"Er fühlte unseren Schmerz": Katholische Kirchengemeinde in Gaza trauert über den Tod von Papst Franziskus
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- 25. Apr.
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Der Papst telefonierte seit Beginn des Krieges im Oktober 2023 jede Nacht mit der katholischen Kirchengemeinde zur Heiligen Familie.
Von Bethan McKernan and Malak A Tantesh, The Guardian, 22. April 2025
(Originalbeitrag in englischer Sprache)
Als er zum ersten Mal mit Papst Franziskus sprach, während der Pontifex allabendlich in der katholischen Kirche Holy Family in Gaza Stadt anrief, war das Kirchengemeindemitglied George Antone, 44, sprachlos.
Es war im Oktober 2023, wenige Wochen nachdem die Hamas mit ihrem Angriff auf Israel einen verheerenden Krieg im Gazastreifen ausgelöst hatte. Die winzige christliche Gemeinde hatte in den drei Kirchen von Gaza Zuflucht gesucht, aber das bedeutete nicht, dass sie sicher waren. Ein israelischer Luftangriff hatte gerade die griechisch-orthodoxe Kirche getroffen und 18 Menschen getötet; bald würden Scharfschützen und Bomben auch ZivilistInnen in der Kirche der Heiligen Familie töten.
„Ich war so schüchtern, als Pater Yousef mir das Telefon reichte und seine Heiligkeit auf dem Bildschirm war und mich ansah. Ich dachte: ‚Träume ich, worüber soll ich denn mit ihm reden?‘ Er lächelte und war sehr nett, er fragte mich, was ich an diesem Tag gegessen hatte und stellte Fragen über meine Familie", berichtet Antone. „Wir sprachen über alles. Er lernte uns alle kennen ... Trotz all der Verpflichtungen, die er in dieser Welt hatte, kümmerte er sich um uns in Gaza. Es fühlt sich nun so an, als hätten wir unseren Vater verloren."
Die Bevölkerung von Gaza hat in den 18 Monaten des Krieges furchtbare Verluste erlitten. Obwohl sie sich nie persönlich begegnet sind, haben Franziskus' eifrige Anrufe, die er eineinhalb Jahre lang jede Nacht getätigt hat, die christliche Gemeinschaft in Gaza wissen lassen, dass sie nicht vergessen sind. Sein Tod am Montag war ein schwerer Schlag.
Pater Gabriel Romanelli, ein Argentinier, der seit 2019 als Priester der Pfarre Heilige Familie tätig ist, berichtet: „Selbst nachdem er ins Krankenhaus eingeliefert wurde, rief er immer wieder an, um nach uns zu sehen. Unsere Trauer ist tief, weil wir jemanden verloren haben, von dem wir das Gefühl hatten, dass er ein Mitglied unserer Kirche geworden ist."
Franziskus war ein lautstarker Befürworter eines Endes des Krieges. In seiner letzten öffentlichen Ansprache, die er am Ostersonntag vom Balkon des Petersdoms aus hielt, verurteilte er die „beklagenswerte humanitäre Situation“ in Gaza und forderte Israel und die Hamas auf, „einen Waffenstillstand zu schließen, die Geiseln freizulassen und einem hungernden Volk zu helfen, das nach einer Zukunft in Frieden strebt.“
Der 88-jährige Papst rief die beiden Priester der Pfarre Heiligen Familie an, sobald der Krieg ausbrach, um sich über die Lage zu informieren und der Gemeinde Gebete und Beistand anzubieten. Es wurde zur allabendlichen Routine, dass Franziskus um Punkt 20.00 Uhr Gaza-Zeit anrief - und darauf bestand, mit allen über ihre Hoffnungen und Ängste zu sprechen, nicht nur mit den Priestern, berichtet ein anderes Gemeindemitglied, Bahia Ayad, 80.
„Er spürte unseren Schmerz und unser Leid zutiefst. Er sagte uns, wir bräuchten keine Angst zu haben. Er sagte: ‚Ich bin bei euch und ich werde für euch kämpfen, ich werde zum Frieden aufrufen und alle bitten, euch zu beschützen‘", sagt sie. „Er hat uns gesagt, dass wir auf uns aufpassen sollen, dass wir geduldig sein sollen und dass der Krieg genauso enden wird wie alle Kriege zuvor.“
Während seiner zwölfjährigen Amtszeit besuchte Franziskus mehrmals den Nahen Osten, darunter 2021 zum ersten Mal den Irak, wo er die Narben ansprach, die religiöser Zwist und Extremismus hinterlassen haben. Nach der Nachricht von seinem Tod sprachen palästinensische, libanesische und syrische Christenführer über sein Engagement für die Notlage der oft verfolgten christlichen Minderheit in der Region.
Unter seiner Führung hat der Vatikan 2015 den Staat Palästina anerkannt. Im Gaza-Krieg kritisierte Franziskus lautstark und wiederholt das Vorgehen Israels und drängte auf eine Untersuchung der Frage, ob der Krieg einem Völkermord gleichkommt - ein Vorwurf, den Israel bestreitet.
Obwohl Franziskus gegangen ist, geht die Unterstützung des Vatikans für die Pfarre Heilige Familie weiter. Die Kirche beherbergt derzeit etwa 500 christliche und muslimische Menschen und dient Tausenden von Familien in der Nähe als Basis für Lebensmittel, Wasser und medizinische Versorgung. Seit Israel Anfang März eine totale Blockade des Gazastreifens verhängt hat und ein zweimonatiger Waffenstillstand zusammengebrochen ist, hat die humanitäre Krise im Gazastreifen ein noch nie dagewesenes Ausmaß erreicht.
Der letzte Anruf des Papstes in der Kirche der Heiligen Familie fand am Samstagabend statt. Er war kurz, sagte Romanelli, da der Pontifex krank und mit Ostern beschäftigt war. Für Ayad war die Ansprache von Franziskus am Ostersonntag eine ergreifende letzte Botschaft. Sie sagt: „Seine letzte Erklärung, die er nur einen Tag vor seinem Tod abgab, hat uns große Freude bereitet. Als der Krieg wieder aufflammte, hatten wir das Gefühl, dass uns alle im Stich gelassen hatten – Araber, Ausländer, die ganze Welt. Es gab uns das Gefühl, dass es immer noch Menschen gibt, die sich für uns einsetzen und ein Ende des Krieges gegen Gaza fordern.“
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Von Ruwaida Kamal Amer, 972Mag, 24. Dezember 2024
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