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„Völkermord in Gaza: ein kollektives Verbrechen“ – Neuer Bericht der Sonderberichterstatterin Francesca Albanese erwähnt auch Österreich

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  • vor 6 Tagen
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Der anhaltende Völkermord in Gaza ist ein kollektives Verbrechen, das durch die Komplizenschaft einflussreicher Drittstaaten ermöglicht wird, die seit langem systematische Verstöße Israels gegen das Völkerrecht dulden. Umrahmt von kolonialistischen Narrativen, die die Palästinenser*innen entmenschlichen, wurde diese live übertragene Gräueltat durch die direkte Unterstützung, materielle Hilfe, diplomatische Schutzmaßnahmen und in einigen Fällen sogar aktive Beteiligung von Drittstaaten ermöglicht. Sie hat eine beispiellose Kluft zwischen den Völkern und ihren Regierungen offenbart und das Vertrauen verraten, auf dem der weltweite Frieden und die Sicherheit beruhen. Die Welt steht nun an der Kippe zwischen dem Zusammenbruch der internationalen Rechtsstaatlichkeit und der Hoffnung auf Erneuerung. Eine Erneuerung ist nur möglich, wenn die Komplizenschaft bekämpft, die Verantwortlichkeiten wahrgenommen und die Gerechtigkeit gewahrt werden.


Bericht der Vereinten Nationen (A/80/492), veröffentlicht am 20. Oktober 2025


 


„Enthaltungen, Verzögerungen, verwässerte Resolutionsentwürfe und eine vereinfachende Rhetorik der „Ausgewogenheit“ stärkten den diplomatischen Schutz und die politische Narrative, die Israel benötigte, um den Völkermord fortzusetzen.“

Aus dem Bericht, Seite 10

 

Francesca Albanese, Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für Palästina, hat Staaten ins Visier genommen, die sich am Völkermord Israels in Gaza mitschuldig gemacht haben, und fordert einen neuen Multilateralismus, der eine Wiederholung in Zukunft verhindern soll.


Albanese stellte ihren neuen Bericht am Dienstag, 28. Oktober 2025, vor der UN-Generalversammlung vor und sprach dabei per Videokonferenz aus der Desmond and Leah Tutu Legacy Foundation in Kapstadt, Südafrika, zu den Delegierten.


Der israelische Botschafter Danny Danon bezeichnete sie nach ihrer Präsentation – ohne auch nur im Entferntesten auf den Bericht einzugehen – vor der UN-Generalversammlung als Hexe: „Sie sind eine Hexe, und dieser Bericht ist eine weitere Seite in Ihrem Zauberbuch. Sie versuchen, Israel mit Lügen und Hass zu verfluchen. Jede Seite dieses Berichts ist ein leerer Zauber, jede Anschuldigung ein Zauberspruch, der nicht wirkt, weil Sie eine gescheiterte Hexe sind.“ Albanese konterte sofort: „Es ist grotesk und offen gesagt wahnhaft, dass ein genozidaler Staat nicht auf den Inhalt meiner Erkenntnisse reagieren kann und das Beste, worauf er zurückgreift, darin besteht, mich der Hexerei zu bezichtigen.“


Israel hat Gaza „erdrosselt, ausgehungert und zerstört“ zurückgelassen, so Albanese. Ihr Bericht, der die Rolle von 63 Staaten – darunter auch Österreich und Deutschland – bei Israels Angriffen auf Gaza und im Westjordanland untersucht, kritisiert das multilaterale System für „Jahrzehnte moralischen und politischen Versagens“. „Durch rechtswidrige Handlungen und vorsätzliche Unterlassungen haben zu viele Staaten Israels militarisierte Apartheid unterstützt und geschützt und damit zugelassen, dass sich ein Siedlungsprojekt zu einem Völkermord, dem ultimativen Verbrechen gegen die indigene Bevölkerung Palästinas, ausgeweitet hat“, so Albanese.


Der Völkermord sei ermöglicht worden durch diplomatischen Schutz in internationalen Foren, die eigentlich den Frieden bewahren sollen; durch militärische Verbindungen, die von Waffenverkäufen bis zu gemeinsamen Trainings reichen; die Instrumentalisierung von Hilfsleistungen sowie unterlassener Sanktionen und Konsequenzen für Israel.

Viele Staaten belieferten Israel auch dann noch weiterhin mit Waffen, als sich Hinweise auf einen Völkermord bereits verdichteten. Der Bericht macht auch Deutschland, den zweitgrößten Waffenexporteur Israels während des Völkermords, mit Lieferungen von „Fregatten bis hin zu Torpedos“, sowie das Vereinigte Königreich verantwortlich.

 

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Aussagen über Österreich im Bericht:


„Andere Staaten haben Israel über ein undurchsichtiges System, das Transfers verschleiert (darunter auch Transfers von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck und indirekte Transfers) Teile, Komponenten und Waffen geliefert. Zwischen Oktober 2023 und Oktober 2025 haben 26 Staaten mindestens zehn Lieferungen von „Waffen und Munition“ (HS-Code 93) nach Israel geschickt, wobei China, einschließlich Taiwan, Indien, Italien, Österreich, Spanien, Tschechien, Rumänien und Frankreich am häufigsten vertreten waren. Militärflugzeuge, Landfahrzeuge, Drohnen, Hunde und Güter mit doppeltem Verwendungszweck wie integrierte Schaltkreise sind schwieriger nachzuverfolgen. (Punkt 39, Seite 15)

 


Aussagen über Deutschland im Bericht:


„Bestimmte nicht-westliche Staaten haben sich an internationale Gerichte gewandt, um Israel zur Rechenschaft zu ziehen und Druck auf das Land auszuüben, damit es seine Handlungen einstellt. Während nur 13 Staaten Südafrika vor dem IGH unterstützt haben, haben die meisten westlichen Staaten den Völkermord beharrlich geleugnet. Keiner hat sich Nicaragua vor dem IGH gegen Deutschland angeschlossen oder sich auf innerstaatliche Gesetze gegen mitschuldige Unternehmen oder Einzelpersonen berufen. Nur sieben haben die Situation an den IStGH verwiesen, viele haben versucht, dessen Haftbefehle zu untergraben, und mindestens 37 Staaten haben sich unverbindlich oder kritisch geäußert und damit ihre Absicht signalisiert, sich den Haftpflichten zu entziehen [darunter auch Deutschland, Anm.]. Die Vereinigten Staaten haben Sanktionen verhängt, um den Gerichtshof lahmzulegen; das Vereinigte Königreich drohte mit der Streichung seiner Finanzmittel, während Premierminister Netanjahu ungehindert durch den europäischen Luftraum reiste und sogar Ungarn besuchte, das im April 2025 aus dem Gerichtshof austrat.“ (Punkt 25, Seite 11)


„Obwohl die UNO seit 1976 in ihren Resolutionen ein Waffenembargo gegen Israel fordert, liefern viele Staaten weiterhin militärische Unterstützung und Waffen an das Land. Israel ist in unverhältnismäßig hohem Maße von Waffenimporten abhängig, deren Anteil am gesamten Handel mehr als doppelt so hoch ist wie der OECD-Durchschnitt und mehr als viermal so hoch wie der der Vereinigten Staaten. Diese internationalen Lieferungen wurden auch dann fortgesetzt, als sich die Hinweise auf Völkermord verdichteten, wobei die Vereinigten Staaten, Deutschland und Italien zu den größten Lieferanten zählen.“ (Punkt 32, Seite 12)


„Deutschland war während des Völkermords der zweitgrößte Waffenexporteur für Israel, wobei die Lieferungen von Fregatten bis zu Torpedos reichten. Deutsche Politiker*innen haben diese Unterstützung mit den vermeintlichen Verpflichtungen gegenüber Israel nach dem Holocaust gerechtfertigt. Zusätzlich zur Aussetzung ethischer und rechtlicher Bewertungen der israelischen Besatzung erteilte Deutschland von Oktober 2023 bis Juli 2025 einzelne Exportgenehmigungen im Wert von 489 Millionen Euro – 15 Prozent aller Genehmigungen an Israel in 22 Jahren. Darin nicht enthalten sind Waffenlieferungen im Rahmen von Kollektivlizenzen oder auf zwischenstaatlicher Basis. Obwohl Bundeskanzler Merz im August 2025 künftige Exportgenehmigungen vorübergehend aussetzte, wurden einen Monat später Exporte im Wert von 2,46 Millionen Euro genehmigt.“ (Punkt 37, Seite 15)


„Staaten beteiligen sich auch an indirekten Transfers, indem sie Komponenten für Waffen liefern, die von Israel eingesetzt werden. An dem F-35-Stealth-Kampfflugzeugprogramm, das für den israelischen Militärangriff in Gaza von entscheidender Bedeutung ist, sind 19 Staaten beteiligt – Australien, Belgien, Kanada, die Tschechische Republik, Dänemark, Finnland, Deutschland, Griechenland, Italien, Japan, die Niederlande, Norwegen, Polen, Südkorea, Rumänien, Singapur, die Schweiz, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten –, die Komponenten und Teile an Israel liefern. Siebzehn von ihnen haben den Waffenhandelsvertrag ratifiziert. Trotz Rechtsstreitigkeiten in den Niederlanden, Kanada, Australien, Dänemark und dem Vereinigten Königreich – die alle ihre Rolle verteidigten – und trotz einiger Stornierungen direkter Exporte liefern die Staaten weiterhin F-35-Teile, die in großem Umfang bei der genozidalen Zerstörung Gazas eingesetzt werden.“ (Punkt 40, Seite 15/16)


„Die Staaten haben es weitgehend vermieden, Maßnahmen zur Erfüllung ihrer rechtlichen Verpflichtungen zu ergreifen. Seit 1967 wurde kein einziges Handels- oder Wirtschaftsabkommen ausgesetzt. Nur wenige Staaten haben ihren Handel angesichts des anhaltenden Völkermords eingeschränkt, allen voran die Türkei, die im Mai 2024 die Aussetzung des gesamten Handels mit Israel ankündigte, was zu einem Rückgang der Importe türkischer Herkunft um 64 Prozent und einem fast vollständigen Einstellen der Exporte im Zeitraum Januar bis August 2025 führte, obwohl Berichten zufolge ein Teil des Handels indirekt weiterging. Unterdessen steigerten andere Länder während des Völkermords ihren Handel mit Israel, darunter Deutschland (+836 Millionen US-Dollar), Polen (+237 Millionen US-Dollar), Griechenland (+186 Millionen US-Dollar), Italien (+117 Millionen US-Dollar), Dänemark (+99 Millionen US-Dollar), Frankreich (+75 Millionen US-Dollar) und Serbien (+56 Millionen US-Dollar) sowie arabische Länder wie die Vereinigten Arabischen Emirate (+237 Millionen US-Dollar), Ägypten (+199 Millionen US-Dollar), Jordanien (+41 Millionen US-Dollar) und Marokko (+6 Millionen US-Dollar). Dies glich den Rückgang des Handels aus, den Israel andernfalls möglicherweise hinnehmen musste (-6 Prozent).“ (Punkt 62, Seite 20/21)

 


Aussagen über die Europäische Union im Bericht:


„Importe, die über Waffen hinausgehen, sind unerlässlich, um die Güter zu beschaffen, die zur Aufrechterhaltung der illegalen Besatzung und anderer unrechtmäßiger israelischer Politiken und Praktiken erforderlich sind. Viele israelische Importe sind Güter mit doppeltem Verwendungszweck, die sowohl für die Herstellung ziviler als auch militärischer Produkte verwendet werden können. Im Jahr 2024 machten diese Güter 31 Prozent der israelischen Warenimporte aus der Europäischen Union aus.“ (Punkt 57, Seite 20)


„Der israelische Handel wird durch mindestens 45 Wirtschaftskooperationsabkommen gestützt, darunter mit der EU, den USA und den Vereinigten Arabischen Emiraten (im Rahmen der Umsetzung der Abraham-Abkommen). Diese Abkommen beseitigen zolltarifliche und nichtzolltarifliche Handelshemmnisse für Güter und Dienstleistungen mit doppeltem Verwendungszweck und für Verteidigungsgüter, wobei sie häufig nicht zwischen Geschäften mit den besetzten palästinensischen Gebieten unterscheiden und damit implizit die israelische Hoheitsgewalt über illegale Siedler und deren Unternehmen sowie über annektiertes Land anerkennen.“ (Punkt 59, Seite 20)


„Die wirtschaftliche Zusammenarbeit geht auch über den Handel hinaus. Seit 2014 hat der Forschungs- und Innovationsrahmen der Europäischen Kommission (seit 2021 „Horizont Europa“) 2,1 Milliarden Euro an Zuschüssen für israelische Einrichtungen in den Bereichen Wissenschaft, Technologie und Innovation bereitgestellt, von denen viele Dual-Use- und Militärtechnologien entwickeln. Der Europäische Innovationsrat des Programms hat seit 2021 außerdem 34 israelische Unternehmen mit 550 Millionen Euro an Eigenkapital und Mischfinanzierungen unterstützt, wodurch Israel zu den Ländern mit den höchsten Pro-Kopf-Zuschüssen gehört.“ (Punkt 60, Seite 20)


„Seit 1981 hat die Europäische Investitionsbank israelische Unternehmen mit 2,7 Milliarden Euro finanziert, darunter 760 Millionen Euro an Darlehen an die Bank Leumi, die in der OHCHR-Datenbank aufgeführt sind.“ (Punkt 61, Seite 20)


„Die Verpflichtung von Drittstaaten, gegen Verstöße gegen das Völkerrecht vorzugehen, ist häufig in Verträgen verankert. (…) In ähnlicher Weise werden Menschenrechte und demokratische Grundsätze im Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Israel zu einer „Klausel über wesentliche Elemente” erklärt. Diese Grundsätze bleiben jedoch unerfüllt. Ein internes Dokument der EU aus dem Jahr 2024, das im August 2025 durchgesickert ist, zeigt, wie entschlossen die EU war, trotz der offensichtlichen Verstöße Israels gegen die Bestimmungen des Abkommens angesichts der illegalen Besatzung und des Völkermords am Status quo festzuhalten. Der Vorschlag der Europäischen Kommission, die zentralen Handelspräferenzen für 37 Prozent der israelischen Exporte in die EU aufzuheben, wartet noch immer auf seine Genehmigung.“ (Punkt 63, Seite 21)


„Die Europäische Union und Ägypten haben weiterhin Gas aus Israel über die Ostmittelmeer-Gaspipeline importiert, die illegal durch das an den Gazastreifen angrenzende Meer verläuft und damit die Souveränitätsrechte der Palästinenser*innen verletzt.“ (Punkt 65, Seite 22)

 


Zusammenfassung (Seite 23/24)


Der Völkermord in Gaza wurde nicht isoliert begangen, sondern als Teil eines Systems globaler Komplizenschaft. Anstatt dafür zu sorgen, dass Israel die grundlegenden Menschenrechte und die Selbstbestimmung des palästinensischen Volkes achtet, haben mächtige Drittstaaten – die koloniale und rassistisch-kapitalistische Praktiken fortsetzen, die längst der Geschichte angehören sollten – zugelassen, dass gewalttätige Praktiken zur alltäglichen Realität geworden sind. Selbst als die genozidale Gewalt sichtbar wurde, haben Staaten, vor allem westliche, Israel militärisch, diplomatisch, wirtschaftlich und ideologisch unterstützt und tun dies auch weiterhin, obwohl es Hungersnöte und humanitäre Hilfe als Waffen einsetzt. Die Schrecken der letzten zwei Jahre sind keine Anomalie, sondern der Höhepunkt einer langen Geschichte der Komplizenschaft.


Die Handlungen, Unterlassungen und Äußerungen von Drittstaaten zur Unterstützung eines genozidalen Apartheidstaates sind derart, dass sie für die Beihilfe, Unterstützung oder Mitwirkung an völkerrechtswidrigen Handlungen im Zusammenhang mit systematischen Verstößen gegen zwingende und erga omnes [„gegenüber allen“, Anm.] geltende Normen haftbar gemacht werden könnten und sollten. In dieser kritischen Situation ist es unerlässlich, dass Drittstaaten unverzüglich alle militärischen, diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Israel aussetzen und überprüfen, da jede solche Zusammenarbeit ein Mittel zur Beihilfe, Unterstützung oder direkten Beteiligung an rechtswidrigen Handlungen, einschließlich Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord, darstellen könnte.

Viele Drittstaaten haben mit derselben Straffreiheit gehandelt, die sie Israel gewährt haben. Ihre Missachtung des Völkerrechts untergräbt die Grundlagen der multilateralen Ordnung, die von den Staaten und Völkern innerhalb der Vereinten Nationen über acht Jahrzehnte hinweg mühsam aufgebaut wurde. Dies wird in die Geschichte eingehen als Verstoß nicht nur gegen die Gerechtigkeit, sondern gegen die Idee unserer gemeinsamen Menschlichkeit. Gerechtigkeit muss zwar Strafverfahren umfassen – sei es vor internationalen oder nationalen Gerichten –, doch geht die Rechenschaftspflicht über die Strafverfolgung hinaus und umfasst auch Wiedergutmachung: Rückgabe, Entschädigung, Rehabilitation, Genugtuung und Garantien der Nichtwiederholung durch Israel und durch Drittstaaten, die seine Verbrechen unterstützt haben. Die Machtstrukturen, die diese abscheulichen Verbrechen ermöglicht haben, müssen abgebaut werden, und das internationale Rechtssystem zeigt den Weg dazu auf.


Die Welt blickt auf Gaza und ganz Palästina. Die Staaten müssen ihrer Verantwortung gerecht werden. Nur durch die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts des palästinensischen Volkes, das durch den anhaltenden Völkermord so schamlos verletzt wird, können dauerhafte globale Zwangsstrukturen abgebaut werden. Kein Staat kann glaubhaft behaupten, sich an das Völkerrecht zu halten, während er ein völkermörderisches Regime bewaffnet, unterstützt oder schützt. Jegliche militärische und politische Unterstützung muss ausgesetzt werden; Diplomatie sollte dazu dienen, Verbrechen zu verhindern, anstatt sie zu rechtfertigen. Die Komplizenschaft am Völkermord muss ein Ende haben.


ree

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