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Anmerkungen zur Freilassung von Palästinenser*innen

  • office16022
  • 15. Okt.
  • 6 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 28. Okt.

„Im Folterlager Sde Teiman werden etwas mehr eintausend Palästinenser unter furchtbaren Zuständen gefangen gehalten. Der israelische Oberste Gerichtshof hat die israelische Regierung vor Kurzem gezwungen, zu beantworten, wie viele von ihnen als Hamas-Kämpfer gelten.

Die Antwort war: 28.“

 


„Meine Kinder sind tot. Meine Liebsten wurden getötet. Keiner von ihnen ist am Leben geblieben.“

Haitham Muaen Salem, Vater von drei Mädchen, erfuhr erst nach seiner Freilassung aus israelischer Gefangenschaft, dass seine Frau, seine drei kleinen Töchter und weitere Familienmitglieder wenige Tage vor der Waffenruhe bei einer israelischen Bombardierung getötet worden waren. Der 2. Geburtstag seiner Tochter wäre in fünf Tagen gewesen. Zeteo News, 14. Oktober 2025

 

 

 

„Nach seiner Freilassung versuchte Naseem al-Radee, seine Frau anzurufen, stellte jedoch fest, dass ihr Telefon außer Betrieb war. Dann erfuhr er, dass seine Frau und alle seine Kinder bis auf eines während seiner Haft in Gaza getötet worden waren.“

“‘Cruelest forms of torture’: freed Palestinians describe horrors of Israeli jail”, The Guardian, 14. Oktober 2025

 

 

„Dr. Mohammed Salem, ein Arzt aus Gaza und ehemaliger Gefangener, kehrte mit einem Schmerz nach Hause zurück, den nichts auf der Welt lindern kann. Er sehnte sich danach, die Stimmen seiner Mutter und seiner Schwester zu hören, doch dann erfuhr er, dass sie während seiner Haft getötet worden waren. Die Freiheit brachte ihm keine Freude, sondern einen unerträglichen Verlust.“

Dr. Fadel Naim, orthopädischer Chirurg aus Gaza, über seinen Kollegen Dr. Mohammed Salem, 16. Oktober 2025. Dr. Salem verlor im Oktober 2023 bereits seinen Sohn Yusef, der von der israelischen Armee im Alter von sieben Jahren getötet wurde.

 

 

„Heute haben wir schmerzliche Nachrichten vom Anwaltsteam erhalten. Die Administrativhaft meines Vaters, Dr. Hussam Abu Safiyeh, wurde um weitere sechs Monate verlängert – trotz all der Hoffnung, die wir jeden Tag auf seine Rückkehr setzen. Wir rufen alle Menschenrechts- und humanitären Organisationen dazu auf, sich für Gerechtigkeit einzusetzen und dafür zu sorgen, dass mein Vater so schnell wie möglich freigelassen wird. Bitte schließen Sie ihn in Ihre Gebete für Freiheit und Frieden ein.“

Stellungnahme der Familie von Dr. Hussam Abu Safiyeh, Kinderarzt und Leiter des Kamal Adwan Krankenhauses, der im Jänner 2025 von israelischen Soldaten verschleppt wurde und seitdem – ohne Anklage – in einem israelischen Gefängnis unter menschenunwürdigen Bedingungen festgehalten wird, 16. Oktober 2025.

 

 


 

 

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Von den Massen bejubelte freigelassene palästinensische Häftlinge, darunter Terroristen und Mörder, kamen gestern in Bussen im Westjordanland an“ (Ö1), „Nach der Freilassung aller 20 überlebenden israelischen Geiseln läuft die Freilassung von 250 palästinensischen Häftlingen und mehr als 1.700 Festgehaltenen“ (orf.at), „Israel begann mit der Freilassung palästinensischer Gefangener und Häftlinge“ (Tiroler Tageszeitung), so gestrige Radiomeldungen oder Überschriften in den österreichischen Medien.


Während Sondersendungen minutiös über die Freilassung der israelischen Geiseln berichten und sie mit Namen und Familienhintergrund beschrieben werden, finden die palästinensischen Freigelassenen kaum mediale Berichterstattung. Vielmehr gleichen sie einer anonymen Masse, ohne Differenzierungen subsumiert unter Begriffen wir „Häftlinge, Terroristen, Mörder und Vergewaltiger“. Manchen Medien war klar, dass 1700 der freigelassenen Palästinenser*innen keine Häftlinge, sondern vielmehr aus Gaza verschleppte Menschen sind, die ebenfalls als Geiseln bezeichnet werden könnten – man bezeichnete sie jedoch euphemistisch als „Festgehaltene“.


1700 der freigelassenen Menschen – unter ihnen Kinder, Frauen und Menschen mit Neurodivergenz oder geistiger Behinderung – wurden aus Gaza verschleppt und ohne Anklage unter unbeschreiblichen Zuständen in israelischen Folterlagern wie beispielsweise Sde Teiman festgehalten. Eine bisher unbekannte Anzahl der verschleppten Menschen wurden in Gefangenschaft getötet; darunter der erst 17-jährige Walid Khalid Abdullah Ahmad und fünf Gesundheitsmitarbeiter, wie beispielsweise der prominente Chirurg Dr. Adnan Al Bursh und der Gynäkologe Dr. Iyad al-Rantisi.


Unter den freigelassenen Bewohner*innen aus Gaza befanden sich 55 Gesundheitsmitarbeiter, darunter 7 Ärzte, 24 Krankenpfleger und zwei Sanitäter. Einer der bekanntesten freigelassenen Ärzte ist Dr. Ahmed Mhanna, ehemaliger Direktor des Al-Awda-Krankenhauses, der im Dezember 2023 von israelischen Soldaten verschleppt wurde. 44 der 55 freigelassenen Gesundheitsmitarbeiter wurden direkt während ihrer Arbeit in Krankenhäuser – manchmal während Operationen vom OP-Tisch weg – verschleppt, andere wurden auf der Flucht vor den Bombardierungen in Richtung Süden an israelischen Checkpoints gefangen genommen.


Wie die Organisation Healthcare Workers Watch berichtet, befinden sich nach wie vor 115 weitere palästinensische Gesundheitsmitarbeiter in israelischer Gefangenschaft, darunter mindestens 20 Ärzte. Unklar bis zuletzt ist eine mögliche Freilassung von Dr. Hussam Abu Saffiyeh, dem Leiter des Kamal-Adwan-Krankenhauses. Wie seine Familie berichtete, wurde sein Name auf der Liste genannt, die Familie jedoch bisher nicht über Details eine Freilassung informiert.

Besonders erschütternd sind die Bilder jener freigelassenen Menschen, die – isoliert während ihrer Gefangenschaft – erst bei ihrer Rückkehr nach Gaza davon erfuhren, dass ihre Familienmitglieder getötet worden waren.


In Ramallah mischten sich inmitten der freudigen Szenen ebenfalls Trauer. Mehrere Familien, denen von israelischen Stellen mitgeteilt worden war, dass ihre Angehörigen nach Hause zurückkehren würden, wurden davon überrascht, als sie gestern feststellen mussten, dass diese nicht in den Bussen saßen. So erging es der Familie des Gefangenen Murad Abu al-Rub, 45 - zwei seiner Schwestern, sein Cousin und seine gelähmte Mutter warteten vergeblich auf seine Rückkehr, ehe sie vom Roten Kreuz darüber informiert wurden, dass Murad Abu al-Rub nach Ägypten deportiert worden war.


Vor der gestrigen Freilassung befanden sich laut Statistiken der israelischen NGO HaMoked vom Oktober 2025 insgesamt 11 056 Palästinenser*innen in israelischen Gefängnissen. Mindestens 3 500 von ihnen wurden ohne Gerichtsverfahren in Administrativhaft festgehalten. Eine Datenbank des israelischen Militärs hat ergeben, dass nur ein Viertel der in Gaza verschleppten Menschen von Israel als militant eingestuft wird.



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Zum Weiterlesen:

 

Neuer Bericht von B'Tselem: "Willkommen in der Hölle - Das israelische Gefängnissystem als ein Netzwerk von Folterlagern"

Daten des israelischen Geheimdienstes: Nur jeder vierte Häftling in Gaza ist ein militanter Kämpfer

Von Yuval Abraham, +972Mag in Kooperation mit Merkomit/Local Call, 4. September 2025

Webseite der Organisation Healthcare Workers Watch

Unterernährung, Krankheit und Tod - die Routine für palästinensische Gefangene in Israels Megiddo-Gefängnis

Der sechzehnjährige Palästinenser Ibrahim wurde acht Monate lang im Megiddo-Gefängnis festgehalten, bis der Bewährungsausschuss feststellte, dass sich sein Zustand auf „lebensbedrohliches Untergewicht“ verschlechtert hatte. Er berichtet von wiederkehrenden Krätze-Infektionen, Darmerkrankungen, Schlägen und Vernachlässigung - und eine Untersuchung von Haaretz zeigt, dass dies die Erfahrung vieler anderer ist, von denen einige nicht überlebt haben.

Von Hagar Shezaf, Haaretz, 6. Juli 2025

Jeder israelische Soldat, der im berüchtigten Lager Sde Teiman Dienst verrichtet, weiß, was mit den palästinensischen Häftlingen dort geschiehtg

Ich habe gehört, wie der Kommandant der Einrichtung erklärte: „Die hohen Tiere sagen, dass Sde Teiman ein Friedhof genannt wird.“ Dennoch ignorieren die israelischen Medien und die Öffentlichkeit absichtlich das erschütternde Gesamtbild, das das Gefangenenlager zeigt.

Kommentar verfasst von einer anonymen Quelle, Haaretz, 1. Juni 2025

„Was bedeutet internationales Recht überhaupt?“ - Zum Tod von Walid Khalid Abdullah Ahmad, 17

Ich habe einige Worte über meinen kürzlichen Besuch beim Militärgericht Ofer im Westjordanland geschrieben, einem der wichtigsten Bestandteile des Besatzungssystems.

Von Addam Yekutieli, 6. April 2025

„Sie zwangen mich, stundenlang in der Kälte zu stehen, mit erhobenen Armen und gefesselt": Acht Ärzte aus dem Gazastreifen berichten über ihre Tortur in israelischen Gefängnissen

Hochrangige Ärzte und Chirurgen beschreiben die Folter, den Hunger, die Demütigung und die Verweigerung medizinischer Versorgung, die sie ertragen mussten, während sie ohne Anklage festgehalten wurden.

Von Hoda Osman, Annie Kelly, Farah Jallad und Aseel Mousa; The Guardian, 26. Februar 2025

Schläge, Krankheiten, Demütigungen: Das Jahr eines palästinensischen Arztes in israelischen Gefängnissen

Dr. Mahmoud Abu Shahada, ohne Anklage festgehalten, wurde nach seiner Verhaftung beim israelischen Angriff auf das Nasser-Krankenhaus in Gaza monatelang physisch und psychisch misshandelt.

Von Ruwaida Kamal Amer, 972Mag, 18. Februar 2025

„Meine Hände sind von der Folter gelähmt": Menschen aus Gaza berichten über die Schrecken des Lagers Ofer

Die Insassen der neuen, zwielichtigen israelischen Einrichtung sind ununterbrochenen Misshandlungen ausgesetzt – von tödlichen Schlägen und Elektroschocks bis hin zu permanenten Handschellen und Hautkrankheiten.

Von Oren Ziv, +972Mag in Kooperation mit Local Call, 19. Dezember 2024

Die Suche nach dem Arzt im weißen Kittel aus Gaza läuft auf Hochtouren

Dr. Hussam Abu Safiya ist einer von sechs medizinischen Mitarbeitern der in Chicago ansässigen Organisation MedGlobal, die sich weiterhin in israelischer Gefangenschaft befinden.

Von Jonah Valdez, The Intercept, 31. Jänner 2024

Palästinensisches Krankenhauspersonal angekettet, ausgehungert, sexuell missbraucht: Neuer Bericht von Human Rights Watch über israelische Gefängnisse

Amy Goodman von Democracy Now im Interview mit Milena Ansari von Human Rights Watch, 27. August 2024

Bericht von DCI: „Sie haben versucht, uns zu vernichten": Palästinensische Kinder in Gaza wurden von israelischem Militär gefoltert

Neuer Bericht von DCIP (Defense for Children International-Palestine): Die israelische Armee nimmt systematisch palästinensische Kinder im Gazastreifen fest und foltert sie, einige von ihnen wurden auch als menschliche Schutzschilde missbraucht.

21. August 2024

„Schrecklicher als Abu Ghraib": Anwalt berichtet über Besuch in einem israelischen Gefangenenlager

In Sde Teiman fand Khaled Mahajneh einen inhaftierten Journalisten bis zur Unkenntlichkeit verändert vor, als dieser die gewalttätigen und unmenschlichen Bedingungen in der Einrichtung beschrieb.

Von Baker Zoubi, 27. Juni 2024, 972Mag in Kooperation mit Local Call

Palästinensischer Arzt wurde in israelischem Gefängnis zu Tode gefoltert – israelische Behörden hielten die Nachricht monatelang unter Verschluss

27. Juni 2024

Gazas verschwundene Heiler: Hunderte palästinensische Ärzte sind in israelischer Haft verschwunden.

Von Kavitha Chekuru, The Intercept, 24. Mai 2024

Festgeschnallt, mit verbundenen Augen, in Windeln gehalten: Israelische Whistleblower schildern die Misshandlung von Palästinensern in einem geheimen Gefangenenlager

11. Mai 2024, CNN

Zum Tod des bekannten palästinensischen Arztes Adnan Al-Bursh

Der bekannte Chirurg Dr. Al-Bursh aus Gaza wurde, wie erst jetzt bekannt wurde, am 19. April von den israelischen Gefängnisbehörden im Ofer-Gefängnis im besetzten Westjordanland nach viermonatiger Haft für tot erklärt.

7. Mai 2024

 

 

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