top of page

Nonnen und Priester verlassen ihre Pfarrgemeinden in Gaza-Stadt trotz israelischer Vertreibungsbefehle nicht

  • office16022
  • 1. Sept.
  • 4 Min. Lesezeit

„Vor einigen Wochen hat die israelische Regierung ihre Entscheidung bekannt gegeben, die Kontrolle über Gaza-Stadt zu übernehmen. In den letzten Tagen haben die Medien wiederholt über eine massive militärische Mobilisierung und Vorbereitungen für eine bevorstehende Offensive berichtet. Diesen Berichten zufolge soll die Bevölkerung von Gaza-Stadt, wo Hunderttausende Zivilist*innen leben – und wo sich auch unsere christliche Gemeinde befindet –, evakuiert und in den Süden des Gazastreifens umgesiedelt werden. Zum Zeitpunkt dieser Erklärung lagen bereits Evakuierungsbefehle für mehrere Stadtteile von Gaza-Stadt vor. Es gehen weiterhin Berichte über schwere Bombardierungen ein. In einer Situation, die bereits vor dieser Operation dramatisch war, gibt es nun noch mehr Zerstörung und Tod. Es scheint, dass die Ankündigung der israelischen Regierung, dass „sich die Pforten der Hölle öffnen werden“, tatsächlich tragische Formen annimmt. Die Erfahrungen aus früheren Angriffen auf Gaza, die erklärten Absichten der israelischen Regierung in Bezug auf die aktuelle Operation und die Berichte, die uns derzeit aus dem Gebiet erreichen, zeigen, dass die Operation nicht nur eine Drohung ist, sondern eine Realität, die bereits umgesetzt wird.“

Gemeinsame Erklärung des Lateinischen und Griechisch-orthodoxen Patriarchat von Jerusalem, 26. August 2025

 

 

„Wichtig zu verstehen: Wenn die Christ*innen in Gaza glauben, dass Israel keinen Krieg in Gaza-Stadt führen wird, irren sie sich. Sie haben sich selbst in ein Kriegsgebiet begeben. Sie sind Teil des Kampfes. Wenn sie nach dem Märtyrertod suchen, tja dann...“

Das in Washington ansässige „Jewish Policy Center“ in einem Tweet auf X über palästinensische Christ*innen (darunter Nonnen und Priester), die sich weigern, ihre Kirchengemeinden zu verlassen. Nach Protesten wurde der Tweet gelöscht, 26. August 2025




Am 26. August 2025 veröffentlichten das lateinische und das griechisch-orthodoxe Patriarchat von Jerusalem eine gemeinsame Erklärung, in der sie Israels Vertreibungs-Befehl an die Bewohner*innen von Gaza-Stadt, während israelische Streitkräfte die Stadt von allen Seiten angreifen, verurteilten.


Beide Patriarchate bezeichneten diesen Evakuierungsbefehl als „Todesurteil“ für diejenigen in der Stadt, die gezwungen sind, sich zu entscheiden, ob sie in der Stadt bleiben und möglicherweise von der israelischen Armee getötet werden oder die Evakuierung in den Süden riskieren wollen, wo die Flüchtlingslager bereits verheerend überfüllt sind, keine sanitären Einrichtungen sowie keine gesicherte Wasser- und Lebensmittelversorgung besteht und Vertriebene in Zelten weiterhin Ziel von Luftangriffen innerhalb der von Israel ausgewiesenen „Sicherheitszonen“ sind.


In der gemeinsamen Erklärung heißt es weiters, dass die zum griechisch-orthodoxen Patriarchat gehörende St. Porphyrius-Kirche und die zum Lateinischen Patriarchat gehörende Kirche zur Heiligen Familie in den letzten zwei Jahren zu Zufluchtsorten für Hunderte von gewaltsam vertriebenen Palästinenser*innen geworden sind. Beide Patriarchate erklärten, dass ihre Geistlichen, die diesen – christlichen und muslimischen – Familien dienen und sie unterstützen, die Anlagen nicht verlassen und sich weiterhin um diejenigen kümmern werden, die dort bleiben:


„Seit Ausbruch des Krieges sind die griechisch-orthodoxe Anlage des Heiligen Porphyrius und die Anlage der Heiligen Familie Zufluchtsort für Hunderte von Zivilist*innen. Unter ihnen sind ältere Menschen, Frauen und Kinder. Hier beherbergen wir seit vielen Jahren Menschen mit Behinderungen, die von den Nonnen betreut werden. Wie andere Bewohner*innen von Gaza-Stadt müssen auch die in den Einrichtungen lebenden Flüchtlinge nach bestem Gewissen entscheiden, was sie tun werden. Viele derjenigen, die innerhalb der Mauern der Kirchenanlagen Zuflucht gesucht haben, sind aufgrund der Strapazen der letzten Monate geschwächt und unterernährt. Gaza-Stadt zu verlassen und zu versuchen, in den Süden zu fliehen, kommt einem Todesurteil gleich. Aus diesem Grund haben die Geistlichen und Nonnen beschlossen, zu bleiben und sich weiterhin um alle zu kümmern, die in den Kirchenanlagen leben.“


Die Schwestern von Mutter Teresa, die seit über fünfzig Jahren in Gaza präsent sind, kümmern sich täglich um behinderte Kinder und schutzbedürftige Erwachsene und besuchen regelmäßig die Armen und Kranken, selbst unter Bombardements. Viele der behinderten Menschen sind auf intensive Pflege angewiesen, wären nicht transportfähig und könnten daher gar nicht fliehen. Ähnlich ergeht es der älteren Bevölkerung, wie auch William Shomali, Weihbischof und Generalvikar im Lateinischen Patriarchat von Jerusalem, sagte:


„Die Entscheidung, Priester und Nonnen in Gaza zu behalten, wurde auch getroffen, um älteren Menschen zu helfen, da ihre Vertreibung aufgrund israelischer Militärbefehle einem Todesurteil gleichkommen würde.“


Gestern bekräftigte das Notfall-Komitee der Kirche der Heiligen Familie in Gaza-Stadt diese Entscheidung noch einmal und erklärte, dass auch das Komitee bleiben und seine Arbeit fortsetzen wird, um die Priester, Nonnen und die vertriebenen Familien in der Anlage zu unterstützen. Dies ist keine leichte Entscheidung, da sie bedeutet, sich den Befehlen der israelischen Streitkräfte zu widersetzen und sich für ein ungewisses – möglicherweise lebensbedrohliches – Schicksal zu entscheiden:


„Wir wissen nicht genau, was vor Ort passieren wird, nicht nur für unsere Gemeinde, sondern für die gesamte Bevölkerung.“


Die Kirche der Heiligen Familie wurde zuletzt vor wenigen Wochen von der israelischen Armee angegriffen, drei Gemeindemitglieder wurden dabei getötet.

 

_______________________________________________

Lesehinweise:

Joint Statement by the Greek Orthodox Patriarchate of Jerusalem and the Latin Patriarchate of Jerusalem

26. August 2025

Israelische Armee greift Katholische Kirche in Gaza an und tötet drei Gemeindemitglieder

18. Juli 2025

Von Martha Tonsern, 4. Oktober 2024

Die Christinnen und Christen in Gaza, die in Kirchen Zuflucht suchen, sehen einem weiteren Weihnachtsfest unter Beschuss entgegen

Nach wiederholten israelischen Angriffen auf die historischen Kirchen im Gazastreifen trauern die vertriebenen PalästinenserInnen um ihre Angehörigen und die Freude über die verloren gegangene Weihnachtszeit.

Von Ruwaida Kamal Amer, 972Mag, 24. Dezember 2024


ree


 

Kommentare


bottom of page