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Wie der Kahanismus seinen Weg in den israelischen politischen Mainstream fand

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  • 18. Mai
  • 11 Min. Lesezeit

Völkermörderische Rhetorik ist in der israelischen Politik nicht neu. Aber die Zerstörung des Gazastreifens spiegelt die apokalyptische Sprache wider, die aus der Knesset dringt - wo das Establishment nach und nach von Mitgliedern einer ehemaligen Terrorgruppe übernommen wurde.


Von Natasha Roth-Rowland, +972Mag, 14. Mai 2025


(Originalbeitrag in englischer Sprache)

 

Ende Januar traf der israelische Botschafter in den Vereinigten Staaten in Washington ein, um sein neues Amt anzutreten. In mancher Hinsicht ist der Lebenslauf von Yechiel Leiter typisch für jemanden, der für den vielleicht prestigeträchtigsten diplomatischen Posten ernannt wurde, den es gibt: Der in den USA geborene und nach Israel eingewanderte Leiter war in zahlreichen hochrangigen Positionen in der Regierung tätig, unter anderem als Stabschef des damaligen Finanzministers Benjamin Netanjahu, bevor er als leitender Mitarbeiter des rechtsgerichteten Kohelet Policy Forum arbeitete und nach einer gescheiterten Kandidatur für die regierende israelische Likud-Partei in die Privatwirtschaft wechselte.

Andere Teile von Leiters Biografie sind jedoch weniger typisch für einen Spitzendiplomaten - vor allem seine frühere Mitgliedschaft in einer Organisation, die sowohl von seinem Geburtsland als auch von seinem Wahlland als terroristische Vereinigung eingestuft wird.

Als er noch in den Vereinigten Staaten lebte, war Leiter Mitglied der rechtsextremen Jewish Defense League (JDL), einer gewalttätigen Bürgerwehr, die von dem extremistischen amerikanischen Rabbiner Meir Kahane gegründet wurde. In den 1970er Jahren, nach seiner Übersiedlung nach Israel, schloss sich Leiter der Kach an, der faschistischen politischen Partei und Bewegung, die Kahane nach seiner eigenen Einwanderung gegründet hatte. Ursprünglich als internationaler Zweig der JDL konzipiert, wandelte sich Kach schließlich zu einer authentischen israelischen Organisation, die ihr eigenes politisches Credo hervorbrachte: Kahanismus. Leiter wurde später zum Anführer der radikalen jüdischen Siedlung in Hebron ernannt, bevor er eine führende Rolle in der allgemeineren Siedlerbewegung übernahm.

Nachdem das Kach-Mitglied und Kahane-Anhänger Baruch Goldstein – ebenfalls ein amerikanischer Einwanderer in Israel – 1994 29 Palästinenser beim Gebet in der Ibrahimi-Moschee in Hebron massakriert hatte, stuften sowohl die israelische als auch die US-amerikanische Regierung Kach als terroristische Organisation ein. (Das US-Außenministerium hob diese Einstufung im Jahr 2022 auf.)

Die Ernennung Leiters zum Botschafter in den USA trotz seiner früheren Mitgliedschaft in dieser Gruppe ist bemerkenswert und bietet eine deprimierende Momentaufnahme des Extremismus sowohl in der israelischen als auch in der US-Politik. Dies wurde Ende April erneut bestätigt, als ein anderer Kach-Veteran, der israelische Minister für nationale Sicherheit Itamar Ben Gvir, zu seinem ersten offiziellen Auslandsbesuch in den Vereinigten Staaten eintraf, nachdem er von der Regierung Biden praktisch boykottiert worden war. Ben Gvir, der wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung verurteilt worden ist, traf mit mehreren republikanischen Kongressmitgliedern zusammen und sprach zu einem einladenden Publikum in Mar-a-Lago, Manhattan und an der Yale University, dazwischen besuchte er in Florida ein Gefängnis, ein Waffengeschäft und eine jüdische Schule.

Gleichzeitig ist Leiters Aufstieg ein Fenster zu einer größeren Geschichte: die fortwährende und ständig wachsende Absorption extremistischer Gruppen in den politischen Mainstream Israels, typischerweise dadurch, dass ihre ehemaligen Mitglieder entweder in ein Amt gewählt werden oder als Top-Berater*innen mächtiger Knessetmitglieder dienen.

Der Anblick von Kahanisten und Mitgliedern der extremistischen Hilltop Youth [auch Hügeljugend genannt, militant-extremistische Jugendliche aus der israelischen Siedlerbewegung, die durch Hassverbrechen gegen Palästinenser*innen bekannt wurden, Anm.], die im israelischen Parlament ihr Unwesen treiben, hat sich in der Tat etabliert und macht den Rechtsruck der israelischen Politik in den letzten Jahrzehnten deutlich, der sich seit dem 7. Oktober zu einem Wettlauf nach unten beschleunigt hat. Es ist inzwischen alltäglich, von Politiker*innen, die im rechtsgerichteten politischen Spektrum Israels keineswegs als extrem gelten, Äußerungen zu hören, die problemlos in ein Kach-Manifest passen würden.

So erklärte beispielsweise der ehemalige Verteidigungsminister Yoav Gallant am 9. Oktober 2023, dass „wir gegen menschliche Tiere kämpfen und dementsprechend handeln“, während er eine vollständige Belagerung des Gazastreifens ankündigte; der stellvertretende Sprecher der Knesset und Likud-Abgeordnete Nissim Vaturi, der dazu aufrief, „den Gazastreifen vom Angesicht der Erde zu tilgen“; der Likud-Abgeordnete Amit Halevi, der sagte, es solle "kein muslimisches Land mehr im Land Israel geben ... [und] der Gazastreifen sollte wie Sodom als Mahnmal zurückgelassen werden"; oder Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der biblische Anspielungen über das Schicksal des Gazastreifens machte, die weithin als Hinweis auf Massenabschlachtungen verstanden wurden.

Völkermord-Rhetorik ist keineswegs neu in der israelischen Politik oder in der breiteren israelischen Öffentlichkeit (es gibt auch viele Journalist*innen, die sich ihr anschließen). Frühere israelische Angriffe auf den Gazastreifen wurden von Aufrufen begleitet, die Enklave „platt zu machen“ oder „auszuradieren“, wenn auch nicht ganz so einheitlich über weite Teile des politischen Spektrums. Was sich jedoch geändert hat, ist die Kluft zwischen der Rhetorik und dem, was vor Ort geschieht. Die totale Zerstörung des aktuellen Angriffs fühlt sich näher denn je an der apokalyptische Sprache an, die aus der Knesset dringt - wo die dominanteste politische Partei in der Geschichte des Landes viel Raum für aktuelle und ehemalige Kahanist*innen geschaffen hat, die die gewalttätigen Visionen ihres Gründers übernehmen.

 

Von den Hügelkuppen zu den Parlamentsfluren

Die Wahl, die uns im November 2022 hierher geführt hat, brachte eine Reihe von Neuerungen mit sich: Zum ersten Mal schaffte es ein bekennender Kahane-Anhänger in die Regierungskoalition und dann ins Kabinett; zum ersten Mal kam ein ehemaliges Mitglied der Hilltop Youth in die Regierung, und ein anderer wurde Parlamentsberater; zum ersten Mal erreichte ein Wahlprogramm mit kahanistischer Ausrichtung mehr als zehn Prozent der israelischen Wählerstimmen. Diese und andere Entwicklungen führten dazu, dass Israels jüngste Regierungskoalition bei ihrer Vereidigung schnell – und zu Recht – als die am weitesten rechts stehende in der Geschichte des Landes bezeichnet wurde.

Es gibt zahlreiche Erklärungen dafür, warum in den letzten 20 Jahren fast jede neu gewählte israelische Regierung als rechtsextrem bezeichnet wurde. Die gängige Meinung ist eine Kombination aus dem gescheiterten Osloer Friedensprozess, der Zweiten Intifada und der persönlichen Korruption Netanjahus.

Aber es ist auch ein anderer, viel längerfristiger Mechanismus im Spiel, für den die derzeitige Regierung nur das jüngste Beispiel ist. Mit der allmählichen Übernahme einiger der rechtsextremsten Elemente der israelischen Gesellschaft durch das politische Establishment sind die rechten Ideologen von gestern – die einst von außen gegen die Regierung protestierten – heute Knessetmitglieder, Berater, Ministerialbeamte und so weiter.

Dies passiert schon auf die eine oder andere Art und Weise so seit der Gründung des Staates: Die militanten Rechtsextremist*innen, die in der Zeit vor der Staatsgründung Hotels und Märkte bombardierten und gegen die britischen Mandatsbehörden, die einheimischen arabischen Bewohner*innen Palästinas und ihre jüdischen Konkurrent*innen agitierten, wurden rasch in die Institutionen des neuen Landes integriert, von der Armee bis zum Parlament. Und obwohl es um die israelische Rechte in den 1950er und 60er Jahren relativ ruhig war, nahm der Trend nach dem Beginn der Besetzung des Gazastreifens und des Westjordanlands, einschließlich Ostjerusalems, im Jahr 1967 wieder zu, was die Siedlerbewegung ins Leben rief und zur Entstehung einer neuen jüdischen extremen Rechten führte, die von messianischem Eifer beseelt war - wenn auch mit organisatorischen und ideologischen Verbindungen zu ihren Vorgängern.

Das Eindringen der Kahanist*innen in die israelische Mainstream-Politik ist angesichts der Langlebigkeit der Bewegung und ihrer offenkundig faschistischen Ideologie der bemerkenswerteste und konsequenteste Aspekt dieses Trends. Aber Kach ist bei weitem nicht die einzige rechtsextreme Gruppe in der israelischen Gesellschaft, die einen Platz in der Knesset gefunden hat. Mitglieder von Gush Emunim, des Jüdischen Untergrunds, der Tempelberg-Bewegung und, wie bereits erwähnt, der Hilltop Youth haben alle ihren Weg in die Korridore der israelischen Macht gefunden - sei es als gewählte Minister*innen oder als ihre Assistent*innen und Berater*innen.

Hier ist ein generationenübergreifendes Muster am Werk: In den letzten fünf Jahrzehnten sind rechtsextreme Gruppen aufgetaucht, die die israelische Regierungspolitik in Frage stellen, vor allem wegen des vermeintlichen Verrats am jüdischen Siedlungsprojekt und der ethnischen Säuberung der Palästinenser*innen. Diese Gruppen wandten sich beispielsweise gegen die Camp-David-Abkommen in den späten 1970er Jahren und die Oslo-Abkommen Mitte der 1990er Jahre. Und heute wie damals bestehen sie darauf, dass die Regierung und das Militär nicht genug tun, um das Land zu besiedeln, Juden/Jüdinnen zu schützen und Palästinenser*innen zu eliminieren.

Mit der Zeit wurden die Mitglieder dieser Gruppen in die Regierungsinstitutionen des Landes eingegliedert. Dieser Prozess hat ihre Fähigkeit, von außen Druck auf die Regierung auszuüben, geschwächt: Kooptation ist nach wie vor eine der wirksamsten Methoden, um Protestbewegungen zu neutralisieren. Aber es offenbart auch die Absurdität des Beharrens der israelischen Regierung darauf, im Zusammenhang mit jüdisch-nationalistischer Gewalt gegen „faule Äpfel“ vorzugehen, nur um zu einem späteren Zeitpunkt deren ideologisch Gleichgesinnte an der Macht zu begrüßen.

Und während die Kooptation von Extremist*innen ihren äußeren Druck neutralisieren mag, werden dadurch auch ihre giftigen Ideen verbreitet, was den Rechtsruck im Lande weiter anheizt. Jedes Mal, wenn eine neue rechtsextreme Gruppe auftaucht – oft noch extremer als die letzte – und dann in Israels Wahlsystem integriert wird, gewöhnen sich die Wähler*innen und große Teile der Kommentator*innen zunehmend an ihre gewalttätige Rhetorik.

Nachdem er als Vorsitzender von Otzma Yehudit zum ersten Mal in die Knesset gewählt worden war, sorgte der rasche Aufstieg von Ben Gvir im Jahr 2021 für eine intensive Berichterstattung über die rassistische und hetzerische Rhetorik der extremen Rechten. Gerade diese Berichterstattung hat ihre öffentliche Unterstützung gestärkt und damit ihren Platz in der offiziellen israelischen Politik gefestigt. Ben Gvir ist heute in einer Weise akzeptiert, wie es Kahane nie war. Doch schon zu Lebzeiten Kahanes bahnten sich seine einstigen Gefolgsleute ihren Weg in den Mainstream der israelischen Politik.

Aus dieser Perspektive ist die Rolle, die Netanjahu in den letzten Jahren gespielt hat, als er versuchte, Wahldeals für eine kahanistische Partei auszuhandeln, um deren Einzug in die Knesset zu sichern, nicht überraschend. Das Bündnis zwischen Likud und Kahanisten hat in der Tat eine viel längere Geschichte, eine, die die allgemeine rechtsextreme Agitator-zu-Regierungs-Verbindungslinie umfasst, von der sie ein Teil ist - und eine, die mit der Wahl Ben Gvirs im Jahr 2021 dazu führte, dass der Kahanismus offiziell aus der Versenkung auftauchte.

 

Ein ausgetretener Pfad

Die Geschichte begann in den frühen 1970er Jahren, als Kahane – auf der Flucht vor juristischen Problemen in den Vereinigten Staaten – in Israel ankam und prompt von einem zukünftigen Likud-Premierminister umworben wurde.

Als Vorsitzender der Herut, des Vorläufers des Likud, nahm Menachem Begin Kahane zunächst unter seine Fittiche, weil er glaubte, dass er die politischen Geschicke der Partei fördern könnte. Begin machte Kahane mit Politiker*innen bekannt und bot ihm einen „sicheren Sitz“ in seiner Partei an, den Kahane jedoch ablehnte. Geulah Cohen, ehemaliges Mitglied von Lehi – der anderen großen jüdischen Extremistengruppe, die neben Begins Irgun im Mandatsgebiet Palästina aktiv war – war ebenfalls eine Bewunderin Kahanes und sah in ihm einen starken potenziellen Kandidaten für die Herut, der sie ebenfalls beitreten wollte. Begin und Cohen gehörten selbst zu der ersten Gruppe von Israelis, die von einer rechtsextremen militanten Organisation in die Knesset aufstiegen.

Kahane schlug seinen eigenen Weg ein und gründete kurz darauf die faschistische Kach-Partei. Aber mehrere seiner zeitgenössischen und zukünftigen Gefolgsleute machten den Schritt vom Mitglied der Kahanistischen Bewegung zum Likud und dienten in der Knesset, als Mitarbeiter*innen des Ministeriums oder als eine andere Art von Funktionär*innen.

Der vielleicht berühmteste ehemalige Kach-Anhänger, der in den Likud übergetreten ist, ist der heutige Jisrael-Beitenu-Chef Avigdor Liberman, der nach Angaben von Kach-Mitarbeitern, die damals dabei waren, kurz nach seiner Emigration aus der Sowjetunion in den späten 1970er Jahren Mitglied wurde. (Yisrael Beiteinu bestritt die Enthüllungen zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung.) In den 1980er Jahren trat er dem Likud bei und arbeitete sich im Parteiapparat nach oben, bevor er die Partei verließ, um seine eigene Partei zu gründen, während er seinen Ruf als bösartiger Rassist mit Kahane-nahen Gewaltfantasien aufpolierte - wie bei seiner berüchtigten Bemerkung von 2015, dass palästinensischen Bürger*innen, die dem Staat Israel gegenüber „illoyal“ seien, der Kopf abgeschlagen werden sollte. (Der damalige Generalstaatsanwalt Yehudah Weinstein lehnte es ab, eine Untersuchung zu Libermans Verhetzung einzuleiten.)

Morton (Mordechai) Dolinsky, der die Jewish Defense League (JDL) zusammen mit Kahane in New York gegründet hatte, wurde in den 1970er Jahren nach seiner Emigration nach Israel bei Herut politisch aktiv und diente als leitender Berater bei der Jewish Agency. Begin ernannte ihn Anfang der 1980er Jahre zum Leiter des Pressebüros der Regierung.

Shmuel Sackett, ein weiterer amerikanischer Einwanderer in Israel, der sich Kach anschloss, nachdem er zuvor Mitglied der JDL gewesen war, nahm einen etwas anderen Weg in die Reihen des Likud. Nachdem er zusammen mit Moshe Feiglin die Anti-Oslo-Abkommen-Bewegung Zo Artzeinu („Dies ist unser Land“) gegründet hatte, riefen er und Feiglin 1998 Manhigut Yehudit („Jüdische Führung“) ins Leben - eine rechtsextreme Likud-Fraktion, die im Parteiapparat fest Fuß fasste. Sackett, der auch Interesse an einem Platz auf dem Wahlprogramm des Likud bekundete, gab sich keine Mühe, seine anhaltende Loyalität zu Kahane während seiner Amtszeit als internationaler Direktor von Manhigut Yehudit zu verbergen. Wie er 2013 an einen Kritiker schrieb, war es „das größte Kompliment, das man sich vorstellen kann“ und „das größte Geschenk“, als „offener Kahanist“ bezeichnet zu werden. Weit davon entfernt, „eine negative Kraft zu sein, die man um jeden Preis vermeiden sollte“, so Sackett weiter, seien Kahanisten „sehr oft die besten Mitglieder eines Teams“.

Obwohl er in der israelischen Politik nicht mehr aktiv ist, ist Sackett weiterhin ein produktiver Kommentator. Einige Monate vor dem 7. Oktober schlug er in der rechtsextremen orthodoxen New Yorker Zeitung Jewish Press, in der Kahane eine wöchentliche Kolumne hatte, vor, dass Israels nächster militärischer Angriff als „Krieg zur Vernichtung des Feindes“ bezeichnet werden sollte, und nach den Hamas-Angriffen rief er unter Berufung auf Kahane dazu auf, „den Feind zu zerschlagen und ihn aus unserem Land zu vertreiben“. Seine Organisation, die Am Yisrael Chai Foundation, ist in den Vereinigten Staaten steuerbefreit.

In jüngerer Zeit kandidierte May Golan, die derzeit als Abgeordnete des Likud der Regierungskoalition angehört, erstmals 2013 für die Knesset als Mitglied von Otzma LeYisrael (Macht für Israel) - heute bekannt als Otzma Yehudit (Jüdische Macht), einer bekennend kahanistischen Partei. Nach einer erfolglosen Kandidatur für die Knesset mit dem Likud im Jahr 2015 schaffte Golan im April 2019 den Einzug in die Knesset als Mitglied der Regierungspartei. Golan, die sich für die Wiedererrichtung israelischer Siedlungen im Gazastreifen eingesetzt hat und im vergangenen Jahr zur Ministerin für soziale Gleichstellung und Frauenförderung ernannt wurde, erlangte Anfang der 2010er Jahre durch ihre Proteste gegen und rassistischen Äußerungen über afrikanische Asylbewerber*innen Berühmtheit.

Golan wurde kurzzeitig zur israelischen Generalkonsulin in New York ernannt, als Netanjahu versuchte, eine rechtsextreme Rebellion innerhalb seiner Partei zu unterdrücken. Der Schritt wurde von Mitgliedern der Biden-Administration und liberalen amerikanisch-jüdischen Institutionen kritisiert, und Golans Nominierung wurde umgehend zurückgezogen, aber der Vorfall diente als weitere Erinnerung daran, dass kahanistische Überzeugungen kein Hindernis für einen Aufstieg in den Reihen des Likud sind. (Letztes Jahr erklärte Golan, sie sei „stolz auf die Ruinen in Gaza“.)

Die Tatsache, dass zahlreiche Anhänger*innen Kahanes – sei es durch Wahl oder Ernennung – in irgendeiner Form eine Rolle in der dominierenden politischen Partei in der Geschichte Israels spielen, sollte nicht bedeuten, dass es keine Unterschiede zwischen den beiden Gruppen gibt. Obwohl sie durch den gemeinsamen Wunsch nach Kontrolle über einen möglichst großen Teil von „Groß-Israel“ mit möglichst wenigen Palästinenser*innen vereint sind – eine Vision, der sich die Mehrheit des politischen Spektrums Israels anschließt, auch wenn es Unterschiede in den Methoden gibt – gibt es echte Unterschiede in der Gestaltung und im Vorgehen zwischen dem Likud und den verschiedenen kahanistischen Gruppen.

Da Israels politischer und militärischer Apparat jedoch nach wie vor von einem Vernichtungswahn erfasst wird, lohnt es sich, darüber nachzudenken, warum sich Absolvent*innen von Kahanes Netzwerk im Laufe der Jahrzehnte zum Likud hingezogen fühlten – abseits von reinem politischem Ehrgeiz und der altbekannten Tradition, dass sich Extremist*innen „mäßigen“, um Wählerstimmen zu gewinnen – und wie dieses Bündnis das gesamte politische Spektrum Israels nach rechts verschoben hat.

Und ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht. Schon vor dem 7. Oktober war die israelische Politik extremer, gewalttätiger und missbräuchlicher denn je geworden und fand immer wieder Platz für Terrorist*innen, Aufwiegler*innen und diejenigen, die aus ihrer genozidalen Ideologie keinen Hehl machen. Nach dem 7. Oktober hat die Vernichtungsrhetorik einfach ihren Marsch in den Mainstream beschleunigt, eine passende Ergänzung zu dem Inferno, das Israel auf Gaza niederregnen ließ.

Vor zwei Jahren verübten israelische Siedler*innen ein Pogrom in der palästinensischen Stadt Huwara im besetzten Westjordanland, zwei Monate nachdem die derzeitige israelische Regierung vereidigt worden war. Damals warf die operative Unterstützung, die sie von den israelischen Sicherheitskräften erhielten, und die moralische Unterstützung, die sie von bedeutenden Teilen der Regierungskoalition erhielten, die Frage auf, ob und wann die Pogromist*innen von heute die Knessetmitglieder von morgen sein würden.

Siebzehn Monate nach dem 7. Oktober, während der Gazastreifen in Trümmern liegt, die israelische Armee eine massive neue Bodenoffensive plant und Siedler*innen und die Armee gemeinsam eine Kampagne der verbrannten Erde im Westjordanland durchführen, ist die Antwort klar: Dieses Pogrom war tatsächlich ein Blick in die unmittelbare Zukunft. Und auch wenn die Täter*innen noch nicht für ein Amt kandidieren, stimmen ihre Logik und ihr Vorgehen mit denen des politischen und militärischen Establishments Israels überein.


Natasha Roth-Rowland ist Direktorin für Forschung und Analyse bei Diaspora Alliance. Sie hat an der University of Virginia in Geschichte promoviert, wo sie ihre Dissertation über die israelische und amerikanisch-jüdische extreme Rechte schrieb, und ist ehemalige Redakteurin des Magazins +972. Sie lebt mit ihrer Frau und ihrer Tochter in Queens, New York.

 



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