Von Israel zurückgegebene Leichen von Palästinensern weisen Fesselungen, Misshandlungen und Hinrichtungsspuren auf
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- 13. Okt.
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„Israel hat die Leichen von 45 Palästinensern nach Gaza zurückgebracht. Nach Angaben der medizinischen Behörden waren ihre Hände und Beine gefesselt, einige hatten noch Augenbinden auf und wiesen Schussverletzungen auf. Ihre Identitäten wurden nicht bekannt gegeben, sondern nur die Nummern, unter denen sie von Israel in Kühlräumen aufbewahrt worden waren.
Im Rahmen des Gaza-Abkommens soll Israel für jeden verstorbenen israelischen Gefangenen 15 Leichen von Palästinensern übergeben. Die meisten Medien erwähnen jedoch nie, dass Israel seit Jahrzehnten die Politik verfolgt, die Leichen verstorbener Palästinenser zurückzuhalten und ihnen die Bestattung zu verweigern. Hunderte von Leichen.
Im März sagte Trump über die Hamas: „Nur kranke und gestörte Menschen behalten Leichen, und ihr seid krank und gestört!“ Schätzungen zufolge hält Israel derzeit mindestens zwischen 600 und 720 Leichen von Palästinensern zurück.“
Jeremy Scahill, Journalist bei DropSiteNews und Autor, 15. Oktober 2025
„Die Leichen der Gefangenen aus Gaza wurden uns zurückgebracht, gefesselt wie Tiere, mit verbundenen Augen und mit schrecklichen Spuren von Folter und Verbrennungen – Beweise für Gräueltaten, die im Verborgenen begangen wurden.“
Munir al-Bursh, palästinensischer Leiter des Gesundheitsministeriums, 16. Oktober 2025
„Die Leichen derjenigen, die aus israelischer Haft zurückgebracht wurden, weisen erschütternde Spuren von Folter und Hinrichtung auf – Beweise für eine Armee, die jegliche moralische Hemmschwelle verloren hat. Die Gewalt verschont niemanden, nicht einmal die Toten, und offenbart ein Ausmaß an Brutalität, das grundlegenden menschlichen Werten widerspricht.“
Dr. Fadel Naim, orthopädischer Chirurg aus Gaza, 16. Oktober 2025
„Israel gibt die Leichen von Palästinensern mit Schusswunden am Kopf, Handschellen und Strick um den Hals zurück. Sie machen sich nicht einmal die Mühe, die Spuren sadistischer Folter und Hinrichtungen zu verbergen. Denn sie wissen, dass nichts passieren wird. Straflosigkeit in maximalem Ausmaß.“
Tomer Dotan-Dreyfus, israelischer Schriftsteller, 16. Oktober 2025
Am 14. und am 15. Oktober führte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) eine Überführung von je 45 Leichen palästinensischer Männer nach Gaza durch, nachdem die israelische Regierung die toten Körper freigegeben hatte. Die Überführung von insgesamt 90 toten Palästinensern ist Teil des sogenannten Waffenstillstandsabkommens. Es ist noch unklar, ob die Leichen Palästinenser sind, die in Gaza oder in israelischer Haft getötet wurden.
Ärzte des Nasser-Krankenhauses, die die toten Menschen vom IKRK erhalten hatten, berichteten am Mittwoch, dass die Körper, die in Israel in Kühlräumen aufbewahrt worden waren, mit nummerierten Etiketten, jedoch ohne Namen zurückgebracht wurden. Somit ist keine der Leichen identifizierbar. Zudem wiesen fast alle der Leichen Spuren von Folter, verbundene Augen, Handschellen, Verbrennungen und Zeichen von Hinrichtungen auf.
„Fast alle hatten verbundene Augen, waren gefesselt und hatten Schusswunden zwischen den Augen. Fast alle waren hingerichtet worden“, berichtet Dr. Ahmed al-Farra, Leiter der Kinderabteilung des Nasser-Krankenhauses. „Es gab auch Narben und verfärbte Hautstellen, die darauf hindeuten, dass sie vor ihrer Ermordung geschlagen worden waren. Es gab außerdem Anzeichen dafür, dass ihre Leichen auch nach ihrer Ermordung misshandelt worden waren.“
Dr. al-Farra berichtet zudem, dass die Leichen von den israelischen Behörden ohne Identifizierung übergeben wurden und dass die Krankenhäuser in Gaza, die im Laufe des zweijährigen Krieges massiv angegriffen wurden und – wenn überhaupt – nur noch teilweise funktionsfähig sind, keine Möglichkeit haben, DNA-Analysen durchzuführen. „Die israelische Armee kennt die Identität dieser Leichen, aber sie wollen, dass die Familien noch mehr leiden“, so der Arzt.
Gestern fanden sich Familienangehörige von vermissten Palästinensern im Nasser Krankenhaus ein. In einer kleinen Halle des Krankenhauses bemühten sich Teams des Gesundheitsministeriums und Familien intensiv darum, die von Israel ohne Namen zurückgebrachten Leichen zu identifizieren. Die Familien versammelten sich um einen vom Ministerium aufgestellten Großbildschirm und starrten auf die erschütternden Bilder, die mit Zahlencodes angezeigt wurden, in der Hoffnung, einen einzigen Hinweis zu finden, der sie zu denen führen könnte, die sie vor Monaten verloren haben und so Gewissheit zu erlangen. Ihre Angehörigen wurden entweder von der israelischen Armee getötet und ihre Leichen anschließend nicht von Israel freigegeben, oder aber sie wurden von der israelischen Armee verschleppt, ihr Schicksal ungewiss.
Im Raum herrschte Stille, die nur durch das Seufzen der trauernden Eltern unterbrochen wurde, während die Menschen die entstellten Gesichter betrachteten, von denen viele Spuren von Folter und Verbrennungen aufweisen. „Eine palästinensische Mutter sitzt schweigend vor einem Bildschirm, auf dem Bilder der verstümmelten Leichen gezeigt werden, die im Rahmen des Austausch- und Waffenstillstandsabkommens in Gaza übergeben wurden“, beschreibt Ramy Abdul, Vorsitzender der Organisation Euro Med Human Rights Monitor, die Szenen. „Ihre erschöpften Augen suchen auf den Fotos nach einem Sohn, den weder die Nacht noch der Krieg zurückgebracht haben.“ Ramy Abdul fordert – so wie viele andere –dringend eine internationale, unabhängige Untersuchung.
Dr. Ahmad Dhahir, Direktor für Rechtsmedizin am Nasser-Krankenhaus, erklärt, dass eine Identifizierung mit einfachen visuellen Methoden nahezu unmöglich ist. „Wir haben keine Labore, keine Testgeräte, und Israel liefert keine Daten.“ Die Leichen sind „von der forensischen Medizin untersucht worden, um Körperbau, Größe, Verletzungen, Wunden und, wenn möglich, die Todesursache festzustellen und um nach Einschussstellen oder anderen Beweisen für die forensische Abteilung zu suchen“, fügt er hinzu.
Aufgrund des Mangels an wissenschaftlichen Instrumenten hat das Gesundheitsministerium ein Online-Portal eingerichtet, auf dem ausgewählte, zensierte Fotos der Leichen gezeigt würden, „unter Wahrung der Würde und Privatsphäre der Verstorbenen“, um den Familien zu helfen, vermisste Angehörige aus der Ferne zu identifizieren, so Dr. Dhahir. „Bei einer vermuteten Übereinstimmung wird die Familie zur persönlichen Identifizierung in das Nasser-Krankenhaus gerufen. Sobald die Identifizierung bestätigt ist, werden die Verfahren von der Staatsanwaltschaft und der medizinischen Untersuchungseinheit abgeschlossen und die Leiche wird der Familie übergeben“, erklärt er.
Er fügt hinzu, dass Leichen, die nicht innerhalb von fünf Tagen nach ihrer Ankunft identifiziert werden, beigesetzt werden, wobei sichergestellt wird, dass jeder Ort dokumentiert und anhand seiner zugewiesenen Nummer rückverfolgbar ist.
Mosab Abu Toha, palästinensischer Schriftsteller und Pulitzerpreisträger aus Gaza, schreibt dazu: „Diese Geiseln wurden nicht mit Namen, sondern als Nummern zurückgebracht. In Säcken. Mit sichtbaren Spuren von Folter. Mit verbundenen Augen. Mit Handschellen gefesselt. Einige wurden sogar erhängt. Und dennoch berichtet kein Journalist live in seinem Sender über diese Geiseln. Niemand verfolgt ihre Beerdigungen. Es gibt keine Interviews mit ihren Eltern, Kindern, Onkeln, Tanten, Nachbarn oder Freunden. Im Gegensatz zu der intensiven, lückenlosen Berichterstattung über die einige Kilometer entfernten [israelischen] Geiseln.“
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Informationen entnommen aus:
Palestinian bodies returned by Israel show signs of torture and execution, say doctors
Almost all had been blindfolded and had gunshot wounds between the eyes, says medic at Nasser hospital in Gaza
Von Julian Borger, The Guardian, 15.10.2025
Gaza experts work to identify bodies of 90 Palestinians returned by Israel
Von David Gritten, BBC, 15.10.2025
Families in Gaza search for traces of loved ones among bodies returned by Israel
At Nasser Hospital, families and medical teams struggle to identify remains of Palestinians handed over by Israel without names, many showing signs of torture and burning
Mohamed Majed and Mohammad Sio, 17.10.2025




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