingen, Zwangsumsiedlungen und die physische Zerstörung eines Großteils des Gebiets an.


Die COI beschuldigte auch Benjamin Netanjahu, Israels Premierminister, der vom Internationalen Strafgerichtshof wegen Kriegsverbrechen angeklagt wurde, und andere hochrangige israelische Politiker der Anstiftung zum Völkermord und erklärte, es gebe eindeutige Beweise für ihre Völkermordabsicht, eine wichtige rechtliche Voraussetzung.

Unter Berufung auf Interviews mit Opfern, Zeug*innen und Ärzt*innen, Berichte von Medien und NGOs sowie Satellitenbildanalysen, die seit Kriegsbeginn zusammengestellt wurden, kam COI zu dem Schluss, dass die israelischen Behörden und Streitkräfte seit Oktober 2023 „vier der fünf Völkermordhandlungen“ begangen haben, die in der Völkermordkonvention von 1948 aufgeführt sind. 

Diese sind

  • I. die Tötung von Mitgliedern der Gruppe

  • II. die Zufügung schwerer körperlicher oder seelischer Schäden an Mitgliedern der Gruppe

  • III. das vorsätzliche Auferlegen von Lebensbedingungen für die Gruppe, die auf ihre vollständige oder teilweise physische Zerstörung abzielen; und

  • IV. das Ergreifen von Maßnahmen, die auf die Verhinderung von Geburten innerhalb der Gruppe abzielen.


„Zum jetzigen Zeitpunkt“, so der Bericht, „liegen der Kommission keine Beweise in Bezug auf die fünfte Kategorie vor, nämlich die Zwangsverschleppung von Kindern.“

 



Auszüge aus dem Bericht:

 


„In Bezug auf die gezielten Angriffe auf Palästinenser*innen entlang der Evakuierungsrouten

und in Sicherheitszonen musste die Kommission feststellen, dass Palästinenser*innen, darunter Frauen

und Kinder, direkt angegriffen und getötet wurden, selbst wenn in der Umgebung keine Feindseligkeiten stattfanden und sie alleine waren. Ein solcher Vorfall ereignete sich beispielsweise am 13. Oktober 2023 in der Salah-Al-Din-Straße in Gaza-Stadt, wo ein Evakuierungskonvoi von Fahrzeugen, der in Richtung Süden unterwegs war, in der Nähe der Esleem-Tankstelle von mehreren Geschossen getroffen wurde . Der Angriff richtete sich nicht nur gegen vorbeifahrende zivile Fahrzeuge, sondern auch gegen deutlich gekennzeichnete Ersthelfer und medizinische Teams, die am Ort des Geschehens eintrafen. Ein Augenzeuge berichtete, dass sich etwa 200 Personen, überwiegend Frauen und Kinder, mit ihm auf demselben Lastwagen in der Nähe des Explosionsortes befanden. Er beschrieb, wie nachfolgende Explosionen zahlreiche zivile Opfer forderten. Als Rettungskräfte eintrafen und mit der Versorgung der Verletzten begannen, kam es zu einem weiteren Angriff.“ (Seite 9)

 


„In allen von der Kommission untersuchten Fällen im Zusammenhang mit den Angriffen entlang der

Evakuierungsrouten und innerhalb der ausgewiesenen Sicherheitszonen stellte die Kommission fest, dass die israelischen Sicherheitskräfte eindeutig Kenntnis von der Anwesenheit palästinensischer Zivilist*innen entlang der Evakuierungsrouten und innerhalb der Sicherheitszonen hatten, dennoch aber auf Zivilist*innen schossen und diese töteten, von denen einige (darunter auch Kinder) provisorische

weiße Fahnen hochhielten. Einige Kinder, darunter Kleinkinder, wurden von Scharfschützen in den Kopf geschossen.“ (Seite 10)

 


„Die Kommission befragte einen Geburtshelfer, der über den Tod von schwangeren Patientinnen berichtete, die er behandelt hatte und die er als „indirekte Kriegsopfer“ bezeichnete. Mehrere dieser Todesfälle waren auf den Mangel an geeigneten Medikamenten und Behandlungen zurückzuführen. In einem Fall starb eine schwangere Frau Anfang 30 im Al-Emirati-Krankenhaus in Rafah an einer Infektion (Sepsis) nach einem komplizierten Kaiserschnitt. Der Geburtshelfer berichtete auch von einer anderen schwangeren Frau, die er im Europäischen Krankenhaus behandelt hatte; die Frau, die an Diabetes litt, starb aufgrund fehlender angemessener Medikamente und Behandlung.“ (Seite 10)

 


„Ein Notarzt in Gaza berichtete der Kommission, dass der Nasser Medical Complex zahlreiche Opfer aus einer GHF-Verteilungsstelle in Rafah aufgenommen habe. Dem Arzt zufolge litten die Opfer, darunter auch Kinder, aus der GHF-Verteilungsstelle unter Schuss-, Splitter- und Quadcopter-Verletzungen. Er berichtete der Kommission, dass unter den kindlichen Opfern ein eineinhalbjähriges Mädchen war, das einen einzigen Schuss in die Brust erlitten hatte, während es in den Armen seiner Mutter lag, und an einem anderen Tag ein 13-jähriges Mädchen, das ebenfalls in die Brust geschossen worden war. Ein weiterer Arzt, der ebenfalls im Nasser Medical Complex tätig war, berichtete der Kommission, dass er viele Kinderopfer aus zwei GHF-Verteilungsstellen aufgenommen habe, die alle Schussverletzungen erlitten hatten.“ (Seite 10)

 


„Die Tötungen fanden sogar während der Waffenruhe statt, entgegen den Bedingungen des Waffenstillstands und ohne Vorwarnung. So startete Israel beispielsweise am 18. März 2025 gegen 02:30 Uhr morgens, als das Waffenstillstandsabkommen noch in Kraft war, eine Reihe von Luftangriffen auf den gesamten Gazastreifen (Nord-Gaza, Gaza-Stadt, Deir el-Balah, Khan Yunis, Al-Mawasi und Rafah) ohne vorherige Warnung, bei denen bis zum Mittag mehr als 404 Palästinenser*innen getötet und mehr als 562 verletzt wurden. Mehr als die Hälfte der Getöteten waren Kinder und Frauen: mindestens 170 Kinder und 80 Frauen.“ (Seite 11)

 


“Medizinische Fachkräfte berichteten der Kommission, dass sie Kinder mit direkten Schuss- und Scharfschützenverletzungen behandelt hätten, was darauf hindeute, dass die israelischen Soldaten während ihrer Militäroperationen in Gaza gezielt Kinder ins Visier genommen haben. Laut UNICEF mussten bis Ende November 2023 rund 1 000 Kindern ein oder mehrere Gliedmaßen amputiert werden. Einige dieser Amputationen wurden ohne Betäubung durchgeführt. (…) Save the Children berichtet, dass der Einsatz explosiver Waffen in Gaza im Jahr 2024 durchschnittlich 475 Kinder pro Monat zu lebenslangen Behinderungen, darunter schwer verletzte Gliedmaßen und Beeinträchtigungen, führte. Ein Arzt im Gazastreifen berichtete der Kommission, dass seit Beginn der Feindseligkeiten fünfzig Prozent der Patient*innen auf seiner Operationsliste Kinder waren. Er beschrieb die langfristigen Auswirkungen der Verletzungen auf Kinder und erklärte, dass ein Kind mit einer Amputation bis zum Erreichen des Erwachsenenalters zwischen acht und zwölf Operationen benötige, um sein Wachstum zu ermöglichen.“ (Seite 18)

 


„Die Kommission hat die Zerstörung der Al Basma-Klinik für In-vitro-Fertilisation („IVF“) im Dezember 2023 untersucht. Rund 4 000 Embryonen und 1 000 Spermaproben und unbefruchteten Eizellen waren in der Klinik gelagert. Eine Fachärztin für Reproduktionsmedizin sagte vor der Kommission über die Auswirkungen auf Frauen und Männer aus, die bei dem Angriff auf die IVF-Klinik Reproduktionsmaterial wie Eizellen, Sperma oder Embryonen verloren haben. Nach Ansicht der Expertin ist die IVF ein komplexer und körperlich anstrengender Prozess, der in der Regel viel Zeit in Anspruch nimmt. In Bezug auf die kurzfristigen Auswirkungen war der Verlust von Fortpflanzungsgewebe schwerwiegend, da viele Patient*innen in der Regel mehrere Jahre lang versucht hatten, schwanger zu werden, bevor sie einen Fertilitätsarzt aufsuchten, und viele alles geopfert hätten, um ihre Behandlung zu finanzieren.“ (Seite 19)

 


„Die Kommission hat einen Zeugen befragt, der gesehen hat, wie Palästinenser*innen während der Evakuierungen von ihren Familien getrennt und hinter einen Hügel gebracht wurden. Dem Zeugen zufolge gaben die Soldaten dann außerhalb der Sichtweite der Familienangehörigen Schüsse ab, sodass diese glaubten, die Opfer seien hingerichtet worden, was ihnen großes Leid bereitete. Darüber hinaus teilte ein Zeuge der Kommission mit, dass viele Opfer schwer traumatisiert waren, als die israelischen Sicherheitskräfte in der Luft um die Evakuierten herum schossen, sodass diese befürchteten, getötet zu werden.“ (Seite 20)

 


„Die Kommission hat Informationen über weit verbreitete und institutionalisierte Misshandlungen von Häftlingen aus Gaza, darunter auch Kinder, im Militärgefängnis Sde Teiman erhalten und überprüft, wo seit dem 8. Oktober 2023 alle Häftlinge aus Gaza zunächst festgehalten wurden. Die Häftlinge wurden von israelischen Sicherheitskräften ständig mit verbundenen Augen und Handschellen gefesselt, in großen und überfüllten Behelfszellen eingesperrt, tagelang nackt oder fast nackt gehalten und gezwungen, stundenlang in Stresspositionen zu knien, während ihnen gleichzeitig das Sprechen verboten wurde. Ihnen wurde der angemessene Zugang zu Toiletten und Duschen verwehrt, und viele wurden gezwungen, Windeln zu tragen. Sie wurden geschlagen, unter anderem mit Schlagstöcken und Holzstöcken, selbst wenn sie bewegungsunfähig waren, sie wurden bedroht und von Hunden angegriffen. Viele Häftlinge wurden stundenlang mit verbundenen Augen an einer hoch an der Wand angebrachten Schraube festgebunden und hingen so, dass ihre Füße den Boden kaum oder gar nicht berührten („Shabah“). In einem Fall wurde ein Häftling fünf bis sechs Stunden lang in dieser Position belassen, während die Verhörenden ihn wiederholt extremen Temperaturschwankungen aussetzten, indem sie abwechselnd einen starken Ventilator und eine Wärmelampe einsetzten. Der Kommission liegen auch Berichte über den Einsatz von Elektroschockgeräten gegen Häftlinge vor.“ (Seite 21)

 


„Die Kommission kam in einem früheren Bericht zu dem Schluss, dass die israelischen Sicherheitskräfte inhaftierte Kinder schwer misshandelt und ihnen schwere körperliche Verletzungen und seelisches Leid zugefügt haben. Inhaftierte Kinder waren während ihrer Festnahme, Inhaftierung, Vernehmung und Freilassung extremer Gewalt ausgesetzt gewesen. In Sde Teiman wurden Kinder zusammen mit Erwachsenen festgehalten und ähnlichen Misshandlungen ausgesetzt. Ein 15-jähriger Junge, der in der Einrichtung in Sde Teiman inhaftiert war, berichtete der Kommission, dass seine Beine mit Metallketten gefesselt und seine Hände so fest mit Handschellen gefesselt worden waren, dass sie bluteten, er jedoch keine medizinische Versorgung erhielt. Er wurde wiederholt bestraft, indem er gezwungen wurde, stundenlang mit erhobenen Händen zu stehen. Er beschrieb seine 23 Tage in Haft als „die schlimmsten Tage meines Lebens“. Ein 13-jähriger Junge berichtete der Kommission, dass während der Verhöre Hunde gegen ihn eingesetzt worden seien und er in Einzelhaft gesteckt worden sei. Anzumerken ist, dass freigelassene Kinder Anzeichen schwerer körperlicher Verletzungen, extremer psychischer Belastung und Traumata aufweisen.“ (Seite 21)

 


„Die Kommission dokumentierte mehr als 20 Fälle sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt gegen männliche und weibliche Häftlinge in mehr als zehn Einrichtungen des Militärs und des israelischen Strafvollzugsdienstes. Sexuelle Gewalt wurde vom Zeitpunkt der Festnahme an und während der gesamten Haft, einschließlich während Verhören und Durchsuchungen, als Mittel der Bestrafung und Einschüchterung eingesetzt. Mehrere männliche Häftlinge berichteten, dass Angehörige der israelischen Sicherheitskräfte ihre Genitalien geschlagen, getreten, gezogen oder gequetscht hätten, oft während die Häftlinge nackt waren. Ein Häftling gab an, dass er gezwungen worden sei, sich auszuziehen und die israelische Flagge zu küssen. Als er sich weigerte, wurde er geschlagen und seine Genitalien so heftig getreten, dass er sich übergeben musste und das Bewusstsein verlor. Die Kommission erhielt außerdem glaubwürdige Informationen über zahlreiche Fälle von Vergewaltigung und sexuellen Übergriffen, darunter die Verwendung einer elektrischen Sonde, um Verbrennungen am Anus zu verursachen, und das Einführen von Gegenständen wie Stöcken, Besenstielen und Gemüse in den Anus von Häftlingen.“ (Seite 22)

 


„Die Kommission stellt fest, dass weibliche Häftlinge in Einrichtungen des Militärs und des israelischen Strafvollzugsdienstes sexuellen Übergriffen und Belästigungen sowie Morddrohungen und Vergewaltigungsdrohungen ausgesetzt waren. Die sexuellen Belästigungen umfassten Versuche, sie zu küssen und ihre Brüste zu berühren. Sie berichteten von wiederholten, langwierigen und invasiven Leibesvisitationen sowohl vor als auch nach Verhören. Frauen wurden geschlagen und belästigt und mussten sich sexuelle Beleidigungen anhören. Weibliche Häftlinge wurden ohne ihre Zustimmung und unter erniedrigenden Umständen fotografiert, unter anderem in Unterwäsche vor männlichen Soldaten, und diese Fotos wurden oft in sozialen Medien veröffentlicht.“ (Seite 22)

 


„Die Kommission hat in einem früheren Bericht ebenfalls festgestellt, dass die israelischen Sicherheitskräfte absichtlich und systematisch Einrichtungen für reproduktive und mütterliche Gesundheit in ganz Gaza angegriffen und zerstört haben, darunter Entbindungskliniken und Entbindungsstationen von Krankenhäusern. Die direkten Angriffe auf die reproduktive und mütterliche Gesundheit in Gaza haben zu Todesfällen geführt und palästinensischen Frauen und Mädchen schwere körperliche und seelische Schäden zugefügt.“ (Seite 22)

 


„Insbesondere palästinensische Frauen wurden von israelischen Soldaten auch sexuell belästigt und öffentlich bloßgestellt. So wurden beispielsweise einige palästinensische Frauen gezwungen, sich in der Öffentlichkeit und vor der Gemeinschaft bis auf ihre Unterwäsche auszuziehen und ihren Schleier abzunehmen. Die Kommission hat festgestellt, dass die israelischen Sicherheitskräfte palästinensische Frauen aufgrund ihres Geschlechts und ihrer ethnischen Zugehörigkeit bewusst gedemütigt und verspottet haben. Die von der Kommission analysierten Beweise zeigten eine klare geschlechtsspezifische und rassistische Voreingenommenheit der Täter, die absichtlich palästinensische Frauen ins Visier nehmen und versuchen, sie öffentlich zu demütigen und zu erniedrigen. Darüber hinaus sind sexuelle Belästigung und öffentliche Demütigung von Frauen aus Sicht der palästinensischen Kultur potenziell äußerst schädlich und haben schwerwiegende Folgen für die Frauen, deren Intimsphäre öffentlich bloßgestellt wird. Darüber hinaus wurden palästinensische weibliche Häftlinge während ihrer Haft schwer misshandelt und gedemütigt. Die Kommission hat berichtet, dass weibliche Häftlinge vor und nach den Verhören wiederholt langwierigen und invasiven Leibesvisitationen unterzogen wurden. Eine Frau wurde während ihrer viertägigen Haft alle drei Stunden in ihrer Zelle einer Leibesvisitation unterzogen, wobei die Wärter sie zwangen, alle ihre Kleider auszuziehen, obwohl sie ihre Menstruation hatte. Die Frauen wurden gezwungen, sich vor männlichen und weiblichen Soldaten vollständig zu entkleiden, einschließlich ihres Schleiers. Sie wurden geschlagen und belästigt, während sie als „hässlich“ beschimpft und mit sexuellen Beleidigungen wie „Schlampe“ und „Hure“ beschimpft wurden.“ (Seite 22-23)

 


„Zwar gilt die Zwangsumsiedlung an sich nicht als Völkermord, doch hat sie den Palästinenser*innen im Gazastreifen, die ihre Häuser verloren haben und gezwungen sind, unter unmenschlichen Bedingungen zu leben, schweren und irreparablen körperlichen und seelischen Schaden zugefügt. Ebenso hebt die Kommission die vorsätzliche Zerstörung der Umwelt in Gaza durch die israelischen Sicherheitskräfte im Rahmen ihrer Militäroperationen hervor, die die Gesundheit der Atemwege der Palästinenser*innen in Gaza beeinträchtigt und das Risiko langfristiger Gesundheitsprobleme wie Lungenkrebs aufgrund der Kontamination durch die Trümmer der großflächigen Zerstörung von Gebäuden und anderen Strukturen in Gaza erhöht hat.“ (Seite 24)

 


„Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass Palästinenser*innen, die durch die Militäroperationen der israelischen Armee körperlich und seelisch geschädigt wurden, weiterhin unter so schwerwiegenden Langzeitschäden leiden werden, dass sie kein normales und konstruktives Leben mehr führen können. In Bezug auf palästinensische Kinder erklärte UNICEF beispielsweise im Juni 2024, dass „fast alle 1,2 Millionen Kinder in Gaza psychologische und psychosoziale Unterstützung benötigen“, insbesondere diejenigen, die wiederholt traumatischen Ereignissen ausgesetzt waren, verstümmelt wurden, Eltern und nahe Familienangehörige verloren haben, sowie Kinder mit Behinderungen. Laut einem im November 2024 von War Child veröffentlichten Bericht gab fast die Hälfte der 504 befragten Betreuungspersonen an, dass ihre Kinder glauben, sie würden während des aktuellen Krieges sterben, und andere Kinder haben den Wunsch geäußert, sterben zu wollen.“ (Seite 25)

 


„Die Kommission hat Fotos und Videos geprüft, die die weitreichende Zerstörung von Wohnkomplexen und ganzen Stadtvierteln im Gazastreifen zeigen, darunter landwirtschaftliche Flächen, öffentliche Einrichtungen, religiöse und kulturelle Stätten, Schulen, Universitäten und Krankenhäuser. Viele dieser Orte wurden durch Luftangriffe sowie Panzer- und Artilleriegeschosse beschädigt oder zerstört. Einige wurden durch Bulldozer oder kontrollierte Sprengungen zerstört, wodurch diese Gebiete unbewohnbar wurden.“ (Seite 27)

 


„Die Kommission stellt fest, dass die beispiellose Bombardierungskampagne der israelischen Armee den nördlichen Teil des Gazastreifens und Khan Yunis im Süden praktisch unbewohnbar gemacht hat. Zwischen Oktober 2023 und April 2025 entstanden fast siebzig Prozent der gesamten strukturellen Schäden im Gazastreifen in den Gouvernements Gaza-Stadt, Khan Yunis und Nord-Gaza. Im April 2025 schätzte UNOSAT die Gesamtzahl der beschädigten Wohneinheiten im Gazastreifen auf 258 201, wobei die Provinz Gaza-Stadt mit insgesamt 46 964 zerstörten Gebäuden die höchste Zahl verzeichnete, davon allein 37 169 in Gaza-Stadt. Laut einer Analyse von Satellitenbildern vom Mai 2025 identifizierte UNOSAT 70 436 zerstörte Gebäude und 18 588 schwer beschädigte Gebäude in Gaza, bei insgesamt 174 486 beschädigten Gebäuden.“ (Seite 27-28)

 


„Vor dem 7. Oktober 2023 stammten die meisten landwirtschaftlichen Erzeugnisse aus dem Gazastreifen selbst. Seit dem 7. Oktober 2023 ist dies aufgrund der weitreichenden Zerstörung landwirtschaftlicher Flächen und der Beschränkungen für den Zugang zu den Feldern zum Zwecke der Ernte, Lieferung und des Transports aufgrund von Treibstoffmangel und der zerstörten Infrastruktur, einschließlich der Straßen, sowie aufgrund des anhaltenden Konflikts nicht mehr möglich. Darüber hinaus wurde die Eignung der meisten dieser Gebiete für die Landwirtschaft durch das Vorhandensein von Blindgängern beeinträchtigt. Die Schäden an landwirtschaftlichen Flächen im gesamten Gazastreifen, insbesondere im Norden Gazas, stellen eine erhebliche langfristige Bedrohung für die Nahrungsmittelproduktion und die gesamte Nahrungsmittelversorgungskette dar. Sie haben bereits die Produktion wichtiger Nutzpflanzen beeinträchtigt, den Bauern ihre Lebensgrundlage genommen und die schwere Nahrungsmittelkrise beschleunigt, die zu einer Hungersnot geführt hat. Darüber hinaus ist die Fischerei stark beeinträchtigt, da die Nahrungsmittelproduktion nun unmöglich ist und viele Familien aufgrund der Zerstörung von Fischerbooten und der von den israelischen Sicherheitskräften verhängten Bewegungsbeschränkungen, die das Verlassen der Küste des Gazastreifens verhindern, ihre Lebensgrundlage verloren haben. Die Kommission hat in einem früheren Bericht festgestellt, dass es für die Palästinenser im Gazastreifen schwierig sein wird, wieder ein nennenswertes Maß an Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln zu erreichen, selbst wenn die Feindseligkeiten aufhören.“ (Seite 28)

 


„Mit Stand vom 27. Mai 2025 hat die UNESCO Schäden an 110 kulturellen und religiösen Stätten in Gaza seit dem 7. Oktober 2023 bestätigt: 13 religiöse Stätten, 77 Gebäude von historischem und/oder künstlerischem Interesse, drei Depots für bewegliche Kulturgüter, neun Denkmäler, ein Museum und sieben archäologische Stätten. Die Weltbank schätzte im Februar 2025, dass 53 Prozent der Kulturerbestätten in Gaza beschädigt oder zerstört wurden. Dazu gehörten einige der wichtigsten kulturellen und religiösen Sehenswürdigkeiten Gazas, wie der Hafen von Anthedon, der römische Friedhof in Gaza-Stadt, das Al-Pascha-Palastmuseum, das antike Samariter-Badehaus und die Große Omari-Moschee. Laut einer Untersuchung von Bellingcat und Scripps News waren bis März 2024 über 150 Kultur- und Religionsstätten beschädigt oder zerstört worden, darunter 100 Moscheen und 21 Friedhöfe, wobei anzumerken ist, dass einige der Stätten gezielt angegriffen worden waren.“ (Seite 28)

 


„In Bezug auf Bildungseinrichtungen in Gaza wurden zwischen dem 7. Oktober 2023 und Dezember 2024 insgesamt 396 von 564 Schulgebäuden direkt getroffen und beschädigt. Davon wurden 80 Schulen vollständig zerstört und 66 Schulen verloren mindestens die Hälfte ihrer Gebäude. Die Kommission hat in einem früheren Bericht festgestellt, dass zwischen dem 7. Oktober 2023 und dem 25. Februar 2025 in Gaza 403 von insgesamt 564 Schulgebäuden direkt getroffen und beschädigt wurden. Von den getroffenen Schulen wurden 85 vollständig zerstört und 73 verloren mindestens die Hälfte ihrer Gebäude. Da 61 Prozent der Schulen in Gaza in Doppel- oder Dreifachschichten betrieben wurden, hat jedes zerstörte Schulgebäude Hunderte und manchmal Tausende von Schülern betroffen. Die 403 direkt getroffenen Schulgebäude dienten etwa 435 290 Schüler*innen und 16 275 Lehrer*innen. Zwischen dem 7. Oktober 2023 und dem 25. Februar 2025 wurden 62 Prozent der als Notunterkünfte genutzten Schulgebäude direkt getroffen, was zu einer erheblichen Zahl von Opfern führte. Darüber hinaus hat die Kommission festgestellt, dass auch Hochschuleinrichtungen angegriffen und zerstört oder beschädigt wurden, wovon etwa 87 000 Universitätsstudent*innen betroffen sind. Dazu gehörten ein Campus der Al-Azhar-Universität, der im Dezember 2023 zerstört wurde, und ein Campus der Israa-Universität, der im Januar 2024 zerstört wurde. Bis zum 25. März 2025 waren mehr als 57 Universitätsgebäude vollständig zerstört worden. Infolge der Zerstörung von Bildungseinrichtungen wurde über 658 000 Kindern im schulpflichtigen Alter in Gaza der Zugang zu formaler Bildung und der damit einhergehenden schützenden Unterstützung durch ein funktionierendes Bildungssystem verwehrt.“ (Seite 29)

 


„Die Kommission hat in einem früheren Bericht ihre Erkenntnisse über die Zerstörung und Behinderung medizinischer Einrichtungen in Gaza durch die israelischen Sicherheitskräfte detailliert dargelegt. Die Kommission hat unter anderem festgestellt, dass Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen ein wesentlicher Bestandteil der umfassenderen Angriffe der israelischen Armee auf Palästinenser*innen in Gaza und die physische und demografische Infrastruktur von Gaza waren. Die Kommission hat außerdem festgestellt, dass israelische Sicherheitskräfte medizinisches Personal vorsätzlich getötet, verletzt, verhaftet, inhaftiert, misshandelt und gefoltert sowie medizinische Fahrzeuge gezielt angegriffen haben. Der Zugang zu medizinischer Versorgung in Gaza ist seit Oktober 2023 stark eingeschränkt.“ (Seite 29)

 


„Die Kommission stellt fest, dass der seit dem 7. Oktober 2023 fehlende Zugang zu medizinischer Versorgung die Lebensbedingungen der Palästinenser*innen im Gazastreifen erheblich verschlechtert hat. Stand 24. Juni 2025 sind nur noch 36 Prozent der Gesundheitseinrichtungen teilweise funktionsfähig (alle mit Ausnahme eines Feldlazaretts, das voll funktionsfähig ist). Bis zum 7. Mai 2025 wurden 180 Krankenwagen angegriffen. (…) Darüber hinaus Krankenhäuser gezwungen, ihren Betrieb aufgrund von Mangel an Treibstoff, Strom und medizinischen Hilfsgütern einzustellen, was schwerwiegende Folgen für die Gesundheitsversorgung im Norden hatte, insbesondere für Schwangere. So war beispielsweise das Al-Awda-Krankenhaus, das eine der wenigen funktionierenden Entbindungsstationen im Norden Gazas beherbergt, bis Ende Februar 2024 nur teilweise betriebsfähig und nahm weit mehr Schwangere auf, als die Kapazitäten des Krankenhauses erlaubten. Berichten zufolge versorgte es vom 7. Oktober bis zum 23. Dezember 2023 mit 75 Betten 15 577 Schwangere. Am 27. Februar 2024 gab die Krankenhausverwaltung bekannt, dass sie den Betrieb aufgrund von Mangel an Treibstoff, Strom und medizinischen Hilfsgütern teilweise einstellen muss.“ (Seite 30)

 


„Medizinische Expert*innen berichteten der Kommission, dass die Zerstörung der medizinischen Infrastruktur, der Mangel an Versorgungsgütern und die gezielten Angriffe auf medizinisches Personal den Zugang zu grundlegender Gesundheitsversorgung und Behandlung beeinträchtigt und damit direkte und indirekte Auswirkungen auf die Gesundheit in Gaza gehabt haben. Davon sind insbesondere Kinder betroffen. Angriffe auf Kinderkrankenhäuser in Gaza, darunter das Rantisi-Krankenhaus und das Al-Nasr-Krankenhaus in Gaza-Stadt, sowie Angriffe auf größere Krankenhäuser haben Kinder mit Vorerkrankungen dazu gezwungen, sich in kleineren Einrichtungen behandeln zu lassen, denen es an spezialisiertem pädiatrischem Personal und Ausrüstung mangelt. Ein Arzt im Ahli-Krankenhaus erklärte beispielsweise, dass dem Krankenhaus die notwendigen Medikamente und Fachkenntnisse für die Behandlung von Kindern mit komplexen medizinischen Problemen wie schwerem Asthma oder Epilepsie fehlten.“ (Seite 31)

 


„Ein Arzt, der sich freiwillig im Nasser Medical Complex in Khan Younis engagierte, erklärte: „Es waren wahrscheinlich drei Männer [in der Notaufnahme], und der Rest waren alles Kinder, Frauen, ältere Menschen, alle wurden im Schlaf überrascht und lagen noch in ihren Decken.“ Die Kommission sah ein Video (authentifiziert durch die Agentur Sanad von Al Jazeera) eines freiwilligen Arztes in einem Krankenhaus, der erklärte, dass das Krankenhaus keine Schmerzmittel mehr hatte und die medizinischen Fachkräfte die Patient*innen nicht sedieren konnten. Dem Arzt zufolge wurden sieben Mädchen ohne Betäubung die Beine amputiert, und die meisten Patient*innen waren Frauen und Kinder, die Verbrennungen am ganzen Körper und Gliedmaßen verloren hatten. Ein Geburtshelfer, der sich im Dezember 2023 und Januar 2024 in Gaza aufhielt, berichtete der Kommission, dass die Krankenhäuser überlastet waren und Tausende von vertriebenen Palästinenser*innen in den Krankenhausanlagen Zuflucht suchten. Dem Geburtshelfer zufolge waren die Böden der Notaufnahme blutverschmiert und überfüllt, sodass es manchmal schwierig war, die Patient*innen zu erreichen, die auf dem Boden lagen. Der Geburtshelfer fügte hinzu, dass dort Kinder „mit schrecklichen Amputationen, Verbrennungen und traumatischen Verletzungen auf dem Boden in fremdem Blut“ lagen und keine Schmerzmittel zur Verfügung standen.“ (Seite 31)

 


„Das Awdah-Krankenhaus, die wichtigste Einrichtung für reproduktive Gesundheitsversorgung im Norden Gazas, wurde im Dezember 2023 belagert, wobei etwa 250 Menschen im Inneren eingeschlossen waren und unter schwerem Mangel an Nahrungsmitteln, Wasser und Medikamenten litten. Während der Belagerung wurden Berichten zufolge mehrere Personen, darunter medizinisches Personal und eine schwangere Frau, von Scharfschützen getötet.“ (Seite 32)

 


„Die Kommission hat bereits zuvor über Angriffe auf medizinisches Fachpersonal und medizinische Einrichtungen in Gaza berichtet. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza wurden zwischen dem 7. Oktober 2023 und dem 16. Juli 2025 mindestens 1 581 Mitarbeiter*innen des Gesundheitswesens getötet. Bis zum 12. Mai 2025 wurden 48 Mitarbeiter*innen oder Freiwillige der Palästinensischen Rothalbmondgesellschaft getötet und viele weitere angegriffen oder festgenommen. Medizinisches Personal gab an, dass es davon ausgehe, absichtlich ins Visier genommen worden zu sein. Die Kommission dokumentierte direkte Angriffe auf medizinische Konvois des IKRK, der Vereinten Nationen, der Palästinensischen Rothalbmondgesellschaft und von Nichtregierungsorganisationen.“ (Seite 32)

 


„Die Kommission dokumentierte, wie schwangere Frauen zunehmend auf unsichere Entbindungen zu Hause oder in Notunterkünften zurückgriffen, mit wenig oder gar keiner medizinischen Unterstützung, was das Risiko von Komplikationen mit lebenslangen Verletzungen und Todesfällen erhöhte. Der Kommission wurden Berichte über Frauen zugetragen, die aufgrund der Sicherheitslage oder fehlender Transportmöglichkeiten gezwungen waren, zu Hause ohne angemessene medizinische Hilfe zu entbinden, da sie kein Krankenhaus oder keine medizinische Klinik erreichen konnten. Die Kommission erhielt auch Berichte von medizinischem Personal über schwangere Frauen, die unter extrem prekären Bedingungen entbanden, während sie in Notunterkünften lebten, wo es nur sehr wenig Unterstützung, Ausrüstung oder medizinische Instrumente gab und sie keinen Zugang zu Krankenhäusern hatten.“ (Seite 33)

 


„Während der gesamten Militäraktion Israels seit dem 7. Oktober 2023 berichteten Menschen aus Gaza, die vertrieben worden waren, der Kommission, dass ihre Lebensbedingungen unmenschlich seien. Eine Mutter erzählte der Kommission, dass sie mit ihren vier kleinen Söhnen in einem Hundekäfig mit einer Abdeckung lebte, um sie vor Regen und Kälte zu schützen. Andere teilen sich Matratzen mit bis zu zehn Personen oder schlafen in Schichten. Infolgedessen leiden viele Palästinenser*innen, insbesondere Kinder, an Hautkrankheiten, Infektionen und chronischem Durchfall. Bis Ende Dezember 2023 wurden in den Unterkünften der UNRWA mehr als 360 000 Fälle von Infektionskrankheiten registriert, darunter akute Atemwegsinfektionen, Meningitis, Gelbsucht, Impetigo und Windpocken. Am 19. Dezember 2023 erklärte UNICEF, dass aufgrund der Feindseligkeiten und der massiven Vertreibung durchschnittlich eine Toilette für 700 Kinder zur Verfügung stand.“ (Seite 34)

 


„Aufgrund mangelnder sanitärer Einrichtungen litten 100 000 Kinder an Durchfallerkrankungen, die angesichts der zunehmenden Unterernährung immer häufiger tödlich verliefen. Dies war besonders alarmierend, da es praktisch keinen Zugang zu medizinischer Versorgung gab und die wenigen funktionierenden Krankenhäuser sich auf die Behandlung von Kriegsverletzungen konzentrierten und nicht in der Lage waren, angemessen auf Krankheitsausbrüche zu reagieren.  Darüber hinaus erhielten mehr als 130 000 Kinder unter zwei Jahren keine lebenswichtige Stillernährung und keine altersgerechte Beikost, einschließlich Mikronährstoffzusätzen. Am 23. November 2023 berichtete Oxfam, dass Neugeborene bis zu einem Alter von drei Monaten an Unterkühlung, Dehydrierung und Infektionen starben, da ihre Mütter kaum oder gar keine medizinische Unterstützung erhielten und unter entsetzlichen Bedingungen ohne Wasser, sanitäre Einrichtungen, Heizung oder Nahrung lebten.“ (Seite 34-35)

 


„Seit Dezember 2023 sind mehr als neunzig Prozent der Bevölkerung in Gaza von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen, wobei die schwerwiegendste Situation im Norden Gazas gemeldet wird. Dies ist das Ergebnis einer Kombination aus der Zerstörung und Verhinderung der lokalen Nahrungsmittelproduktion, einschließlich Landwirtschaft, Fischerei und Backwarenherstellung, der Belagerung, die den Import ausreichender Nahrungsmittelvorräte verhindert, und der Gefahr, der humanitäre Helfer bei der Verteilung der begrenzten verfügbaren Nahrungsmittelvorräte ausgesetzt sind. Laut der Integrierten Klassifizierung der Ernährungssicherheit (IPC) wurde im Juli 2025 in den meisten Gebieten des Gazastreifens die Schwelle für den Lebensmittelverbrauch bei Hungersnöten überschritten, und in Gaza-Stadt hat die Unterernährung die Schwelle für Hungersnot erreicht.“ (Seite 35)

 


„Wichtig anzumerken ist, dass bereits vor Oktober 2023 anhand des „Food Consumption in the Gaza Strip - Red Line-Dokument“ die israelischen Behörden jene Kalorienmenge für die Palästinenser*innen in Gaza berechneten, die zwar ausreicht, um eine Hungersnot zu vermeiden; die aber so wenig ist, dass die Bevölkerung in einem Zustand permanenten Hungerns, am Rande einer Hungersnot, gehalten wird. Das Dokument aus dem Jahr 2008, das 2012 auf Anordnung eines israelischen Gerichts von den israelischen Behörden veröffentlicht wurde, enthält detaillierte Angaben zur Kalorienmenge, die Palästinenser*innen benötigen, um Unterernährung zu vermeiden. Es kam zu dem Schluss, dass Israel nur 106 Lastwagen mit Hilfsgütern pro Tag an fünf Tagen in der Woche in den Gazastreifen lassen sollte, darunter Grundnahrungsmittel, landwirtschaftliche Betriebsmittel, Medikamente, medizinische Geräte und Hygieneartikel.“ (Seite 36)

 


„Abgesehen von den Auswirkungen auf das Gesundheitssystem haben Stromausfälle den Zugang der Bevölkerung zu sauberem Wasser drastisch beeinträchtigt, da für den Betrieb von Wasserpumpen und Entsalzungsanlagen Strom benötigt wird. Familien hatten nur einen Liter Wasser pro Person und Tag zum Trinken, Kochen und für die Hygiene zur Verfügung, was weit unter dem internationalen Mindeststandard von 15 Litern pro Person und Tag liegt.“ (Seite 36)

 


„Darüber hinaus verschärfte die Wasserknappheit die Probleme im Bereich der Sanitärversorgung, die bereits durch beschädigte Abwassersysteme, eine sich verschlechternde Infrastruktur und Personalmangel belastet war. In Flüchtlingslagern und Notunterkünften waren die sanitären Einrichtungen nicht funktionsfähig, was zu einer Anhäufung von täglich etwa 400 000 Kilogramm Abfall führte. Infolgedessen hat sich die Ausbreitung von Krankheiten, darunter Hepatitis A, verschärft.“ (Seite 36)

 


„Die Anwendung von Hunger als Kriegsmittel durch Israel im Rahmen der vollständigen Belagerung des Gazastreifens hat auch verheerende Auswirkungen auf Kinder gehabt und zu Hunger, alarmierend hohen Raten akuter Unterernährung, einem erhöhten Risiko für den Ausbruch von Krankheiten wie Cholera und chronischem Durchfall sowie einer deutlich erhöhten Sterblichkeit geführt. Bis April 2024 hatten schwere Hungersnot, Dehydrierung und extrem kritische akute Unterernährung zum Tod von mindestens 28 Kindern geführt, darunter 12 Säuglinge unter einem Monat. Von diesen 28 Todesfällen waren 25 Kinder unter einem Jahr alt. Die Kommission stellt fest, dass diese Zahlen nur diejenigen Kinder widerspiegeln, die es geschafft haben, ein Krankenhaus zu erreichen. Es ist wahrscheinlich, dass weitere Kinder ohne medizinische Versorgung an Hunger gestorben sind. Besonders besorgniserregend ist die Weigerung Israels, grundlegende lebenswichtige Güter wie spezielle Säuglingsmilch in den Gazastreifen zu lassen, was zu schwerwiegenden Komplikationen und Todesfällen geführt hat.“ (Seite 42-43)

 


„Die Kommission bestätigt erneut, dass vom 7. Oktober 2023 bis zum 31. Juli 2025 von den 60 199 getöteten Palästinenser*innen 18 430 Kinder waren und Zehntausende weitere Kinder körperliche und psychische Verletzungen erlitten haben. Darüber hinaus hat Save the Children berichtet, dass in der ersten Woche nach der Wiederaufnahme der Militäroperationen Israels im Gazastreifen am 18. März 2025 mehr Kinder getötet wurden als in jeder anderen Woche seit dem 7. Oktober 2023 davor. Im Juni 2024 berichtete der Generalkommissar der UNRWA, dass seit dem 7. Oktober 2023 durchschnittlich jeden Tag zehn Kinder ein oder beide Beine verloren haben und dass ihre Amputationen aufgrund der Verhinderung der Einfuhr von medizinischen Hilfsgütern nach Gaza meist ohne Betäubung durchgeführt wurden.“ (Seite 63)

 


„Medizinische Fachkräfte behandelten viele Kinder mit direkten Schussverletzungen am Kopf und Oberkörper, was darauf hindeutet, dass die Kinder von Scharfschützen, Drohnen oder Quadcoptern erschossen wurden. Die medizinischen Fachkräfte wurden von den Eltern darüber informiert, dass die Kinder allein waren, als sie erschossen wurden, oder dass die Erwachsenen, die mit den Kindern zusammen waren, völlig unverletzt blieben. Die Kommission bezieht sich auf eine Umfrage unter 65 freiwilligen Mitarbeiter*innen des Gesundheitswesens, die über ihre Erfahrungen in Gaza seit Oktober 2023 berichteten und deren Ergebnisse in der New York Times veröffentlicht wurden. (…) Chirurg gab beispielsweise an, dass er innerhalb von vier Stunden „sechs Kinder im Alter zwischen 5 und 12 Jahren mit jeweils einer Schussverletzung am Schädel“ behandelt habe. Ein Anästhesist gab an, dass er viele Kinder gesehen habe und „die Schusswunden oft am Kopf waren. Viele hatten unheilbare, bleibende Hirnschäden. Es kam fast täglich vor, dass Kinder mit Schusswunden am Kopf ins Krankenhaus gebracht wurden”. Die Kommission hebt außerdem hervor, dass laut der Umfrage von 62 Mitarbeiter*innen des Gesundheitswesens, die während ihres Aufenthalts in Gaza regelmäßig mit Kindern arbeiteten, 52 Ärzt*innen, Krankenpfleger*innen und Rettungssanitäter fast ausnahmslos psychische Probleme bei kleinen Kindern beobachteten und sie einige sahen, die selbstmordgefährdet waren oder sagten, sie wünschten sich, sie wären tot. Ein Orthopäde und Handchirurg erklärte: „Viele sagten, sie wünschten sich, die nächste Bombe würde sie treffen, um ihrer Qual ein Ende zu bereiten.““ (Seite 63)

 


„Seit dem 7. Oktober 2023 lässt sich ein klares Verhaltensmuster erkennen, das zeigt, dass die israelische Armee unter verschiedenen Umständen gezielt Kinder angegriffen hat, um sie zu töten. In keinem der von der Kommission untersuchten Fälle stellte eines der Kinder eine Bedrohung für die israelische Armee dar. Die gezielte Tötung von Kindern ist relevant, um auf die Völkermordabsicht der israelischen Behörden zu schließen, da (i) die umfangreiche und gezielte Tötung palästinensischer Kinder zeigt, dass die Militäroperationen nicht ausschließlich zur Bekämpfung der Hamas und anderer palästinensischer bewaffneter Gruppen durchgeführt wurden und auch nicht legitimerweise zu den anderen erklärten Zielen der Verteidigung des Staates Israel und der Befreiung israelischer Geiseln beitragen können; und (ii) die direkte und absichtliche gezielte Tötung palästinensischer Kinder darauf abzielte, die Gruppe physisch zu vernichten, indem nicht nur die heutigen Kinder, sondern auch die Möglichkeit, dass sie in Zukunft Kinder bekommen, beseitigt wurde. 

Die Kommission kommt daher zu dem Schluss, dass die weit verbreitete und systematische gezielte Tötung von Kindern Teil einer Strategie zur Zerstörung der biologischen Kontinuität und der zukünftigen Existenz der palästinensischen Gruppe im Gazastreifen und damit Teil der Absicht ist, die Palästinenser*innen im Gazastreifen zu vernichten.“ (Seite 64)

 


„Die Pflicht zur Verhütung und Bestrafung von Völkermord gilt nicht nur für den verantwortlichen Staat, sondern für alle Vertragsstaaten der Völkermordkonvention und sogar für alle Staaten nach dem Völkergewohnheitsrecht. Im Fall Barcelona Traction erkannte der Internationale Gerichtshof die erga omnes-Verpflichtung zur Verhütung und Bestrafung von Völkermord an und entschied, dass die Völkermordkonvention alle Vertragsstaaten verpflichtet, das Verbrechen des Völkermords zu verhindern und zu bestrafen. Selbst ohne ausdrückliche Anordnung des Internationalen Gerichtshofs sind alle Staaten verpflichtet, zu prüfen, ob ein Verstoß gegen die Völkermordkonvention vorliegt oder vorliegen könnte, und Maßnahmen zu ergreifen, um ihre eigenen Verpflichtungen zur Verhütung und Bestrafung solcher Handlungen festzustellen.“ (Seite 69)


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Informationen entnommen aus:

Israel has committed genocide in Gaza, says UN commission of inquiry

Von Jason Burke und Jon Henley, The Guardian, 16. September 2025

Legal analysis of the conduct of Israel in Gaza pursuant to the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocid


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